Carsten Schütz - der unerschrockene Tempobolzer
Alles oder nichts! Carsten Schütz gleicht bisweilen einem Spieler, der voll auf Risiko setzt. "Wenn er läuft, dann volles Pfund", sagt Tono Kirschbaum, Cheftrainer beim TV Wattenscheid 01. "Er ist einer, der mit dem Kopf durch die Wand will."

Kämpfer-Typ Carsten Schütz gibt immer alles (Foto: Hörnemann)
Dann kann es schon mal sein, dass "Schützi", so sein Spitzname, ein dickes Hörnchen davon trägt. Doch er steckt nie auf. Carsten Schütz, der sich ab sofort verschärft auf die Cross-Saison vorbereitet, ist ein Kämpfer-Typ, einer, der immer 100 Prozent investiert. Denn er weiß, dass sich Ehrgeiz und Engagement auszahlen. Wie unlängst in Salzgitter, Schauplatz der Deutschen Meisterschaften im 10-Kilometer-Straßenlauf, wo der unerschrockene Tempobolzer dank einer mutigen Vorstellung mit dem ersten Einzeltitel seiner Karriere belohnt wurde.Akkus aufladen mit Alternativtraining
Nach seinem Triumph folgte eine Woche später der Sparkassen-Marathon in Duisburg, in dessen Rahmenprogramm auch ein Rennen über 10 Kilometer angeboten wurde. "Das hab' ich auch gewonnen", berichtet ein froh gelaunter Schütz (29:46 min), der dem Zweitplatzierten, Stephan Freigang, dabei gut eine halbe Minute abgenommen hat. "Danach folgte erst mal eine Pause." Er legte sieben Tage lang die Beine hoch. Relaxen. "Der Akku war leer." Neue Energien aufladen, um problemlos durch den Winter zu kommen. Einen Monat lang absolvierte er ein Alternativtraining. "Aquajogging, Athletik und vor allem Radfahren", erzählt der 27-jährige Schütz, "mit dem Rennrad bin ich oft zwei Stunden unterwegs gewesen." Im Raum Essen bretterte er mit einem 30-er Schnitt über die Straßen, um eine solide Grundlage zu schaffen für den Einstieg in die Wintersaison.
In Köln locker bis Kilometer 30
Die Lauferei hat er bewusst vernachlässigt. "Zwei Einheiten pro Woche", erklärt Schütz, "das musste reichen." Dass er angesichts dieses Schmalspur-Programms beim Köln-Marathon bis Kilometer 30 den "Pacemaker" gespielt hat für seinen Klubkollegen Sebastian Bürklein, war eher ein Zufallsprodukt. "Sebastian hatte mich gefragt, ob ich ihn begleiten würde." Seine spontane Antwort: "Na klar, mach' ich!" Schütz war der Windbrecher, nahm Bürklein ins Schlepptau und erledigte seinen Job noch länger als eingeplant. "Ursprünglich sollte ich nur bis zur Halbmarathon-Marke Hase' sein", erinnert er sich an ihre gemeinsame Absprache, "doch ich war so locker drauf, dass ich bis Kilometer 30 weiter gelaufen bin. Dann hat es mir allerdings die Wade zugehauen." Schütz ging raus. "Durchgehalten hätte ich wohl, wenn ich wirklich gewollt hätte", fängt er an zu spekulieren, "aber eins ist sicher: Das gleiche Tempo hätte ich nicht mehr halten können." Dennoch könnte es durchaus sein, dass er im kommenden Jahr ernsthaft einen Marathon in Angriff nehmen wird. "Ausschließen möchte ich das nicht", meint Schütz, "das wäre einen Versuch wert." In Köln hat er offensichtlich Gefallen gefunden an der klassischen Distanz über stramme 42,195 Kilometer.
Cross-EM im Dezember ist das große Ziel
Aber das ist und bleibt Zukunftsmusik. "Momentan zählt die Gegenwart", betont Carsten Schütz, "ich werde mich nun ganz auf die Cross-Rennen konzentrieren." Am 1. November wird er wieder voll einsteigen ins Training und peu à peu die Belastungen steigern. "Mein Ziel ist die Cross-EM in Kroatien am 8. Dezember", schaut er voraus, "dafür will ich mich qualifizieren." Schütz, der momentan keinem DLV-Kader angehört, hat sich deshalb den 17. November bereits rot angekreuzt in seinem Terminkalender. "Der Cross in Darmstadt dient als erste Standortbestimmung", sagt er, "da muss ich unter die ersten fünf Deutschen kommen." Weiterhin ist eine Platzierung unter den ersten 25 Europäern bei einem internationalen Rennen erforderlich, um nominiert zu werden.
Optimistisch ist er. Und selbstbewusst. "Ich denke schon, dass ich das packen kann." Schütz greift an. Kirschbaum, der Coach, wird ihn bei seinem Bemühen unterstützen. Auch die Sparkasse Bochum, sein Arbeitgeber, fördert ihn. "Ich habe einen 30-Stunden-Job", bemerkt er, "und darüber hinaus kriege ich frei, wenn ich frei brauche." Mit Alexander Lubina und Jan Fitschen, seinen beiden Vereinskameraden aus Wattenscheid, hat er obendrein starke Trainingspartner an seiner Seite.
Großer Ehrgeiz nach missratenem Sommer
Wenn das flotte Trio in den blau-weißen Farben auf leisen Sohlen rund um den Kemnader See, einem Naherholungsgebiet direkt an der Autobahn A 43, seine Runden dreht, springt so mancher Spaziergänger erschreckt zur Seite. "Hoppla", rufen die Wattenscheider vergnügt, "jetzt kommen wir." Carsten Schütz stürmt meist vorneweg. "Er kann gar nicht langsam laufen", lacht Kirschbaum, "er muss immer Gas geben." Ja, ja, Schütz strotzt wieder vor Ehrgeiz nach einem bescheidenen Sommer, der ihm gründlich missraten ist. "Auf der Bahn habe ich nichts gerissen", redet er Klartext, "da war ich total von der Rolle." Schütz, der in Essener Stadtteil Burgaltendorf wohnt, hofft auf eine deutliche Steigerung. "Wahrscheinlich werde ich in der Saison 2003 die 5000 Meter bevorzugen", erzählt er, "ich lass' das noch offen." So weit will "Schützi" nicht planen.