Sebastian Ernst - Nie wieder auf der Ersatzbank!
Wenn es die Ersatzbank im Fußball nicht gäbe, wäre der deutschen Leichtathletik eines der größten Sprinttalente verloren gegangen. Klar, hat doch auch der Gelsenkirchener Sebastian Ernst als kleiner Junge nur ans Fußballspielen gedacht. Irgendwann hat ihn sein Trainer dann drei Jahre lang auf der Bank schmoren lassen. "Ich konnte mich im Training soviel anstrengen wie ich wollte, ich landete immer auf der Bank", erzählt der Sprinter vom FC Schalke 04.

Sebastian Ernst lief sich in der Hallensaison weiter in den Vordergrund (Foto: Chai)
Heute ist Sebastian Ernst seinem damaligen Fußballtrainer vermutlich ziemlich dankbar. Nach drei Jahren Ersatzbank riss bei dem Schalker der Geduldsfaden. Er verabschiedete sich vom Kicken. Was er aber damals schon wusste: Er ist verdammt schnell. Die Entscheidung, zur Leichtathletik zu wechseln, lag ziemlich nahe. Ab diesem Zeitpunkt hat seine märchenhafte Entwicklung, wie seine Trainerin Andrea Flaßkamp sagt, ihren Lauf genommen.Irgendwie passt Sebastian Ernst nicht ganz ins Bild der sprintenden Kraftpakete. Schlank - fast zierlich, ruhig – fast unauffällig, aber verdammt talentiert. Und das bekommen die Konkurrenten auf seiner Spezialstrecke, den 200 Metern, ziemlich schnell zu spüren. Wenn er mit seinen hochfrequenten Schritten in Richtung Ziel fliegt. Bei seinem U20-Junioreneuropameistertitel von Tampere in 20,63 Sekunden hat er seine Altersgenossen abgezockt, in Budapest bei der Hallen-WM Sprint-Größen wie Frankie Fredericks und Marcin Jedrusinski.
Wettkampftyp ohne Angst
Trotz seiner an den Oberschenkeln vielleicht weniger ausgefüllten Trikothosen schwört er auf seine körperlichen Voraussetzungen. Seine Stärken sind die schnelle Frequenz, der reaktive Fußaufsatz, die koordinative Begabung, Bewegungsabläufe schnell umzusetzen. Welch ein Sprinter kann schon von sich behaupten, im Schwimmbad mit einem Auerbach-Salto glänzen zu können.
Zu seinen körperlichen Voraussetzungen kommt der hundertprozentige Wille dazu, sich in jedes Rennen voll reinzuhängen. Ein Wettkampftyp eben, der keine Angst vor großen Meisterschaften hat. "Auch wenn ich davor immer furchtbar nervös bin", gesteht er.
Auto-Freak
Ehrgeizig ist der Auto-Freak auch dann, wenn er nicht auf der Laufbahn steht. Zur Zeit absolviert er ein Praktikum in einem Autohaus, will sein Fachabitur machen und Ende des Jahres eine Ausbildung beim Bundesgrenzschutz beginnen. Erstmal bereitet er sich aber auf sein bislang allergrößtes Ziel vor. Die Olympischen Spiele in Athen. Schließlich liegen seine 20,63 Sekunden von Finnland nur vier Hundertstel über der Olympianorm (20,59 sec). Positives erhofft er sich auch vom Konkurrenzkampf mit dem Hallen-WM-Dritten Tobias Unger: "Wir pushen uns gegenseitig und irgendwann sind wir ganz weit vorne."
Im April stehen die ersten Trainingslager in Italien und auf Lanzarote an. Los geht's mit der Saison, vielleicht nach einem kleinen Abstecher zu den Penn-Relays in Philadelphia, Ende Mai.
Fest steht: Nach den überzeugenden Auftritten in der Hallensaison hat der Schalker Blut geleckt. Fest steht auch, dass die Weißblauen im Ruhrpott verdammt stolz sein können auf Sebastian Ernst. Darauf, dass er den Verein, bei dem es im Moment fußballerisch eher mäßig läuft, international nicht in Vergessenheit geraten lässt. Denn wenn alles so märchenhaft läuft wie bisher, wird der Schalker in Athen mit Sicherheit nicht auf der Ersatzbank Platz nehmen.