| Interview der Woche

Christian Blum: „Habe den Rekord nicht im Hinterkopf”

So schnell wie seit Jahren nicht mehr: Christian Blum hat am Samstag beim Meeting in Chemnitz für das sportliche Highlight des Wochenendes gesorgt. In 6,56 Sekunden blieb der Wattenscheider Sprinter nur die Winzigkeit von drei Hundertstel über dem deutschen Sprintrekord von Sven Matthes aus dem Jahr 1988. Im Interview spricht der 27-Jährige über seine Hallen-Stärke, einen möglichen fünften Deutschen Meistertitel und den Spagat zwischen Familienleben und Sprinteralltag.
Alexandra Neuhaus

Christian Blum, Glückwunsch zu Ihrer starken Leistung in Chemnitz. 6,56 Sekunden – so schnell waren Sie ja schon seit 2009 nicht mehr. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Christian Blum:

Jede Menge sogar, denn so eine Leistung ist das Ergebnis von kontinuierlich guter Arbeit. Ich trainiere jetzt seit 2013 fest beim Sprintbundestrainer Ronald Stein und habe einfach meine Zeit gebraucht, um mit seinem Training umzugehen. Die ersten Erfolge haben sich schon im letzten Sommer eingestellt, als ich meine Bestzeit über 100 Meter auf 10,20 Sekunden gesteigert habe. Zudem bin ich gesund und verletzungsfrei durch die letzten Jahre gekommen. Ich hatte in der Vergangenheit lange Nervenprobleme im Rücken, die auf den Oberschenkel ausgestrahlt haben, so dass ich mir einen Nerv habe veröden lassen müssen. Seitdem habe ich die Probleme im Griff und habe kein körperliches Defizit mehr aufgebaut. Wenn man all‘ das zusammen sieht, trägt jetzt die gute Arbeit auch im Winter ihre Früchte.

Mit 6,56 Sekunden sind Sie auch nur drei Hundertstel vom deutschen Hallenrekord über 60 Meter entfernt. Dieses Schielen auf Rekorde, ist das eher ein Medienthema? Oder haben Sie das als Sprinter auch im Hinterkopf?

Christian Blum:

Wir Sprinter waren in der letzten Woche schon ernsthaft überrascht, dass der DLV-Veranstaltungsdirektor Frank Kowalski den deutschen Sprintrekord bei den Deutschen Hallenmeisterschaften ins Spiel gebracht hat. Aber in Chemnitz habe ich gezeigt, dass wir tatsächlich nicht ganz so weit davon entfernt sind. Ich hatte die 6,53 Sekunden aber nicht im Hinterkopf und werde sie auch bei den kommenden Rennen nicht haben. Für einen Rekord muss einfach viel zu viel auf den Punkt zusammenkommen. Angefangen bei der Tagesform, über die Bahn bis hin zur Konkurrenz. Ich will auch in den kommenden Rennen mein Potential anrufen und werde sicherlich nicht über 6,60 Sekunden enttäuscht sein, im Gegenteil.

Die Halle ist überhaupt Ihr Metier. Wünschten Sie sich manchmal, dass auch unter freiem Himmel die 60 Meter gelaufen werden würden?

Christian Blum:

Ach nein, ich laufe schließlich auch gerne die 100 Meter. Aber es stimmt schon, ich lebe von meiner Beschleunigungsfähigkeit und die kommt mir natürlich vor allem auf den 60 Metern zu Gute und fällt entsprechend in der Halle mehr auf. Das Ziel von meinem Trainer und mir ist daher, diese Stärke weiter zu stärken und meine Schwäche zu schwächen. Entsprechend arbeiten wir verstärkt an dem Bereich von 60 bis 100 Metern, denn im Sommer will ich gerne wieder eine Bestzeit über 100 Meter laufen. Aber ich muss schon sagen, ich mag die Halle sehr gerne. Die Zuschauer sind dichter dran, die Bedingungen sind kalkulierbarer, da fühle ich mich sehr wohl.

Sie leben als Familienvater in  München, haben eine kleine Tochter, trainieren aber bei Ronald Stein in Leipzig. Wie funktioniert der Spagat zwischen Ihrem Familiensitz München und Ihrer Trainingsstätte Leipzig?

Christian Blum:

In der Regel bin ich eine Woche lang in München und die nächste Woche dann wieder in Leipzig. Wenn ich in München bin, telefoniere ich täglich mit Ronald. Wenn ich in Leipzig bin, skype ich jeden Tag mit meiner Tochter und Frau. Ich weiß, das ist gerade für meine Familie keine leichte Situation, denn sie müssen schon etwas zurückstecken. Bis Rio 2016 genießt der Sport noch diese Priorität, danach müssen wir weiterschauen. Bislang funktioniert es aber ganz gut. In München trainiere ich zwar hauptsächlich alleine, aber da ich in Leipzig neben den Sprintern auch mit den Hürdensprintern zusammen arbeite, tut mir diese eine Woche, in der ich Zuhause meinen eigenen Stiefel durchziehen kann, auch gut. Dazu kommen ja auch noch die Trainingslager, die wir deutschen Sprinter zusammen verbringen. Aber klar, ohne die Unterstützung und das Verständnis meiner Familie würde dieses Konzept natürlich nicht funktionieren.

Viermal konnten Sie in der Vergangenheit bereits den Titel Deutscher Hallenmeister erlaufen. Wie groß sind die Chancen, dass Sie in diesem Winter die Hand voll machen?

Christian Blum:

Geht man nach der derzeitigen Bestenliste, natürlich gut. Aber außerhalb des Papiers weiß ich, dass es ganz eng wird. In Erfurt war Julian Reus vor mir, beim Indoor ISTAF rechne ich ganz stark mit Lucas Jakubczyk. Wir sind gerade drei Sprinter, die alle unter 6,60 Sekunden laufen können. In Karlsruhe wird es die Tagesform, aber auch auf die mentale Stärke ankommen. Ich nehme mir einfach vor, mein Ding zu machen. Das hat bislang in diesem Winter auch gut geklappt.

Wenn man so stark wie Sie in ein Jahr startet, mit welchen Hoffnungen blicken Sie dann jetzt schon voraus auf den WM-Sommer?

Christian Blum:

Mit jeder Menge positivem Optimismus. 2009 bin ich ja schon einmal 6,56 Sekunden gelaufen, wurde danach aber sehr krank. Nach einer Mandelentzündung hatte ich extrem abgenommen, nur noch 60 Kilo gewogen und hatte im Sommer einfach keine Substanz, um gute Leistungen abzuliefern. Heute bin ich körperlich stabiler und achte auch mehr auf mich. Etwas Besseres, als die derzeitigen Leistungen im Winter, konnte mir nicht passieren. Ich werde diesen Schwung mit in den Sommer nehmen, egal wie diese Hallensaison noch weiter verläuft.

Denn bevor es in den Sommer geht, steht ja auch noch eine Hallen-EM in Prag an.

Christian Blum:

Richtig und darauf freue ich mich auch schon. Mein Ziel ist das Finale, das wollte ich auch schon vor dem Rennen in Chemnitz. Und das wird schon schwer genug. Ich denke, 6,61 Sekunden wird man wohl laufen müssen, um dabei zu sein. Diese Zeit rufe ich momentan stabil ab, deshalb bin ich zuversichtlich, dass es auch in Prag klappt. Aber eine Garantie gibt es im Sport natürlich nie.

<link btn>Tickets und Infos zur Hallen-DM

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024