| Leute

Christian von Eitzen vollzieht den „Brexit“

In seiner zweiten Heimat Großbritannien hatte 800-Meter-Läufer Christian von Eitzen den Sprung in die deutsche Spitze geschafft. Nun ist der 20-Jährige nach Deutschland zurückgekehrt und trainiert in Frankfurt am Main so professionell und vielseitig wie nie zuvor. 2018 soll es noch deutlich schneller werden als seine aktuelle Bestzeit von 1:46,88 Minuten.
Philip Häfner

Er ist der einzige Deutsche, der in diesem Jahr bei den Aktiven einen neuen Weltrekord aufstellen konnte, wenngleich nur einen inoffiziellen. Im Juli absolvierte Christian von Eitzen zusammen mit ein paar Freunden aus London (Großbritannien) die 4x400 Meter-Biermeilen-Staffel in 3:46,6 Minuten und damit rund 15 Sekunden schneller als ein Quartett aus Kanada nur eine Woche zuvor.

Bei diesem Spaß-Wettbewerb dürfen die Läufer erst loslaufen, nachdem sie eine Flasche Bier auf Ex getrunken haben. „Das ist gar nicht so einfach. Auf den ersten 50, 60 Metern hat man das Bier noch im Mund, weil man noch nicht alles heruntergeschluckt hat“, sagt Christian von Eitzen. Seinen Abschnitt absolvierte er dennoch in handgestoppten 49,3 Sekunden. „So schlecht ist das nicht“, meint er.

Schon da deutete sich an, dass der 20-Jährige gut in Form ist. Ende August bewies er das auch in einem regulären Rennen: In Wiesbaden lief von Eitzen die 800 Meter in 1:46,88 Minuten – Platz vier in der deutschen Jahresbestenliste und fast zweieinhalb Sekunden schneller als seine bisherige Bestzeit von 1:49,15 Minuten. Zum Saarlandrekord von Patrick Zwicker (inzwischen LG Region Karlsruhe; 1:46,69 min) fehlten lediglich zwei Zehntel. Zudem erreichte von Eitzen den Richtwert für den DLV-Perspektivkader und profitiert deshalb in Zukunft von einer besseren Förderung.

Hamburger Jung mit britischen Wurzeln

Den Namen Christian von Eitzen wird man sich also merken müssen. Bislang war der Mann vom LC Rehlingen nur Experten ein Begriff, trotz seiner Teilnahme an den U20-Europameisterschaften 2015 in Eskiltuna (Schweden) und dem Sieg bei den Deutschen U20-Meisterschaften in Mönchengladbach im Jahr darauf. Denn den Großteil des Jahres verbrachte er bislang in Großbritannien.

Er ist zwar in Hamburg aufgewachsen, der Heimatstadt seines vor zwei Jahren verstorbenen Vaters. Doch seine Mutter ist Engländerin, und auch er selbst hat neben dem deutschen auch einen britischen Pass. 2007 verschlug es die Familie auf die Insel – von Eitzen war damals zehn Jahre alt. Zunächst lebte er in Oxford. Seit 2015 besucht er in London die St. Mary's University, wo er Kriminologie und Soziologie studiert, mittlerweile im fünften Semester.

In jungen Jahren schon einer der Besten

Erst in Großbritannien begann er mit der Leichtathletik,, nachdem er vorher Fußball gespielt hatte. In Hamburg hatte er zuvor lediglich an einigen Schülerläufen teilgenommen. Schnell zeigte sich sein Talent auf der Tartanbahn: Fast jedes Jahr zählte er in seiner Altersklasse zu den besten britischen Talenten.

2017 war es jedoch bis zu dem Rennen in Wiesbaden gar nicht gut gelaufen. Christian von Eitzen hatte das Studentenleben etwas zu sehr genossen, zudem nebenbei viel gearbeitet. Zwar hatte er weiterhin auf hohem Niveau trainiert, doch er war nicht in der Lage, die Leistung auch im Wettkampf abzurufen. Hinzu kam, dass er in der Vorbereitung im Höhentrainingslager in den französischen Pyrenäen zu hart trainiert hatte, so dass er danach erst einmal eine Pause brauchte. Erst spät kam er in Form – gerade noch rechtzeitig, um Ende August Bestzeit zu laufen.

Vielseitiges Training statt immer bloß laufen

Mittlerweile hat Christian von Eitzen seinen ganz persönlichen „Brexit“ vollzogen und ist nach Frankfurt am Main gezogen. Sein Studium in London erledigt er in Zukunft weitgehend aus der Ferne, nur alle paar Monate reist er noch dorthin. Der Läufer hat sich der Trainingsgruppe von Georg Schmidt angeschlossen, der auch Bundestrainer für die Mittelstrecke ist und unter anderem bereits Marc Reuther (Wiesbadener LV), Nico Sonnenberg und die Zwillinge Diana und Elina Sujew (alle LG Eintracht Frankfurt) betreut. Seinem Verein LC Rehlingen bleibt von Eitzen allerdings auch künftig treu.

Erst seit ein paar Wochen trainiert Christian von Eitzen nun bei Georg Schmidt, doch er ist schon jetzt überzeugt. „Ich habe noch nie so professionell trainiert“, sagt er. In Großbritannien sei es vor allem ums Laufen gegangen; in Deutschland dagegen werde deutlich vielseitiger trainiert, mit mehr Fokus auf Kräftigung, Sprünge, Schnelligkeit und Lauftechnik.

"Kenianischer Geburtstag" und kenianisches Talent?

Das neue Programm soll Christian von Eitzen den Weg zu den Europameisterschaften in Berlin (6. bis 12. August) ebnen. „Das ist mein großes Ziel. Mir fehlt ja schon jetzt nur eine halbe Sekunde zur Norm“, sagt er.

Im Sommer will er das EM-Ticket klarmachen, doch gefeiert wird bei ihm bereits am 1. Januar – dann wird er 21. „Ich habe einen kenianischen Geburtstag“, scherzt er und spielt darauf an, dass bei vielen der ostafrikanischen Läufer mangels vernünftiger Dokumente als Geburtstag einfach der 1. Januar festgesetzt wird. Im kommenden Jahr wird sich zeigen, ob von Eitzen auch das Lauftalent eines Kenianers besitzt.

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024