| Speerwurf-Bestleistung

Christin Hussong staunt über sich selbst

2011 wurde Christin Hussong als „Rising Star“ des Weltverbandes IAAF ausgezeichnet. Diese Bürde schleppte die Speerwerferin vom LAZ Zweibrücken lange mit sich herum. Erst am vergangenen Dienstag in Luzern (Schweiz) zeigte die 20-Jährige mit einem Wurf auf 63,34 Meter ihr ganzes Können. Kann die Herausforderin sogar das Bayer-Duo Linda Stahl und Katharina Molitor bei der DM in Ulm gefährden?
Thorsten Eisenhofer

An den bislang besten Wurf ihres Lebens kann sich Christin Hussong kaum noch erinnern. „Ich weiß noch, wie ich am Anlauf stand“, erzählt die 20-Jährige. „Dann kann ich mich erst wieder an den Blick auf die Anzeigetafel entsinnen.“

Was dazwischen lag, was sie mittlerweile auf Video zigfach gesehen hat, das war ein Wurf, der aus einer Athletin, der noch ein paar Zentimeter, genaugenommen 24, zur EM-Norm von 60,50 Metern fehlten, eine Athletin gemacht hat, die plötzlich mit 63,34 Metern auf Platz zehn der Weltjahresbestenliste und auf Position fünf der europäischen Rangliste steht. Der das Leben von Hussong, zumindest für ein paar Tage, mächtig durcheinander gewirbelt hat. „Ich habe noch gar nicht so richtig verstanden, was ich da geleistet habe“, sagt Hussong. „Das ist alles wie im Traum vorbeigeflogen.“

Steigerung um 3,08 Meter

Man merkt Christin Hussong auch beim Gespräch ein paar Tage nach dem Wettkampf in Luzern noch an, dass sie sich manchmal sagen muss, dass das doch alles Realität ist. Alles. Nicht verwunderlich, denn die junge Sportlerin vom LAZ Zweibrücken hat etwas geschafft, das sie vorher selbst nicht für möglich gehalten hatte, nicht im Entferntesten. Sie hat ihre Bestleistung gleich um 3,08 Meter gesteigert, Dimensionen erreicht, die ihr – zumindest momentan – noch so fremd waren.

„Vor der Saison habe ich auf 61, vielleicht 62 Meter gehofft“, erzählt Hussong. „Mit 63 Metern habe ich nie gerechnet.“ Dazu stellte sie eine neue Deutsche U23-Bestleistung auf, die alte hielt übrigens Ex-Europameisterin Linda Stahl (62,80 m). „Ich wusste nicht mal, dass es so etwas wie einen deutschen U23-Rekord gibt“, erzählt Hussong, die aus Herschberg bei Pirmasens stammt.
Gewiss, es ist bislang ihre Saison. Gleich im ersten Wettkampf, bei den Werfertagen in Haale, erzielte sie eine neue Bestleistung mit 59,91 Metern. 60,26 Meter, der erste Wurf über die magische 60-Meter-Marke, folgten Mitte Juni bei den Deutschen U23-Meisterschaften, wo sie den Titel gewann. Und nun diese 63,34 Meter am vergangenen Dienstag beim European Athletics Classic Meeting in Luzern, dieser Wurf in eine neue Sphäre.

Dass es ihre bislang beste Saison werden könnte, das hat Hussong schon in der Vorbereitung gespürt. Sie gehört dieses Jahr nicht mehr der Altersklasse U20 an, was gleichzeitig heißt, dass die Deutschen Jugend-Winterwurfmeisterschaften wegfallen. „Dadurch haben wir für diese Saison erstmals nicht mit einer Doppel-Periodisierung geplant“, erzählt Hussong, die mittlerweile Sport und Biologie an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken studiert. Stattdessen folgte den Winter über ein langsamer Aufbau – dessen Früchte sie nun erntet.

Breitere Basis gelegt

Technik und Kraftwerte sind deutlich besser als in den Vorjahren, was sie unter anderem auch darauf zurückführt, dass sie im Training viel mit schweren Speeren wirft. „Wir haben eine breitere Basis geschaffen“, sagt die 20-Jährige, die von ihrem Vater Udo trainiert wird. Am Sonntagmittag möchte sie nun ihre erste Medaille bei den Deutschen Meisterschaften gewinnen – und vor allem die Qualifikation für die Europameisterschaften endgültig sichern. Hussong weiß natürlich, dass es ziemlich gut aussieht, dass schon fast ein kleines Wunder passieren müsste, um ihr noch das Ticket für Zürich zu entreißen. Sie spricht dennoch im Konjunktiv von dem diesjährigen Leichtathletik-Großereignis, hat sich aber natürlich trotzdem schon damit beschäftigt. „Wenn ich hinkommen sollte, dann würde ich natürlich schon gern den Endkampf erreichen“, sagt Hussong.

Die beiden größten Konkurrentinnen im Kampf um den Titel hielt die DM-Herausforderin übrigens in Schach. Die Olympia-Sechste Katharina Molitor (TSV Bayer 04 Leverkusen) musste sich in Luzern mit 57,87 Metern begnügen. Ihre Klubkollegin Linda Stahl – mit 67,32 Metern Nummer eins der Welt – musste sich am Freitag in Monaco mit exakt sieben Metern weniger begnügen. Trotzdem geht das TSV-Duo schon aufgrund der größeren Erfahrung favorisiert ins DM-Finale.

Die Pfälzerin hat mit dem Wurf von Luzern nun auch endgültig das Gespenst vertrieben, welches sie seit 2011 verfolgte. Jene 59,74 Meter, mit denen sie U18-Weltmeisterin geworden war – und später von der IAAF als „Rising Star“ ausgezeichnet wurde. Es stürzte damals ziemlich viel auf die damals 17-Jährige ein. Es folgte ein recht verkorkstes Jahr 2012. Ein stärkeres 2013, aber ohne neue Bestleistung. „Es war ein lehrreiche Zeit für mich, besonders 2012“, sagt Hussong: „Ich habe gelernt, dass ich kämpfen muss für meine Ziele.“ Der beste Wurf der Karriere kommt eben nicht einfach so.

Quelle: Leichtathletik - Fachzeitschrift

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