Christina Obergföll: "Ohne Wahlkampf gewonnen"
Bei ihr weiß man gar nicht, wofzu man zuerst gratulieren soll. Christina Obergföll (LG Offenburg) hat in diesem Jahr ordentlich abgeräumt. Auf den WM-Titel im Speerwurf folgte die Hochzeit mit Bundestrainer Boris Henry, nun wurde sie von Deutschlands Top-Athleten zum „Champion des Jahres“ gewählt. Im Interview spricht die 32-Jährige über den Wert dieser Auszeichnung, das Leben nach dem WM-Gold und ihre sportpolitischen Pflichten.
Christina Obergföll, WM-Gold, Hochzeit und nun die Wahl zum "Champion des Jahres". Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?Christina Obergföll:
Sehr viel. Für mich hat sie einen besonderen Wert, weil dort die besten Athleten Deutschlands abstimmen. Das sind Leute, die so gut wie wohl wenig andere in Deutschland einschätzen können, was ich geleistet habe. Deshalb fand ich es alleine schon eine Ehre nominiert zu sein. Ich bin dann aber auch nicht auf jede Party auf der Reise gelaufen, um mit den Leuten zu quatschen und dadurch etwa Werbung für mich zu machen. Umso stolzer bin ich, dass ich quasi ohne Wahlkampf gewonnen habe und wirklich meine Leistung gewertet wurde.
Mit dem Titel haben Sie auch eine Traumreise gewonnen, wo soll es denn hingehen?
Christina Obergföll:
Mir schwebt Australien oder Neuseeland vor, da war ich nämlich noch nie. Aber so konkret haben wir das noch nicht geplant, da hatte ich einfach noch keine Zeit zu. Aber es drängt auch nicht, die Reise verfällt ja nicht.
Was hat sich durch Ihren WM-Titel geändert?
Christina Obergföll:
Zum einen war ich erleichtert, dass ich bewiesen habe, dass ich Titel gewinnen kann. Konkret hat sich aber vor allem die Aufmerksamkeit verändert. Es kommen seitdem unglaublich viele Anfragen von außen.
In Ihrer Heimat Mahlberg ist sogar eine Straße nach Ihnen benannt worden. Das klingt ja fast, als seien Sie schon so etwas wie eine lebende Legende?
Christina Obergföll:
Beängstigend, oder? Das finde ich auch. Aber auf der anderen Seite ist das ja eine schöne Sache. Wer kann schon sagen, dass eine Straße nach ihm benannt ist, und das zu Lebzeiten? Der Bürgermeister von Mahlberg ist da aber auch immer sehr kreativ und das ist jetzt die Straße, die zum Sportplatz führt, wo ich als kleines Mädchen mit dem Sport angefangen habe, die Verbindung ist also da. Ich finde die Idee schön
Schön war sicherlich auch Ihre Hochzeit, die nur kurz nach dem WM-Triumph statt gefunden hat. Konnten Sie die vielen Ereignisse der letzten Wochen überhaupt schon verarbeiten?
Christina Obergföll:
Die WM und die Hochzeit habe ich sehr schnell realisiert, muss ich sagen. In Moskau hatte ich das direkt nach Ende des Wettkampfs klar und auch die Hochzeit, die wunderschön und sehr emotional war, habe ich direkt verarbeitet. Aber den „Champion des Jahres“, den kann ich noch nicht fassen. Da ist es jetzt doch noch oft so, dass ich so denke „Wahnsinn, das hast du echt gewonnen?“. Das ist für mich nunmal wirklich nicht nur irgendein Titel, das ist echt etwas Großes. Ich war auch vor der Wahl so nervös wie vor einem Wettkampf. Die letzten Wochen waren aber auch einfach unglaublich turbulent und intensiv. Es ging alles Schlag auf Schlag, ich bin froh, wenn ich es bald mal in Ruhe sacken lassen kann.
Auch das Fernsehen reißt sich im Moment um Sie, am Samstagabend waren Sie etwa zu Gast im „Aktuellen Sportstudio“? Wie viel Spaß machen Ihnen diese Auftritte?
Christina Obergföll:
Das ist schon interessant, weil ich so auch ganz viele spannende Menschen kennen lerne, aus ganz anderen Bereichen. Aber klar, es ist auch stressig. Nach der Champions-Wahl sind Boris und ich noch um drei Uhr nachts abgereist, weil ich am Donnerstag einen Termin in Stuttgart hatte, Freitag war ich in Bremen, Samstag erst bei ein paar Terminen Zuhause und dann in Baden-Baden bei „Menschen der Woche“ im SWR bevor es von da dann direkt weiter ins „Aktuelle Sportstudio“ nach Mainz ging. Das macht alles Spaß, ist aber auch turbulent. Aber gerade das Sportstudio, das ist Pflicht, finde ich. Mein Vater hat früher immer gesagt, dass eine Einladung in diese Sendung so eine Art Ritterschlag für Sportler sei. Und das sehe ich ähnlich. Ich war 2005 nach meinem WM-Silber schon einmal da und als jetzt die Einladung kam, war für mich klar, dass ich dort hin fahre, egal wie stressig es ist.
Als Thomas Bach zum IOC-Präsidenten gewählt wurde, waren Sie auch zum Thema mit einer kurzen Stellungnahme in der Tagesschau zu sehen, in der Zeitung "Die Zeit" haben Sie härtere Strafen für Doper gefordert. Sehen Sie sich auch in einer sportpolitischen Rolle?
Christina Obergföll:
Ich sehe alle Sportler in dieser Pflicht, wir sollten uns alle einsetzen. Aber die erfolgreichen Athleten werden natürlich mehr gehört. Daher setzte ich mich gerne ein im Anti-Doping-Kampf. Wer betrügt, sollte auch hart bestraft werden. Nicht zwingend mit einer Gefängnisstrafe, aber mit einer Strafe, die abschreckt. Zwei Jahre sind viel zu lasch, das schreckt offenbar nicht genug ab. In der Zeit schieben sich manche doch erst recht etwas hinter die Kiemen und kommen dann superstark wieder zurück. Deshalb reicht eine Sperre von zwei Jahren nicht. Und das sage ich auch gerne laut.
Direkt nach der WM konnten Sie noch nicht genau sagen, wie es mit Sport und Familie weitergeht. Konnten Sie sich inzwischen, trotz dieser doch turbulenten Zeit darüber überhaupt Gedanken machen?
Christina Obergföll:
Dafür brauche ich noch Zeit. Es war zu viel los in den letzten Wochen. Wir machen jetzt eins nach dem anderen. Das heißt konkret, dass ich jetzt bald ins Wintertraining einsteige. Nur etwas verspätet, weil wir nun doch gerne noch einmal sieben Tage wirklich Urlaub machen wollen, auch um alles etwas sacken zu lassen. Aber dann trainiere ich wieder ganz normal. Und dann schauen wir mal, was die Zeit bringt.
Babora Spotakova hat nur vier Monate nach der Geburt ihres Sohnes schon wieder 62 Meter weit geworfen. Bestärkt Sie das in Ihren Familien- und Comeback-Plänen?
Christina Obergföll:
Ich fand es cool, das zu lesen, auf jeden Fall. Wir haben ja auch Kontakt und wollten jetzt mal wieder länger sprechen. Da werde ich sie fragen, wie sie das konkret gemacht hat. Denn früher oder später kann das ja auch mein Thema werden. Und da ist es schön zu sehen, dass Familie und Karriere offenbar auch sehr gut und schnell nebeneinander funktionieren können.