Christina Obergföll: „Spaß haben und genießen“
Zehn Tage USA liegen hinter Christina Obergföll. Im Gepäck mit nach Deutschland gebracht hat die Offenburgerin zwei Speerwurf-Siege in der Diamond League: Auf 65,33 Meter in New York ließ sie am Freitag in Eugene 67,70 Meter folgen. Im Interview berichtet sie von ihrem Solo-Trip in die USA, neuer Gelassenheit und den nächsten Schritten in Richtung Moskau.

Christina Obergföll: Nein, nein (lacht). Ich habe ja schon vor zwei Jahren beide Diamond League-Meetings in den USA gewonnen. Darauf hat mich die Stadionsprecherin nach dem Wettbewerb in Eugene angesprochen und mich gefragt, ob ich nicht über die amerikanische Staatsbürgerschaft nachdenken will. Aber die letzten Jahre, die ich jetzt noch vor mir habe, starte ich schon noch für Deutschland.
Aber es gefällt Ihnen scheinbar ganz gut in den USA…
Christina Obergföll:
Ja, eine Reise dorthin ist immer ein Erlebnis! Es gefällt mir, auch mal andere Wettkämpfe zu machen, oder auch mal ganz ohne Trainer anzutreten. Ich war ganz alleine unterwegs – die große Christina ganz alleine in den USA (lacht). Über die Jahre habe ich genug Erfahrungen gesammelt und habe Vertrauen in das, was ich kann. Ich lasse mich nicht mehr so schnell aus der Ruhe bringen. Ich weiß was ich drauf habe, und weiß was zu tun ist.
War denn in den zehn Tagen auch ein wenig Zeit für Sightseeing und Shopping?
Christina Obergföll:
Schon ein bisschen. In New York hatte ich zweieinhalb Tage Zeit und bin dort in der City rumgetingelt: Brooklyn Bridge, Times Square, Fifth Avenue – die Klassiker halt. Und dann war ich noch shoppen im Outlet. Man weiß ja nie, wann man wieder dorthin kommt. Und ich finde es einfach toll, wenn man zu einem Meeting eingeladen wird und auch mal etwas anderes sieht als nur das Stadion und das Hotel.
Und wie haben Sie sich zwischen den Wettkämpfen sportlich fit gehalten?
Christina Obergföll:
Samstag war ja der Wettbewerb in New York. Am Sonntag und Montag habe ich den Fitnessraum im Hotel für mein Krafttraining und ein paar Sprünge genutzt. Dienstag ging’s dann schon nach Eugene, und aufgrund der Zeitverschiebung konnte ich dort gleich weiter ins Stadion, das fürs Training geöffnet war.
Ihren Leistungen nach zu urteilen können Sie jetzt vermutlich sagen: Das lief alles genau nach Plan…
Christina Obergföll:
Ja! In New York hatten wir wirklich sehr schlechte Bedingungen, da war ich im Nachhinein einfach nur froh, dass ich gesund durch den Wettkampf gekommen bin und gewonnen habe. Damit war das auch schon abgehakt. In Eugene war es angenehmer und sehr erfolgreich. Es waren international bis auf Linda Stahl alle da, ich habe alle geschlagen, fast 68 Meter geworfen und im Diamond Race acht Punkte mit nach Hause gebracht. Was will man mehr?
Schon zum Saison-Auftakt in Rehlingen haben Sie sich bei strömendem Regen mit WM-Norm durchgesetzt. Sie wirken, als hätten Sie nach dem Olympia-Silber eine neue Gelassenheit gefunden. Sie werfen einfach, egal was um Sie herum passiert, und es klappt…
Christina Obergföll:
Ich bin entspannt, auf jeden Fall! Ich sage mir: Was jetzt noch kommt, ist alles Zugabe. Ich bin supergut durch den Winter gekommen, habe keine Verletzungen gehabt. Boris [Anm. d. Redaktion: Freund Boris Henry, Speerwurf-Bundestrainer der Männer] ist ja jetzt auch hier bei mir in Offenburg und wir trainieren viel zusammen. Am Tag vor der USA-Reise habe ich meine Masterarbeit eingereicht, das ist dann noch einmal Ballast, der von einem abfällt. Jetzt will ich einfach Spaß haben, die Saison genießen – und mal schauen, was da noch kommt.
Drei Starts, drei Siege, zuletzt in Eugene deutlich vor dem Rest der Konkurrenz: Wer wird Ihnen gefährlich werden können im weiteren Saisonverlauf?
Christina Obergföll:
Die Diamond League möchte ich nicht mit der WM gleichsetzen. Ich bin mir sicher, dass meine russische Kollegin [Anm. d. Redaktion: Weltmeisterin Mariya Abakumova] in Moskau wieder gut im Futter stehen und auf jeden Fall was zeigen wird. Darauf bin ich eingestellt. Außerdem rechne ich mit der Südafrikanerin Sunette Viljoen und der Europameisterin Vira Rebryk. Und natürlich habe ich auch Linda Stahl auf der Rechnung, sie ist ja jetzt auch schon sehr gut in die Saison eingestiegen.
Wie sehen denn für Sie die nächsten Schritte aus?
Christina Obergföll:
Am Sonntag bin ich nach Hause gekommen und am Mittwoch geht’s schon wieder weiter, denn am Donnerstag steht das Diamond League-Meeting in Rom auf dem Programm.
Gibt es etwas, was Sie dort noch besser machen wollen als zuletzt?
Christina Obergföll:
Also, wenn’s nach mir ginge, könnte es jetzt so weiter gehen! (lacht) Ich habe mich von Wettkampf zu Wettkampf gesteigert. Aber natürlich ich bin nicht so vermessen zu denken, dass das so bleibt. Mir ist wichtig, dass ich in den kommenden Wochen auf hohem Niveau weiterwerfe und, wenn es die Bedingungen zulassen, stabil Weiten über 65 Meter abrufe. Ich möchte weiter Punkte für die Diamond League sammeln, eine gute Team-EM werfen und Deutsche Meisterin werden… So hangele ich mich von Wettkampf zu Wettkampf, bis irgendwann die WM vor der Tür steht.
Stichwort Deutsche Meisterschaften: Wie wichtig ist es Ihnen, auch national Ihre Spitzenposition zu verteidigen?
Christina Obergföll:
Der Speerwurf ist in Deutschland eine der wenigen Disziplinen, in denen die Konkurrenz internationales Top-Niveau hat. Auch Linda Stahl und Katharina Molitor kämpfen um den Sieg, er hat für uns alle einen Stellenwert. Linda war noch nie Deutsche Meisterin, sie wird sicher mit dem Titel liebäugeln. Und ich habe nicht vor, ihn abzugeben. So viele nationale Titel habe ich selbst ja auch noch nicht. Ich will im „Ländle“ – die Meisterschaften sind ja im Ulm – den Titel nach Hause holen.
Werfen wir den Blick voraus auf die WM in Moskau. Mit welchem Gefühl denken Sie an den Saisonhöhepunkt?
Christina Obergföll:
Ach, das ist ehrlich gesagt noch ein bisschen zu weit weg. Jetzt geht es nur von Wettkampf zu Wettkampf und darum, gesund zu bleiben. Aber natürlich freue ich mich auf die WM und bin gespannt auf die Stadt Moskau, die toll sein soll. Viel mehr kann ich dazu noch nicht sagen. Was soll ich mich da jetzt schon verrückt machen? Die Energie spare ich mir.