Christina Schwanitz: "Keinen einzigen Sponsor"
19,27 in Gammertingen und 19,79 Meter in Sassnitz - Christina Schwanitz (LV 90 Erzgebirge) ist mit Top-Leistungen in die Saison gestartet. Im Interview spricht die Vize-Weltmeisterin im Kugelstoßen über ihre Ziele bei der Hallen-WM in Sopot (Polen; 7. bis 9. März), warum sie ihren größten Fan geheiratet hat und warum sie trotz ihrer Erfolge keine Sponsoren hat.
Christina Schwanitz, Ihre 19,27 Meter von Gammertingen sind zum Einstieg in die Hallensaison ganz in Ordnung, oder?Christina Schwanitz:
Ja klar, mein Trainer hat es im Griff, dass mein Leistungsvermögen stimmt, wenn ich zum Wettkampf antrete. Umsetzen muss ich es dann natürlich selbst. Das ist beim ersten Wettkampf nie ganz einfach. Ich hab‘ ja ein halbes Jahr nicht mehr unter Konkurrenzdruck gestoßen und die vielen Routinen, die zum Wettkampf gehören, müssen sich auch erst wieder einspielen. Das ist so, als würde man einen ganzen Sommer über Schuhe mit Klettverschlüssen tragen und sich danach wieder ans Schnürsenkel binden gewöhnen müssen.
Wie groß sind die Reserven, die Sie noch haben, um sich bis zum Winter-Höhepunkt bei den Hallen-Weltmeisterschaften in Sopot zu steigern?
Christina Schwanitz:
Es fällt mir schwer, das in Metern und Zentimetern auszudrücken. Ich orientiere mich lieber an Platzierungen und will meinen Platz unter den besten drei der Welt behaupten.
Im vergangenen Jahr waren Sie bei den Weltmeisterschaften in Moskau und in der Jahresweltbestenliste die Nummer zwei, die zehn besten Leistungen ihrer Karriere stammen allesamt aus 2013. Wie erklären Sie diese Entwicklung im vergangenen Jahr?
Christina Schwanitz:
Ich war ja zuvor auch nicht schlecht …
… aber lange nicht so gut wie in den vergangenen zwölf Monaten.
Christina Schwanitz:
Es haben viele positive Faktoren zusammengespielt. Durch das Training bei Sven Lang bin ich athletischer und schneller geworden. Die Zusammenarbeit mit der Psychologin Grit Reimann hat dazu geführt, dass ich mit einer anderen, besseren Einstellung bei großen Titelkämpfen antrete.
Das müssen Sie genauer erklären.
Christina Schwanitz:
Früher habe ich mich selbst unter Druck gesetzt, wollte es allen recht machen. Schön und weit stoßen. Beides zusammen funktioniert aber nicht, es geht um die Weite. Und darum, sich darauf zu freuen, in einem großen Wettkampf der ganzen Welt zu zeigen, wofür man trainiert hat. Früher ist mir das zu selten gelungen, da waren die wichtigen Wettkämpfe Stress. Jetzt sage ich mir: Das ist doch kein Stress, das ist etwas Schönes, zeigen zu dürfen, was man drauf hat.
Sie haben vergangenen September Ihren Freund geheiratet. Warum gab es in der Öffentlichkeit keine Bilder davon?
Christina Schwanitz:
Weil ich das kleine bisschen Privatleben, das ich als Profisportlerin habe, auch privat halten will. Es war eine wunderbare Feier mit 65 Gästen auf einem Schlösschen in Sachsen. Das muss genügen.
Stimmt es, dass Sie Ihren größten Fan geheiratet haben?
Christina Schwanitz:
Mein Mann hat mich jedenfalls im Fernsehen zum ersten Mal gesehen. Bei Olympia 2008 in Peking. Und dann hat er mir eine E-Mail geschrieben. Da dachte ich noch: Was ist das denn für ein Verrückter? Ich habe ihm eine Standard-Antwort geschickt. Aber darauf hat er noch mal geschrieben und ich habe geantwortet. Irgendwann gingen immer mehr Mails hin und her, bis wir uns schließlich getroffen haben. Und im vergangenen Jahr ist er aus Düsseldorf zu mir nach Chemnitz gezogen, was ein weiterer Grund für meine positive Leistungsentwicklung war.
Wie hat sich Ihre WM-Silbermedaille von Moskau finanziell ausgewirkt?
Christina Schwanitz:
Also wenn ich mit dem Sport reich werden wollte, müsste ich ein Mann sein und Fußball spielen. Ich habe keinen einzigen Sponsor und bin der Bundeswehr, der Sporthilfe und dem LV 90 Erzgebirge dankbar, dass ich meinen Sport überhaupt machen kann. Nach der WM habe ich bei einigen Unternehmen angeklopft, aber bekam entweder zu hören, dass kein Geld da sei oder dass es zum Fußball geht. Als Weltklasse-Kugelstoßerin bräuchte ich mehr als ein Sportlerleben, um so viel zu verdienen wie die Fußballer in der dritten Liga. Wir Kugelstoßerinnen haben es bei Sponsoren anscheinend besonders schwer, weil viele Menschen unseren Sport immer noch mit Frauen verbinden, die eine tiefe Stimme haben, aussehen wie muskelbepackte Schränke und denen auch schon mal ein Bart wächst. Aber gegen dieses Bild kämpfen wir aktuellen Kugelstoßerinnen erfolgreich an, finde ich.
Quelle: leichtathletik - Ihre Fachzeitschrift