Christine Arron plant für die WM 2003
Sportlich war es ein verlorenes Jahr. Doch privat erlebte sie das höchste Glück auf Erden. Christine Arron, liiert mit dem Hürdensprinter Dan Philibert, hat im Sommer einen Sohn bekommen. "Ein Kind zu bekommen, ist die schönste Sache, die einem im Leben passieren kann", erklärte Bernard Amsalem, Vizepräsident des Französischen Leichtathletik-Verbands (FFA), " und auch wenn Christine ihre beiden Titel im Sommer nicht verteidigen konnte, so darf sie sich mit dem besten Titel schmücken, den es gibt: Mutter zu sein."
Die junge Mutter Christine Arron will wieder zurück auf die Sprintbühne
Die 29-jährige Vollblutsprinterin, die noch immer den Europarekord über 100 m (10,73 sec) hält, brennt wieder vor Ehrgeiz. "Die WM in Paris ist mein Ziel", sagte sie beim ersten Treffen des WM-Kaders in Lisses, wo sie in Begleitung von Ethan, ihrem kleinen Wonneproppen, ein freudiges Wiedersehen mit den Kolleginnen und Kollegen aus der Nationalmannschaft feierte.Die Dame hat schnelle Beine und ein flottes Mundwerk. Doch in der vergangenen Saison hat sie sich wegen der Geburt von Ethan rar gemacht. Ihr Sohnemann erblickte am 28. Juni das Licht der Welt. Darum fehlte die junge Mutter auch bei den Europameisterschaften in München, wo sie kampflos ihren Titel über 100 Meter an die Griechin Ekaterini Thanou abgegeben hat.
Wieder Beschwerden mit dem Knie
Mittlerweile arbeitet die Französin an ihrem Comeback unter der Leitung von Guy Ontanon, der auch Muriel Hurtis, die amtierende Europameisterin über 200 Meter in der Halle und im Freien, trainiert. Christine Arron, die bei der Wahl zum Leichtathleten des Jahres 2002 nur auf Position 28 gelandet war, klagt allerdings über leichte Kniebeschwerden, genau die gleiche Blessur, die ihr bereits im Sommer 2001 zugesetzt hat. Sie ist halt sehr verletzungsanfällig.
Christine Arron feierte ihre größten Erfolge bei der EM 1998, als sie im Budapester Nepstadion mit zwei Goldmedaillen dekoriert wurde. Nur 10,73 Sekunden war sie im 100-Meter-Finale bei einem Schiebewind von gerade noch erlaubten 2,0 Meter/Sekunde unterwegs und schnappte der zweitplatzierten Russin Irina Privalova ihren vier Jahre alten Europarekord (10,77 sec) vor der Nase weg. Schneller waren bis dato lediglich die Olympiasiegerin von Seoul 1988, Florence Griffith-Joyner (10,49 sec), die inzwischen verstorben ist, und Marion Jones (10,71 sec).
In Budapest so stark wie nie
Drei Tage später im Staffelrennen über 4 x 100 Meter übernahm sie den Stab an dritter Position und führte ihr Quartett mit einem Atem beraubenden Finish noch zum Sieg. "Super", freute sich Christine Arron und strahlte damals mit ihren Kolleginnen um die Wette, "ich bin so stark wie nie zuvor." Silber ging in Budapest übrigens an die DLV-Auswahl mit Melanie Paschke, den Rockmeier-Schwestern, Gabi und Birgit, sowie Andrea Philipp.
Christine Arron ist in Abymes auf der Karibikinsel Guadeloupe geboren. Ihr Vater war Weitspringer, ihr Opa und ihr Bruder versuchten ihr Glück im Sprint. Aber die Erfolgreichste einer sportbegeisterten Familie ist die krausköpfige Christine, die immer wieder mit neuen Haarfarben auch optische Akzente auf der Tartanbahn setzt.
In Seoul entdeckt
Die Verbandsoberen aus Frankreich hatten sie 1992 bei der Junioren-WM in Seoul entdeckt. Dort war Christine Arron im Halbfinale ausgeschieden. Anschließend flog sie nach Europa, doch in den Pyrenäen, wo sie in einer Sportschule tagtäglich trainieren musste, ging ihr die Spaß am Sport verloren. Sie brauchte Luftveränderung. Und fand sie bei Jacques Piasenta, dem Erfolgscoach, der sich kurz zuvor von Marie-José Pérec getrennt hatte. Mit ihm führte der Weg steil bergauf bis hin zum EM-Double in Budapest. 1999 bei der WM in der Hitze von Sevilla war ihr eigentlich die Rolle als Herausforderin von Marion Jones zugedacht.
Daraus wurde allerdings nichts. Christine Arron rannte im Endlauf hinterher, musste sich mit dem sechsten Platz trotz 10,97 Sekunden begnügen und erhob schwere Doping-Vorwürfe gegen ihre Konkurrentinnen: "Im Sport geht es nur noch um Geschäft, und die Offiziellen tun nicht das, was sie tun sollten, um für einen sauberen Sport zu sorgen. Wenn sie es tun würden, wäre der Sport sauber." Um das Problem in den Griff zu kriegen, seien Blutkontrollen notwendig. "Wir brauchen das große Aufräumen: Bluttests überall und zu jeder Zeit! Wenn das nicht kommt, kann man das ganze System vergessen."
Starken Worten folgte wenig
Seither trat die streitlustige Französin kaum mehr in Erscheinung. In Sydney, Schauplatz der Olympischen Spiele, schied sie im Halbfinale als Vorletzte aus, blieb mit der Staffel als Vierte ebenfalls ohne Medaille und fehlte auch bei der WM in Edmonton.
Aber nun plant sie ihr Comeback. Christine Arron hat im Herbst Kontakt mit Erfolgstrainer Guy Ontanon aufgenommen. Nach einem kurzen, wenig berauschenden Gastspiel beim US-Coach John Smith, der in Los Angeles unter anderem auch Maurice Greene betreut, arbeitet sie nunmehr mit Ontanon zusammen. Zu seiner Trainingsgruppe, die ihre Zelte in Nogent-sur-Oise, nahe bei Paris, aufgeschlagen hat, zählen neben Muriel Hurtis auch Sylviane Félix, die mit dem französischen Staffelquartett über 4 x 100 Meter Gold in München gewonnen hat.
Jetzt in flotter Trainingsgruppe
An schnellen Trainingspartnerinnen wird es ihr nicht fehlen. Christine Arron ist denn auch voller Zuversicht, dass sie in neuer Umgebung zu alter Stärke zurückfinden wird. Sie steckt wieder voller Ehrgeiz. Und voller Pläne. Sie denkt bereits an die WM 2003 im gigantischen Stade de France in Paris.