Christophe Lemaitre ausgeschlafen nach London
Großes hat Christophe Lemaitre schon geschafft und Großes hat der Franzose noch vor. Als erster weißer Sprinter blieb er über 100 Meter unter 10 Sekunden. Bei den Olympischen Spielen in London (Großbritannien; 3. bis 12. August) will der 22-Jährige eine Medaille. Eine Entscheidungshilfe, über welche Strecke er überhaupt antritt, gibt es womöglich am Samstag (14. Juli) beim Diamond League-Meeting in der Olympia-Stadt.
Siebenmal ist Christophe Lemaitre in seiner Karriere schon unter regulären Bedingungen unter 10 Sekunden geblieben, in diesem Jahr gelang das bisher nur mit zuviel Rückenwind bei den nationalen Meisterschafen Mitte Juni (9,94 sec; 2,6 m/sec Rückenwind). Bisher steht die Saisonbestleistung offiziell bei 10,04 Sekunden, wohl zu wenig, um bei Olympia die angestrebte Medaille zu gewinnen.Gebetsmühlenartig wiederholt der französische Sprintstar aber bei jeden Pressetermin: "Ich fühle, dass ich schneller laufen kann. Meine Form ist mindestens genauso gut, wie im letzten Jahr." Wie groß der Druck ist, der auf den Schultern des gerade einmal 22-Jährigen lastet, wurde bei der EM in Helsinki deutlich.
Vor Erleichterung fiel Christophe Lemaitre nach seiner erfolgreichen Titelverteidigung über 100 Meter (10,09 sec) auf dem finnischen Rasen auf die Knie. Erleichterung vor allem deshalb, weil es ihm gelungen war, nach schwachem Start auf den letzten Metern noch seinen starken und noch jüngeren Landsmann Jimmy Vicaut (10,12 sec) abzufangen. Ein wenig Show war aber wohl auch dabei.
Heldestrecke 100 Meter
Zu gerne würde Christophe Lemaitre bei Olympia über 100 Meter an den Start gehen. "Das ist meine Lieblingsstrecke. Es ist das Event, wo Helden zu Hause sind."
Ein Blick in die Geschichtsbücher verrät aber: Über 200 Meter waren die Europäer eher vorne dabei. Der letzte weiße Sprinter ganz oben bei Olympia war der umstrittene Konstantinos Kenteris (Griechenland) in Sydney - über 200 Meter. Die letzten französischen Sprinter in einem Olympia-Finale waren 1988 Gilles Quénéhervé (6.; 20,40 sec) und Bruno Marie-Rose (8.; 20,58 sec) - über 200 Meter.
Auch der heutige französische Vorzeigesprinter hat im vergangenen Jahr bei der WM über 200 Meter mit Bronze eine Medaille gewonnen wofür mit 19,80 Sekunden ein Landesrekord nötig war, über 100 Meter gab es nur Blech (4.; 10,19 sec).
Bei Olympia im Einzel nur 200 Meter?
So könnte die Strecken-Auswahl trotz der großen Liebe gegen die 100 Meter ausfallen - um ausgeruht über 200 Meter auf Medaillenjagd zu gehen. Festlegen will sich der viermalige Europameister noch nicht - und tut etwas geheimnisvoll. "Ich könnte diese Entscheidung in letzter Minute treffen, aber ich glaube, das werde ich nicht tun." Auch einen Doppelstart will er noch nicht ausschließen.
Mit bisher nur drei Rennen hat sich Christophe Lemaitre auf den 200 Metern in diesem Sommer rah gemacht. Auch bei der EM verzichtete er. Beim Diamond League-Meeting in London am Samstag steht die Generalprobe für Olympia an. Antreten wird auch Churandy Martina (Niederlande), der sich in Helsinki den Titel über 200 Meter sicherte.
"Wenn die Bedingungen stimmen, ist eine Zeit unter 20 Sekunden drin", blickt Christophe Lemaitre voraus. Gelingt diese Ansage und gewinnt der Franzose das Rennen, könnte das die Entscheidung für die 200 Meter bei Olympia nach sich ziehen.
In Aix-les-Bains werden Träume geboren
Nach dem Rennen geht die Olympia-Vorbereitung endgültig in die heiße Phase. Dass er einmal so für eine Sprintmedaille brennen würde, hätte der ehemalige U20-Weltmeister lange nicht für möglich gehalten. "Früher habe ich mich nur für Fußball interessiert. Die ersten Spiele, die ich mir von vorne bis hinten angesehen habe, waren die in Peking."
Um bei Olympia topfit zu sein, kommt es nicht nur auf das richtige Training an - sondern auch auf die Regeneration. "Ich brauche viel Schlaf, ungefähr zehn Stunden pro Nacht." So macht Christophe Lemaitre gerne mal ein Nickerchen zwischendurch - zum Beispiel auch auf dem Rasen neben seiner Trainings-Bahn in Aix-les-Bains. Dort ackert er also nicht nur für eine Olympia-Medaille - er träumt auch davon.