| Interview der Woche

Cindy Roleder: „Hausaufgaben machen und Titel in Berlin verteidigen“

Wegen eines entzündeten Ischiasnervs musste Hürdensprinterin Cindy Roleder (SV Halle) die abgelaufene WM-Saison vorzeitig beenden. Inzwischen beginnt die amtierende Europameisterin im Freien sowie in der Halle mit dem Aufbautraining für 2018. Im Interview mit leichtathletik.de erzählt die 28-Jährige, wie sie ihre Beschwerden losgeworden ist, welche Konsequenzen aus der Verletzung resultieren und dass der Mission Titelverteidigung bei der Heim-EM in Berlin alles untergeordnet wird.
Jan-Henner Reitze

Cindy Roleder, wie viele DLV-Athleten haben Sie Ende September Urlaub gemacht. Konnten Sie sich gut erholen?

Cindy Roleder:

Ja, ich war zwei Wochen in Abu Dhabi. Dort war es sehr schön. Ich konnte entspannen und abschalten. Im Vergleich zu anderen Jahren, in denen ich eine volle Saison absolviert hatte, habe ich diesmal aber nicht nur die Beine hochgelegt, sondern auch etwas trainiert. Es war warm und gab einen schönen Kraftraum. Abstand zum Sport hatte ich durch meine verletzungsbedingte Pause in den Wochen zuvor schon genug.

Kurz vor den Deutschen Meisterschaften mussten Sie erklären, dass Sie ihre Saison wegen eines entzündeten Ischiasnervs abbrechen. Vorher sind Sie von größeren Verletzungen verschont geblieben. Wie ging es Ihnen in dieser unerfreulichen Situation?

Cindy Roleder:

Klar, ich bin Sportlerin und habe lange versucht, doch noch Rennen möglich zu machen. Ich war bei vielen Ärzten, Physiotherapeuten und Osteopathen. Aber der Nerv hat einfach das Bein ausgeschaltet. Er ließ keine maximalen Sprints zu. Dann kam ein Punkt, an dem klar war, dass der Körper eine Auszeit braucht. Es ist Sport und eine Verletzung gehört zu einer Karriere dazu. Ich bin keine Maschine. Nachdem die Entscheidung über den Saisonabbruch gefallen war, war es absolut okay für mich.

Was war die Ursache für die Entzündung?

Cindy Roleder:

Die Verletzung ist aus vielen Kleinigkeiten entstanden. Ich hatte leichte Disbalancen zwischen links und rechts, zwischen der Innen- und Außenseite. Das kommt ein bisschen durchs Hürdenlaufen. Auch in der Beweglichkeit gab es Mängel. Der Rücken war nicht stabil und ich hatte vermutlich über längere Zeit eine Blockade. Am Tag vor dem Wettkampf im Mai in Neuwied bin ich mit einem komischen Gefühl im Rücken aufgewacht, der geklemmt hat. Dass es im Leistungssport mal wehtut, kommt vor. Dieses Gefühl kannte ich allerdings nicht und ich bin in Neuwied draufgerannt. Danach waren die Probleme voll da. Sollte ich in Zukunft wieder soetwas spüren, weiß ich, dass ein Wettkampf kontraproduktiv ist.

Wie haben Sie die Probleme in den Griff bekommen?

Cindy Roleder:

Der Nerv hat einfach Ruhe gebraucht. Das war die Lösung. Nach etwa sechs Wochen wurde noch einmal bei einem MRT nachgeschaut. Ich wollte mit eigenen Augen sehen, dass die Entzündung abgeklungen ist. Um langfristig etwas gegen die Ursachen zu tun, habe ich Rheatraining gemacht. Außerdem stand und steht verstärkt Rückenmobilisation auf dem Programm, genauso Stabilisationsübungen. Um die Beweglichkeit zu verbessern, habe ich wieder Yoga in mein Training eingebaut. Das mache ich bis Dezember zweimal die Woche und es ist abends auch ein schöner Ausklang für einen Trainingstag.

Wie haben Sie Ihre Zwangspause vom Sport verbracht?

Cindy Roleder:

Ich habe mein Praktikum bei der Bundespolizei absolviert. Ich war im Ermittlungsdienst in Leipzig und habe mich dort mit Jugendlichen und Kindern beschäftigt. Das hat viel Spaß gemacht und war eine schöne Ablenkung, die gut getan hat. Ich war mit ganz anderen Leuten unterwegs als sonst. Außerdem merkt man in einer solchen Zeit, welche Menschen wirklich hinter einem stehen. Ich möchte mich besonders bei meinem Trainer Wolfgang Kühne bedanken, dem DLV-Verbandsarzt Volker Steger, dem Bundestrainer Hürdensprint Männer Jan May, dem Rehazentrum Asevida, dem Heilpraktiker Ralph Zemelka und dem leitenden DLV-Direktor Sport Idriss Gonschinska, der sogar während der WM bei mir nachgefragt hat, wie es mir geht.

Haben Sie dennoch die Leichtathletik-Saison weiter verfolgt?

Cindy Roleder:

Nicht so intensiv wie in anderen Jahren. Ich wollte einen Schlussstrich unter die Saison ziehen. Die WM habe ich aber trotzdem verfolgt. Ich habe natürlich mitbekommen, dass Johannes Vetter Weltmeister geworden ist. Dass mein Trainingspartner Rico Freimuth Silber im Zehnkampf geholt hat, weiß ich selbstverständlich. Auch das Hürdenfinale konnte ich mir anschauen. Zum Ausgang kann ich allerdings nichts sagen, schließlich war ich vor Ort nicht dabei.

Schauen wir in die Zukunft. Wann werden wir Sie wieder im Rennen erleben?

Cindy Roleder:

Ich habe das Aufbautraining gerade begonnen und bin beschwerdefrei. Aber ich und mein Trainer lassen es ruhig angehen. Ich möchte auf meinen Körper hören. Der Nerv wird sich erst wieder an die Belastung des Sprintens gewöhnen müssen und kann noch nachreagieren. Im November stehen drei Wochen Trainingslager auf Mauritius an, ein neues Ziel für mich. Die Wärme dort tut mir einfach gut. Im Dezember wird es sich dann voraussichtlich entscheiden, ob es eine Hallensaison gibt. Aber durch die Verletzung bin ich auch entspannter geworden. Im Mittepunkt steht der Sommer. In Berlin haben ich einen Titel zu verteidigen. Dort möchte ich fit sein. Ob es auf dem Weg dorthin eine Hallensaison gibt, ist zweitrangig.

Wie sieht es mit dem Thema Siebenkampf aus?

Cindy Roleder:

Ìch bleibe in meiner Gruppe und beim Mehrkampftraining. Aber wir schauen, wie es läuft. Das A und O ist, dass nichts wehtut. Die Verletzung hat mir noch einmal gezeigt, wie wichtig Regeneration ist. Statt einmal die Woche, werde ich mehrmals die Woche zum Physio gehen. Ich will Schwächen ausgleichen, die ich etwas vernachlässigt habe. Es geht um Kleinigkeiten, wie Fußheber ins Training einzubauen. Auch meine Nahrungsergänzung habe ich etwas angepasst. Das ist wie Hausaufgaben machen. Ansonsten werde ich im Training nichts ändern und immer Hundertprozent geben.

Und bei der EM wollen Sie dann Ihren dritten kontinentalen Titel?

Cindy Roleder:

Es gilt natürlich wie immer, erst einmal ins Finale zu kommen. Aber klar: Wenn ich fit bin, möchte ich eine Medaille und meinen Titel verteidigen. Mein Körper hat eine Pause gebraucht, aber jetzt habe ich wieder richtig Bock.

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024