Cindy Roleder versucht sich im Siebenkampf
Ihre Stärke über 100 Meter Hürden ist bekannt. Jetzt will Cindy Roleder auch ihre Vielseitigkeit unter Beweis stellen. Die Leipzigerin ist zur Mehrkampf-Gruppe von Wolfgang Kühne in Halle gewechselt und wird künftig auch im Siebenkampf an den Start gehen. Eine Entscheidung, die ihr schon jetzt den Spaß am Training zurück gebracht hat.
Zwei deutsche Meistertitel bei den Erwachsenen und viele weitere im Nachwuchsbereich, Starts bei Europameisterschaften, Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen: Über 100 Meter Hürden zählt Cindy Roleder seit Jahren zur deutschen Spitze. Ihre Bestzeit: 12,91 Sekunden. Ihr größter Erfolg: Bronze bei der U23-EM 2011. Doch in letzter Zeit stellte sich im Training die Langeweile ein.„Das spezifische Hürdentraining war mir zu eintönig“, sagt die 24-Jährige, die in Leipzig Mitglied der Hürden- und Sprint-Trainingsgruppe von Jan May und Ronald Stein angehörte. „Ich brauche einfach Tage, an denen ich völlig K.O. bin, und auch Einheiten, in denen ich sehe, dass ich mich weiterentwickle.“
Entscheidung nach Polizei-DM
Mit dem Mehrkampf habe sie sich in Gedanken schon eine Weile beschäftigt, gesteht sie. Die Siebenkampf-Wettbewerbe der Weltmeisterschaften in Moskau (Russland) hat sie besonders intensiv im Fernsehen verfolgt.
Bei den Deutschen Polizeimeisterschaften in Lübeck stellte Cindy Roleder im September schließlich selbst ihr Mehrkampf-Talent unter Beweis. Da siegte die Polizeimeister-Anwärterin am ersten Tag erst über 100 Meter (11,72 sec), dann im Weitsprung (6,17 m) und zum Tagesende auch mit der 4x100 Meter Staffel der Bundespolizei. Am zweiten Tag holte sie sich die Siege auf ihrer Paradestrecke (13,79 sec) sowie mit der Schwedenstaffel.
„Da kamen dann Leute auf mich zu und haben mich gefragt, warum ich es nicht mal im Siebenkampf versuche“, berichtet sie. Und auch für sie selbst begann das Umdenken: „Warum eigentlich nicht?“
Wurzeln im Mehrkampf
Schließlich ist die Vorstellung so abwegig nicht. Ihren ersten deutschen Meistertitel holte Cindy Roleder im Blockwettkampf Lauf. 2004 war das. Schon damals überzeugte sie im Sprint und Sprung, aber auch den Ball schleuderte sie auf beachtliche 50 Meter.
Zwei Jahre später absolvierte sie in Wesel ihren bis dato letzten Siebenkampf, damals im Trikot des LAC Erdgas Chemnitz. In der Altersklasse U18 holte sie DM-Silber mit 5.052 Punkten. Acht Plätze und 200 Punkte dahinter: Anna Maiwald, die heute als Mitglied der starken Leverkusener Siebenkampf-Gruppe mit einer Bestleistung von 5.863 Punkten zur erweiterten deutschen Spitze zählt.
„Den Mehrkampf habe ich damals nebenbei gemacht“, erinnert sich Cindy Roleder. Das Sprint- und Hürdentraining habe bei ihr schon früh im Mittelpunkt gestanden. „In Sachsen gab es damals keine richtige Mehrkampf-Gruppe“, erklärt sie. Die Entscheidung, auf welche Disziplin sie sich spezialisiert, habe sie den Trainern überlassen.
Gespräch mit Wolfgang Kühne
Den Kurswechsel hat sie jetzt selbst in die Hand genommen. Cindy Roleder ist auf Wolfgang Kühne zugegangen, der in Halle Vize-Weltmeister Michael Schrader und den Olympia-Sechsten Rico Freimuth trainiert und außerdem als Bundestrainer für den Siebenkampf der Frauen zuständig ist.
Gemeinsam haben sie über die Wechselpläne gesprochen, haben Bestleistungen verglichen, Punkte gezählt und Ergebnisse errechnet. Wolfang Kühne hat sich Cindy Roleder beim Hochsprung und Kugelstoßen angesehen, um mehr über ihr Potenzial im Mehrkampf herauszufinden. „Er wollte gucken, wie ich drauf bin“, sagt sie. Und: „Wir wollten herausfinden, ob es Sinn macht.“
Unterstützung von allen Seiten
Die Entscheidung ist gefallen: Gemeinsam werden Cindy Roleder und Wolfgang Kühne das Experiment wagen. Und die Leipzigerin kann dabei nicht nur auf die Unterstützung ihres neuen Trainers vertrauen, sondern auch auf die Rückendeckung ihres Umfeldes. „Ich kann niemanden nennen, der mir gesagt hat, dass das nicht klappen kann“, sagt Cindy Roleder.
Das LAZ Leipzig, die Bundespolizei, selbst ihre alten Trainer Jan May und Ronald Stein stehen hinter ihr. „Das ist wichtig“, sagt sie, denn ihr Status als Mitglied der Sportfördergruppe der Bundespolizei ist schließlich an ihre Leistungen im Hürdensprint gekoppelt, und für die Finanzierung der Trainingslager ist sie auf den Verein angewiesen.
Fokus auf das Werfen
Schon jetzt hat sich das Training deutlich gewandelt. Die Belastungen sind höher, Cindy Roleder trainiert mehr Kraftausdauer, auf dem Programm standen zunächst viele längere Tempoläufe. Außerdem verbringt sie viel Zeit mit dem Speer, wirft viel und feilt an der Technik. „Da sehe ich noch das meiste Potenzial“, lacht Cindy Roleder. Die Freude an der neuen Herausforderung und die neu gewonnene Motivation sind ihrer Stimme deutlich anzuhören.
Zurzeit absolviert sie noch viele Einheiten alleine, denn ihre neue Trainingsgruppe ist gerade im Trainingslager in Südafrika. Kennengelernt hat sie ihre Mitstreiter aber schon, während der Teamwoche der Mehrkämpfer Ende Oktober in Kienbaum. Dort war Cindy Roleder zeitgleich im Rahmen ihrer Polizeiausbildung vor Ort. „Alle waren total nett und haben mich gut aufgenommen“, sagt sie. Die familiäre Atmosphäre im Mehrkampf-Team hat sie in ihrer Entscheidung bestärkt.
Generalprobe am 4. Januar
Der Termin für den ersten Mehrkampf steht bereits: Am 4. Januar wird Cindy Roleder in Chemnitz beim Hallen-Fünfkampf starten. „Ich bin sehr gespannt, wie ich mich da schlage“, sagt sie. Die Vorfreude ist groß: „Ich habe endlich wieder ein richtiges Ziel, auf das ich jeden Tag hinarbeite.“
Einzelstarts über die Hürden stehen weiterhin auf dem Wettkampfplan der Leipzigerin. Das sei ihrem Verein wichtig gewesen, erklärt sie. Und das Hürdensprinten verlerne man ja auch nicht, wenn man für den Mehrkampf trainiert.
Trotzdem: Der Wechsel zum Mehrkampf ist Cindy Roleder ernst. Ein Ergebnis von 6.000 und mehr Punkten traut sie sich langfristig durchaus zu. Sie weiß, dass es schwer sein wird, sich gegen die starke nationale Konkurrenz zu behaupten – schließlich sind die DLV-Siebenkämpferinnen immer für internationale Medaillen gut. Aber wenn Cindy Roleder sich aussuchen könnte, in welchem Wettbewerb sie 2016 bei den Olympischen Spielen in Rio (Brasilien) an den Start geht, dann wäre die Wahl eindeutig: „Im Siebenkampf!“