Claudine Vita - Eine Diskuswerferin geht fremd
Die Neubrandenburgerin Claudine Vita ging in Rostock gleich doppelt fremd: Die U18-Vize-Weltmeisterin mit dem Diskus startete außer in ihrer Spezialdisziplin auch im Kugelstoß sowie im Weitsprung und schlug sich dort achtbar. Ihr Trainer Dieter Kollark glaubt sogar, dass sie eine gute Mehrkämpferin sein könnte.
Die Siegerehrung im Diskuswurf musste warten. Die weiteren Platzierten standen schon bereit, doch Claudine Vita hatte vorher noch etwas Wichtiges zu erledigen: ihren letzten Versuch im Weitsprung. Denn die Neubrandenburgerin, erst vor zwei Wochen bei der U18-WM in Donetsk (Ukraine) mit Silber im Diskuswurf dekoriert, starte bei den Deutschen U18-Meisterschaften in Rostock gleich in drei Disziplinen.Außer in ihrer Paradedisziplin, wo sie mit 48,59 Metern standesgemäß siegte, startete sie auch im Kugelstoßen – dort gab es Silber mit starken 17,12 Metern – und eben im Weitsprung. In der Grube sprang mit 5,79 Metern Rang sechs heraus. Ein außergewöhnlicher Dreikampf.
Manch einer der Zuschauer rieb sich verwundert die Augen, was denn eine Diskuswerferin beim Weitsprung verloren hat. Nicht so ihr Trainer Dieter Kollark: „Claudine könnte eine gute Mehrkämpferin sein“, sagte der 68-Jährige, der schon Franka Dietzsch, Petra Lammert und Anna Rüh in die Weltspitze führte.
Keine Lust auf Mehrkampf
Vitas Bestleistung im Weitsprung steht bei 5,95 Metern, wenngleich sie noch Schwierigkeiten hat, konstant das Brett zu treffen. In Rostock waren vier ihrer sechs Versuche ungültig. Auch ihre Hürdentechnik ist laut Kollark hervorragend, „und auch den Speer hat sie gleich beim ersten Mal über 41 Meter geworfen“, so der Coach. Einzig die 800 Meter stellen ein Problem dar. „Deshalb hat sie bislang auch nicht so richtig Lust auf den Mehrkampf.“ Diskuswerfen mache ihr eben einfach am meisten Spaß, meint Claudine Vita.
Trotzdem werden sie und ihr Trainer im Herbst etwas siebenkampforientierter trainieren. Über den Mehrkampf hatte die 16-Jährige einst auch überhaupt erst den Weg zum Diskuswurf gefunden. Als Schülerin bewies Claudine Vita ihre Vielseitigkeit, als sie 2010 und 2011 den Deutschen Meistertitel im Blockmehrkampf gewann.
Flucht aus Kriegsgebiet
Dabei fiel Dieter Kollark ihr Talent in den Wurfdisziplinen auf. Im Herbst 2011 wechselte die junge Athletin von der SG Gaselan Fürstenwalde zum SC Neubrandenburg und auf das dortige Sportinternat. Für die Leichtathletin, deren Familie 1991 wegen des Bürgerkriegs aus Angola nach Deutschland geflohen war, stellte der Umzug eine große Belastung dar. Claudine Vita erhält nämlich kein Bafög. „Wir investieren deshalb im Monat über 500 Euro, damit sie in Neubrandenburg trainieren und zur Schule gehen kann“, erzählt Dieter Kollark.
Mit bislang drei deutschen Jugendmeistertiteln – 2012 hatte Vita sowohl beim Winterwurf in Sindelfingen als auch im Sommer in Mönchengladbach gewonnen – und natürlich der Silbermedaille bei der U18-WM hat sich das Investment schon gut rentiert. Ob die Erfolge allerdings auch in Zukunft im Diskusring erzielt werden, wagt selbst Dieter Kollark nicht vorherzusehen. „Sie ist so ein bisschen eine Wundertüte. Die Frage ist, wie sie sich körperlich entwickelt“, sagt er und betont: „Wenn sie so bleibt wie jetzt, kann sie keine Diskuswerferin werden!“
Bei einem Gewicht von nur 64 Kilogramm und einer Körpergröße von 1,77 Metern sei es ohnehin schon erstaunlich, dass sie die Scheibe auf 52,59 Meter segeln lässt – und im Training sogar Weiten von über 54 Meter erreicht hat. Auch technisch gebe es noch Luft nach oben. Dieter Kollark zieht den Vergleich zu Anna Rüh, der letztjährigen Olympia-Finalistin und U23-Europameisterin: „Sie hat ein besseres Bewegungsgefühl. Mit ihrer Technik würde Claudine Vita sicher an die 60 Meter werfen.“
Quelle: leichtathletik - Ihre Fachzeitschrift