| Interview

Clemens Bleistein: „Der Vorlauf ist mein Finale“

So schnell wie noch nie: Clemens Bleistein (LG Stadtwerke München) hat sich nach einer berufsbedingten Pause im vergangenen Jahr stärker als je zuvor in der Leichtathletik-Szene zurückgemeldet. Der verdiente Lohn nach Bestzeiten über 1.500 und 3.000 Meter für den approbierten Arzt war die Qualifikation für die Hallen-Weltmeisterschaften in Birmingham (Großbritannien; 1. bis 4. März). Im Interview spricht der 27-Jährige über die Bedeutung seines zweiten Einsatzes im Nationaltrikot, seine Taktik bei dieser Hallen-WM und warum er am liebsten auf einen Briten im Vorlauf treffen möchte.
pm/alex

Clemens Bleistein, erinnern Sie sich noch an das Ergebnis Ihres ersten Cooper-Tests im Schulsport?

Clemens Bleistein:

3.000 Meter in 12 Minuten war für die sportlicheren Schüler bereits ein hoch gestecktes Ziel. Ich glaube, bei meinem ersten Test bin ich 3.100 Meter weit gekommen. In Richtung Abitur klappte es dann aber schon mit der Höchstpunktzahl, die damals 3.200 Metern entsprach. Das motivierte mich. Wenig später, also 2008, habe ich an den deutschen Jugendmeisterschaften im Olympiastadion in Berlin teilgenommen – das war ein ganz besonderes Erlebnis. Mich faszinierte von Beginn an die Objektivität und Einfachheit des Wettkampfs: Wer als Erster im Ziel ist, hat gewonnen.
 
Ihre aktuellen Topleistungen kommen nicht von ungefähr. Sehr viel Zeit fließt ins Training. Wie ist das Verhältnis von Trainings- zu Wettkampfkilometern?

Clemens Bleistein:

In Vorbereitung und während der aktuellen Hallensaison laufe ich seit fünf Monaten zirka 120 Kilometer in der Woche. Über die gesamte Dauer waren es bisher also mehr als 2.000 Trainingskilometer im Olympiapark, im Nymphenburger Schlosspark oder entlang der Auffahrtsallee. Fünf Hallen-Wettkämpfe mit insgesamt 12 Kilometern habe ich seit Januar bestritten – die Wettkampfkilometer fallen also kaum ins Gewicht. In den nächsten Tagen kommen hoffentlich trotzdem noch möglichst viele hinzu.
 
Zwischen dem Finale der Hallen-DM in Dortmund, wo Sie in einem spannenden Finale über 3.000 Meter Zweiter wurden und den WM-Vorläufen liegen keine zwei Wochen. Wie haben Sie die knappe Zeit genutzt?

Clemens Bleistein:

Da ich zwischen dem internationalen Rennen in Metz (dort erfüllte er am 11.02. mit neuer persönlicher Bestzeit von 7:51,51 Minuten die WM-Norm, Anm. d. Red.) und der Hallen-DM nicht zurück nach München gereist bin, war ich wirklich froh wieder zu Hause. Ich habe schnell meinen Rhythmus wiedergefunden und bis zur letzten harten Einheit am Samstag eine Woche gut trainiert. Ich konnte die erfolgreichen letzten Wochen verarbeiten und für die DM-Medaille einen schönen Platz an der Wand aussuchen. Jetzt richtet sich mein Blick nach vorne. Die Vorfreude ist groß und ich spüre eine Menge positiver Energie.
 
Die 3.000-Meter-Vorläufe finden am Freitag statt. Bei der letzten Hallen-WM in Portland vor zwei Jahren gingen die Vorlaufsiege mit 7:51er-Zeiten weg, der letzte Läufer qualifizierte sich mit einer mittleren 7:53er-Zeit für Endlauf – wenig Spielraum also. Rechnen Sie damit, gleich im Bereich Ihrer Bestleistung einsteigen zu müssen, um das Finale zu erreichen?

Clemens Bleistein:

Der Vorlauf ist mein Finale. Da werde ich mich nicht zurückhalten oder schonen. Es wird mir alles abverlangt werden, denn man kann sich auch über die Zeit fürs Finale qualifizieren. Oft wird im Finale dann etwas taktischer gelaufen als in den Vorläufen. Da ich es in den letzten Wochen immer geschafft habe, meine Leistung auf den Punkt abzurufen, spricht alles dafür, dass es mir auch in Birmingham gelingt.
 
Gegen die besten Läufer Europas sind Sie 2015 bei der Hallen-EM bereits angetreten. Nun treffen Sie auf die Besten der Welt. Was ändert sich dadurch für Sie?

Clemens Bleistein:

Eigentlich ändert sich gar nicht so viel. Auch 2015 waren einige gebürtige Kenianer im Feld, unter anderem der spätere Sieger Ali Kaya, der für die Türkei startet. Das Niveau wird etwas höher sein, meine Einstellung beeinflusst das aber nicht. Ich möchte mich teuer verkaufen und es mit ein bisschen Glück in der Laufeinteilung und einem starken Finish ins Finale schaffen.
 
In der Arena Birmingham erwartet Sie ein versiertes und begeistertes Publikum. Als Langstreckenläufer auf Ihrem Niveau ist man größtenteils allein und in ruhiger Umgebung unterwegs. Wird es Sie irritieren, wenn um Sie herum plötzlich das Publikum tobt?

Clemens Bleistein:

Mich motiviert es eher. Ich freue mich wirklich riesig drauf, denn die Briten sind besonders leichtathletikaffin, was man letztes Jahr auch bei der WM in London gesehen hat. Daher würde ich im Vorlauf sogar gerne gegen einen Briten laufen, denn dann wird die Stimmung super sein.
 
Bei den aktuellen Temperaturen ist der Sommer derzeit gefühlt weit weg, aber dennoch: Wie geht es nach Birmingham mit Blick auf den Sommer mit der Heim-EM in Berlin weiter?

Clemens Bleistein:

Nach Birmingham werde ich eine Woche Pause einlegen. Über Ostern geht es dann ins Trainingslager nach Holland. Mein Ziel ist, schon im Mai oder Juni die EM-Norm über 5.000 Meter zu laufen. Bei den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg möchte ich wieder eine Medaille gewinnen. Das wird ein hartes Stück Arbeit. Die nationale Konkurrenz ist groß.

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