| Nach Ermüdungsbruch

Corinna Harrer ist wieder angriffslustig

Noch nie in ihrer Karriere musste Corinna Harrer so lange aufs Laufen verzichten wie in diesem Sommer. Ein Ermüdungsbruch im Fuß hatte die Regensburgerin außer Gefecht gesetzt. Mittlerweile ist sie zurück im Training und entdeckt die Freude an ihrem Sport neu.
Jan-Henner Reitze

Bis zum Halbfinaleinzug bei Olympia in London (Großbritannien) kannte die Karriere von Corinna Harrer nur eine Richtung: Es ging nach oben. Im Mai 2012 war es auch, als sie ihre 1.500-Meter-Bestzeit innerhalb von sieben Tagen dreimal steigerte: 4:05,62 Minuten in Dessau, 4:04,81 Minuten in Hengelo (Niederlande) und dann 4:04,30 Minuten in Rom (Italien). Was für eine Woche.

Doch nach dem "Superjahr" mit EM und Olympia ging es nicht wie gewohnt von einer Bestzeit zur nächsten. Die Wettkämpfe gingen nicht mehr so leicht von der Hand, der Körper meldete sich immer wieder mit kleinen Problemen zu Wort und auch Spaß und Motivation waren nicht mehr so groß wie zuvor.  

"Man trainiert immer weiter, sobald es geht. Natürlich ist man ehrgeizig, aber die Probleme summieren sich und dann kommt ein Bruch oder ähnliches raus", erklärt Corinna Harrer heute rückblickend.

Erst DM-Titel dann Ermüdungsbruch

Die Bahnsaison 2014 hatte mit dem deutschen Meistertitel über 10.000 Meter vielversprechend begonnen und auch die Trainingswerte Richtung 1.500 Meter stimmten. Dann kam aber der Ermüdungsbruch im Fuß. "Ich habe eine Haglund-Ferse durch einen Fersensporn, mit dem ich mich schon seit zwei Jahren herumschlage. Deshalb bin ich beim Laufen ausgewichen. So ist der Bruch zu erklären", erzählt die 23-Jährige, die damit eine Zwangspause einlegen musste und erst einmal gar nicht laufen durfte - ungewohnt nach so vielen Jahren Training.

Die Mittel- und Langstrecklerin hatte plötzlich viel mehr Zeit für Familie und Freunde – alles andere als unangenehm. Mehr Zeit blieb auch für die Vorbereitung auf eine Zwischenprüfung innerhalb der Bankausbildung, die im kommenden April zu Ende geht.

Um mal Abstand vom Sport zu gewinnen, fuhr die sechsmalige Deutsche Meisterin genau dann in den Urlaub an den Gardasee, als die Konkurrenz in Zürich (Schweiz) um die EM-Medaillen lief. "Ich wollte nicht zu Hause hocken und Zeit haben, den Fernseher einzuschalten", berichtet die Zweite der Hallen-EM über 3.000 Meter. Sie wollte sich einfach mehr mit sich selbst, als mit der Szene beschäftigen. Aufräumen im Kopf war angesagt.

Freude am Laufen zurück

Heute ist Corinna Harrer zurück im Training - noch nicht zu hundert Prozent, aber es geht Stück für Stück voran. Geändert hat sich etwas am Gefühl, mit dem sie die Laufschuhe schnürt. Die Abstinenz brachte die Erkenntnis, wie viel Spaß die Bewegung Laufen macht. "Ich gehe wieder raus und genieße jeden Meter. Ich bin total frisch im Kopf und wieder angriffslustig."

Auf ihrem Weg zurück will die Regensburgerin mehr auf die Signale ihres Körpers hören und nicht - wie in der Vergangenheit - trotz Warnzeichen so lange es nur geht weiterrennen. Deshalb lässt sie sich Zeit mit dem Aufbau. Die Cross-EM wird zum ersten Mal nach sechs Jahren in ihrer jungen Karriere ohne Corinna Harrer stattfinden. Ob es eine ernsthafte Hallensaison geben wird, werden die nächsten Wochen zeigen. Möglicherweise werden ein paar Rennen im Winter auch nur ein Training unter Wettkampfbedingungen sein.

Entscheidung über Olympia-Strecke noch nicht gefallen

"Ich habe gelernt, Geduld zu haben. Und lieber mal den Mund zu halten und dann wieder mit Leistung zu überzeugen", so die Regensburgerin. Im Sommer sollen die 1.500 Meter im Fokus stehen, neben einigen Ausflügen auf die längeren Strecken. Vielleicht nicht innerhalb von sieben Tagen, aber die ein oder andere Steigerung der Bestzeit, wünscht sich die Auszubildende.

Nach dem kommenden Sommer steht dann eine Entscheidung an: Sollen es bei Olympia 2016 in Rio de Janeiro (Brasilien) noch einmal die 1.500 Meter sein oder eher die 5.000 Meter? Das hängt nicht nur von den Leistungen im kommenden Sommer ab, sondern auch davon, wie sich die Problematik mit dem Fersensporn entwickelt - schnelle Einheiten in Spikes sind in dieser Hinsicht eine größere Belastung als längere Läufe. Mit einem Schuss mehr Demut will Corinna Harrer die Baustelle an ihrer Ferse in den Griff bekommen und wieder durchstarten.

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