Daniel Schnelting - Temperament muss sein
Manch einer von den Promis bei der "Star-Leichtathletik" im Rahmen der Deutschen Jugend-Meisterschaften in Braunschweig hätte sich eine Scheibe abschneiden können von Daniel Schnelting. Denn während einige der Fernsehstars in diversen Disziplinen mit ihrem Können kämpften, zeigte der Nachwuchssprinter aus Rhede an jenem Wochenende, Ende Juli, eine Galavorstellung.
Daniel Schnelting, neue deutsche Sprinthoffnung (Foto: Gantenberg)
Er wurde in der A-Jugend nicht nur Sieger über 100 und 200 Meter, er drückte den Wettbewerben in 10,37 und 20,81 Sekunden auch noch seinen Stempel auf. Der 19-Jährige hatte sich aber eigentlich eine Woche zuvor schon selbst übertroffen.In Kaunas bei der Junioren-EM gelang ihm ein Kabinettstückchen. Von dort kam er gleich noch mit zwei Goldmedaillen nach Hause - über 200 Meter und mit der 4x100 Meter-Staffel. Ein Doppelerfolg, der Rhedes Bürgermeister Lothar Mittag in ungeahnte körperliche Strapazen stürzte. Leichtfertig hatte er versprochen, dass er den schnellsten Bürger des Städtchens mit einer Rikscha zum Empfang ins Rathaus abholen würde, wenn dieser als Junioren-Europameister nach Hause kommt. Nach dem Doppelgold löste der Politiker seine Wettschulden ein und nahm die Vereinskollegin, Weitspringerin Nadine Jacobs, auch noch mit.
Jetzt, einige Monate später, sind diese Erfolgserlebnisse schöne Erinnerungen, die zeigen, dass das Supertalent im deutschen Sprint auf dem richtigen Weg ist. Es war sein Jahr! Daniel Schnelting kam 2005 aus dem Jubel gar nicht mehr heraus.
"Wo nimmst Du das her?"
Für den hochgewachsenen Sprinter vom LAZ Rhede lief alles wie am Schnürchen. Sogar sein Trainer Mecky Emmerich rieb sich da manchmal nur noch verwundert die Augen. Selbst er fragte seinen Schützling ab und an: "Wo nimmst Du das denn nun wieder her?"
Bei dem jungen Mann, der im September ein Studium an der Fachhochschule in Bocholt im Fach Wirtschaftsingenieurwesen begonnen hat, muss man sich das Wundern langsam abgewöhnen.
Für Daniel Schnelting ist vieles normal, was anderen ungewöhnlich erscheint. Nicht nur seine Leistungen. Da wäre einmal seine Größe von 1,95 Meter. Darauf angesprochen, lacht er nur und rät: "Da muss man sich erst mal meinen Bruder ansehen, der ist zwei Meter groß." Eine Schwester hat er auch noch, die mit 1,80 Meter zu den Großgewachsenen ihrer Geschlechtsgenossinnen gehört.
400-Meter-Hoffnungen
Kleine Nachteile für den hochgewachsenen Athleten ergeben sich nur am Start. "Das ist meine Schwäche, da habe ich noch große Reserven", meint er. Deshalb ist es auch nachvollziehbar, dass er die 200 Meter als seine Lieblingsstrecke betitelt. "100 Meter sind mir einfach zu kurz. Da komme ich gerade in Fahrt, dann ist es schon wieder zu Ende", sagt der zweifache Junioren-Europameister schmunzelnd.
Die 200 Meter liebt er, weil er seine Stärke, "hinten raus" richtig aufzudrehen, auf dieser Strecke so richtig ausspielen kann. "In zwei, drei Jahren werden sicher auch die 400 Meter ein Thema für mich", glaubt er. Seine bisherige Bestzeit ohne großartige Vorbereitung von 48,07 Sekunden lässt hoffen.
Daniel Schnelting ist ein aufgeschlossener, optimistischer junger Mann mit schnellen Beinen und sonnigem Gemüt. Auch dass er an Diabetes leidet, ist für ihn kein Weltuntergang. "Das hat man festgestellt, als ich fünf Jahre alt war und die Krankheit gehört einfach zu meinem Leben dazu." Und er kann damit umgehen. "Ich weiß, was ich zu tun habe, muss meinen Blutzucker regelmäßig messen und je nach Bedarf das Insulin spritzen. Das funktioniert gut und beeinträchtigt mich überhaupt nicht in meinem Training. Ich kann sogar Süßes essen", erzählt der Neustudent.
EM im Blick
Durch seine Krankheit ist er von der Bundeswehr freigestellt und konnte nach dem Abitur an einem technischen Gymnasium das Studium sofort aufnehmen. Doch eins hat der 19-Jährige schon gemerkt. Es weht ein anderer Wind als in der Schule. "Das ist erheblich anstrengender", stöhnt der 200-Meter-Spezialist und grinst. Doch vor allem die ersten beiden Semester will er sich reinhängen, denn an der FH ist es wie im Sport: nur die Besten kommen durch.
Später könnte er sich dann sogar vorstellen, ein Urlaubssemester zu machen, dem Sport zuliebe. Schließlich hat er große Ziele. Schon 2006 hat er sich vorgenommen, die renommierten Sprinter bei den Aktiven ein bisschen zu ärgern und die Norm für die EM in Göteborg anzupeilen. "Ich will unter 20,60 Sekunden laufen", sagt er bestimmt. Und wenn er gesund bleibt, ist dies ein realistisches Vorhaben. Gegen die 4x100 Meter-Staffel hätte er auch nichts, so als kleinen Nebeneffekt. Die Hallensaison wird er vermutlich "nur so mitnehmen". Ein paar Mal 60 Meter laufen oder so: "Der Fokus liegt auf dem Sommer. Da geht`s zur Sache."
In den letzten Tagen ging es wieder los mit dem Wintertraining. Anfangs musste der Hüne noch ein wenig vorsichtig sein, er hatte sich beim Drachenfliegen den Fuß verknackst. Doch alles halb so wild. "Es ist fast schon wieder weg", versichert er.
Wettkampftyp
Daniel Schnelting ist ein absoluter Wettkampftyp. Wenn man ihm zusieht, wächst er über sich hinaus. Eine gute Atmosphäre puscht ihn nach vorne: "Dann fliege ich." Und er zeigt gerne, was er kann. Besonders vor Publikum. Das ist eine extragroße Motivation für den jungen Sprinter. Der andere spezielle Reiz ist der derzeit gute Bestand an schnellen Männern in Deutschland.
"Konkurrenz belebt das Geschäft", sagt Daniel Schnelting und grinst wieder. Sein Talent hat er von der Mama geerbt. "Die war ganz schön flott. Aber sie wurde nicht gefördert. Doch die Schnelligkeit habe ich eindeutig von ihr", versichert er. Schon in der Grundschule fiel er seinem Sportlehrer auf. "1999 rief mein Vater beim LAZ Rhede an, ob ich mal mittrainieren kann". Ein Anruf mit weitreichenden Folgen: "Obwohl ich als Schüler nie der Überflieger war." Daniel Schnelting hat sich kontinuierlich entwickelt. Langsam aber nachhaltig. Die "Beweismittel" glänzen golden und hängen daheim.
Gegen einen gelegentlichen Zehnkampf hätte er auch nichts. Einfach mal zur Abwechslung. "Nur mit Hürden habe ich es nicht so", sagt er lachend. Und Stabhochsprung ist ihm auch nicht ganz so geheuer: "Aber sonst müsste alles ganz gut klappen." Doch wenn es ernst wird, gilt nur noch eins: rein in den Startblock und losrennen.
Immer eine Lösung
Bisher trainierte der Schützling von Mecky Emmerich nur drei bis vier Mal in der Woche. "Mein Trainer legt mehr Wert auf Qualität als Quantität", erzählt der Sprinter, dessen Freundin Dressurreiterin ist: "Das ist noch viel mehr Aufwand mit den Pferden als bei mir."
Dennoch ist sein Tag ausgefüllt mit Studieren, Trainieren, Lernen. "Aber ab und zu gehe ich schon mal noch Radfahren, Schwimmen oder Kart fahren". Diese Sportarten machen ihm auch großen Spaß. Im Training mag er eigentlich fast alles. Nur Tempoläufe, die "zu lang werden", findet der 19-Jährige nicht mehr besonders witzig, "alles über 300 Meter..."
Allerdings weiß er, dass die auch nötig sind, damit es weiter so gut läuft wie bisher. Und im Allgemeinen geht Daniel Schnelting auch recht gelassen mit den Dingen des Lebens um. So schnell bringt ihn nichts auf die Palme. Nach dem Motto: Es gibt immer eine Lösung. Nur "Trantüten" und "Schlaftabletten" mag er nicht besonders. Die bringen ihn auf die Palme, und wenn einer nicht weiß, was er will.
Ein bisschen Temperament muss schon sein. Nicht nur auf der Bahn, auch daneben. Bis jetzt ist der junge Mann mit dieser Einstellung ganz gut gelaufen.