Das große Pech des Ralf Bartels
Kugelstoßer Ralf Bartels hat in diesem Olympiasommer ein wahres Tal durchschritten. Kaum etwas lief so, wie es sollte. Immerhin der Deutsche Meistertitel ist noch rausgesprungen, die Olympia-Teilnahme in Peking (China) platzte kurzfristig wegen einer Verletzung. Auch das Weltfinale am Wochenende (13./14. September) wird deshalb in Stuttgart ohne den Europameister über die Bühne gehen.
Die Popularität des Neubrandenburgers ist dennoch ungebrochen. Bei einem seiner jüngsten öffentlichen Auftritte, im Rahmen des DKB-Cups in Elstal vor den Toren Berlins, konnte er sich dem Ansturm der Autogrammjäger kaum entziehen, obwohl er selbst nicht aktiv war und „nur“ als Gast die Veranstaltung besuchte.„So an die 300 Autogramme in einer Stunde werden es gewesen sein, das war schon Schwerstarbeit.“ Aber er hatte für alle ein Lächeln und besondere Freude schenkte er, wenn er sich zum gemeinsamen Foto mit den meist jugendlichen Zuschauern stellte.
Ralf Bartels hat in der Vergangenheit einiges für seinen guten Ruf getan, nicht zuletzt durch den Gewinn des Europameistertitels 2006 in Göteborg (Schweden) und der WM-Bronzemedaille 2005 in Helsinki (Finnland).
Bis zu vier Wochen Pause
Frischen Ruhm konnte er allerdings im August bei den Olympischen Spielen in Peking nicht einheimsen. Dort gehörte er zu den Pechvögeln, denn kurz vor seinem Einsatz im „Vogelnest“ musste er wegen einer Verletzung in der Wade seinen Start absagen.
Zumindest äußerlich hat er den olympischen Frust inzwischen verarbeitet. „Ich kann normal gehen, habe keine Schmerzen“, meinte er noch in Elstal. „Die Verletzung ist natürlich noch nicht weg, und es wird auch noch ein Weilchen dauern, bis ich wieder fit bin. Die Ärzte haben mir gesagt, dass ich drei bis vier Wochen gar nichts machen kann, das heißt mich nicht sportlich betätigen darf.“
Vorsichtig will der 30-Jährige auf alle Fälle sein. „Meine Wade fühlt sich recht gut an, und darin liegt die Gefahr, dass man zu früh mit dem richtigen Training beginnt.“
Wadenriss beim Sprint
Wie kam es überhaupt zu der Verletzung? Im Vorbereitungslager in Japan lief das Training noch bestens, bestätigte seine im Jahresverlauf ansteigende Formkurve. Auch in Peking war im Training anfangs alles im Soll, ehe im Schnelligkeitstraining das Unglück geschah.
„Wir machen dabei immer kurze Antritte, Sprünge“, erinnerte er sich. „Am ungenügenden Aufwärmen hat es nicht gelegen. Sportler haben nicht immer nur die Probleme, die sie an die Öffentlichkeit tragen. Ich hatte kleinere Probleme an der Leiste und im Beuger. Deshalb habe ich schon vorher die Erwärmung intensiver gestaltet, damit nichts passieren kann. Und es ist auch nicht gleich am Anfang geschehen. Nach der Gymnastik habe ich Tempoläufe absolviert, Steigerungsläufe zwischen 40 und 100 Metern. Dann standen Antritte auf dem Plan, das heißt aus dem Stand cirka 15 Meter mit hundert Prozent laufen, so schnell wie es geht.“
Zwei solcher Sprints hatte er bereits hinter sich, ehe beim dritten Lauf etwas in der Wade des rechten Beines kaputt ging. „Mein erster Gedanke war, dass es für die Achillessehne zu hoch war. Aber etwas Ernsthaftes musste es sein, denn ich konnte nicht mehr richtig auftreten.“
Großer Riss zu sehen
Nach der Ultraschalldiagnostik meinte der Arzt dann zunächst, dass nichts zu sehen sei, aber das bedeute noch nicht viel. Er spritzte die Wade an, legte einen Kompressionsverband an. „Aber später am Abend war dann deutlich zu sehen, dass der Muskel einen relativ großen Riss in sich hatte. Da war mir klar, dass es nichts mit einem Olympia-Start werden würde.“
Inzwischen räumt Ralf Bartels ein, dass die Enttäuschung darüber natürlich tief saß. „Ich hatte ganz schön mit mir zu tun.“ Trotzdem ließ er es sich nicht nehmen, die Qualifikation der Kugelstoßer direkt im Stadion zu verfolgen. „Ich fieberte mit und war enttäuscht, dass Peter Sack (LAZ Leipzig) um einen Zentimeter den Einzug ins Finale verpasste. Das Niveau war diesmal sehr hoch, denn in früheren Jahren hat eine Zwanziger Weite immer gereicht, um weiterzukommen.“
Über die eigenen Chancen wollte er nicht viel spekulieren. „Von außen denkt man sicherlich, dass man es geschafft hätte. Aber wenn man da unten steht, ist es ein eigener Wettkampf. Und ich habe mich auch schon schwer in Qualifikationen getan.“
Wiedergutmachung in Berlin 2009
Peking ist jedenfalls für Ralf Bartels abgehakt. Sein Hauptaugenmerk gilt im Moment einer schnellen Genesung. Daneben werden die Pläne für das kommende Jahr geschmiedet.
„Von der Grobplanung her steht eine Doppelperiodisierung fest, das heißt, wir wollen eine Hallensaison durchziehen. Mein Trainer Gerald Bergmann hatte zwar mal die Ansicht gehabt, dass wir keine großen Hallenwettkämpfe, sprich EM oder WM, mehr machen sollten. Aber 2009 werden wir es schon deshalb tun, weil eben die abgelaufene Saison nicht besonders gelaufen ist.“
Das Hauptziel sind für ihn dann im August 2009 die Weltmeisterschaften in Berlin. „Da möchte ich mal wieder etwas Wiedergutmachung betreiben, das heißt nicht, weil ich etwas falsch gemacht habe, sondern weil ich für mich den Frust bewältigen will, den ich dieses Jahr hatte.“