Dathan Ritzenhein - Höllisch gut
Es war ein besonderer Moment für die Szene. Bob Kennedy war stolz. Stolz ausgerechnet auf den Mann, der ihm gerade seinen US-Rekord weggeschnappt hatte. „Höllisch gut, mutig und diszipliniert“ sei er gewesen, jener Auftritt, den Dathan Ritzenhein im August beim Golden-League-Meeting in Zürich (Schweiz) gezeigt und nach 5.000 Metern in 12:56,27 Minuten beendet hatte.
Die Brücke zwischen Bob Kennedy und Dathan Ritzenhein war unweigerlich geschlagen und nicht nur dadurch fundamentiert, dass beide ihre Rekorde just in Zürich markiert haben.Vielmehr erlebte der eine gerade seine große Zeit, als sich der andere überhaupt erst ernsthaft mit dem Laufen auseinander setzte, das ist die eigentliche, die inspirierende Verknüpfung. „Ich erinnere mich, dass ich mir die Olympischen Spiele in Atlanta angeschaut habe und Bob war von da an mein Vorbild. Als er dann damals diesen Rekord (Anm. 12:58,21 min) gelaufen ist, hat das mein besonderes Interesse geweckt.“
Doch 13 lange Jahre dauerte es, bis der jetzt 26-jährige Dathan Ritzenhein selbst soweit war, den Namen seines Vorbilds aus den Rekordbüchern löschen zu können und seinen eigenen stattdessen einzutragen. „Das ist der Beweis dafür, wie schwer diese Zeit zu knacken ist. Es haben schon viele Läufer probiert und sie sind daran gescheitert. Auch für mich war es ein großer Schritt.“
Großer Schritt
Obendrein ein großer Schritt, der im entscheidenden Moment zunächst von Zweifeln begleitet war. Denn das in Zürich angepeilte Tempo ließ den Schützling des legendären Alberto Salazar, der seinerseits selbst schon Rekordinhaber war, unsicher werden.
„Ich war nervös, es war von einer sehr schnellen Pace die Rede gewesen und die haben sie auch angeschlagen. Ich musste um jeden Preis dranbleiben. Ich hatte mich auf der ersten Hälfte schon schlecht gefühlt, aber dann habe ich Läufer überholt und es ging mir immer besser. Vier Runden vor Schluss habe ich dann gemerkt, dass ich den Rekord brechen kann. 200 Meter vor dem Ziel war ich mir sicher.“ Das Husarenstück war vollbracht.
Enttäuschung in London
Dass es das Jahr des Dathan Ritzenhein, der auch bei der WM in Berlin mit einer neuen 10.000-Meter-Bestzeit von 27:22,28 Minuten als Sechster überzeugt hatte, werden würde, war dabei zunächst nicht absehbar. Der Auftritt beim Marathon in London (Großbritannien) erwies sich als eine bittere Frühjahrsenttäuschung. „Ich dachte, ich sei wirklich bereit dafür, aber dann war es eine große Pleite.“ Diese dokumentierte sich in Platz elf und 2:10:00 Stunden, was im vierten Marathonjahr eine nur unbefriedigende neue Bestzeit war.
Der Tiefschlag blieb nicht ohne Konsequenzen, denn der Vater einer Tochter brach aus seiner „Komfortzone“, wie er es selbst nennt, aus. Er begab sich endgültig in die Hände von Alberto Salazar, einer US-Lauflegende, die zur aktiven Zeit berüchtigt für endlosen Trainingsfleiß und totale Verausgabung war. „Das hat mir neues Leben eingehaucht. Alberto hat mir die Freude am Laufen zurück und mir den Glauben gegeben, dass ich mit den Besten der Welt mithalten kann. Das hatte mir die ganzen Jahre gefehlt.“
Start in Birmingham
Mit dieser Freude geht es nun an neue Herausforderungen. Auch wenn er jetzt auf der Bahn neue Meilensteine erreichte, will sich Dathan Ritzenhein weiterhin dem Straßenlauf verschreiben. Allerdings geht er einen Schritt nach dem anderen, einen Herbstmarathon hat man in seinem Lager aus dem Terminkalender gestrichen.
Stattdessen wird sich der Olympia-Neunte am 11. Oktober bei der Halbmarathon-WM in Birmingham (Großbritannien) zeigen. „Das Rennen soll mir Selbstvertrauen für den nächsten Marathon geben.“
Nächsten Rekord im Visier
Dabei ist noch völlig offen, wann Dathan Ritzenhein die klassischen 42,195 Kilometer aufs Neue in Angriff nehmen wird. „Ich habe wirklich noch keine Ahnung.“ Im nächsten Jahr soll es neuerlich eine volle Bahnsaison sein. Fast hat es den Anschein, dass der neue Vorzeigeläufer der Staaten gerade so richtig auf den Geschmack gekommen ist und Lust bekommen hat auf die Möglichkeiten, die ihm der weniger harte Untergrund bietet.
So passt es auch ins Bild, dass er den US-Rekord über 10.000 Meter, der bei 27:13,98 Minuten steht, auch ganz fest ins Visier nimmt. „Wenn es passiert, dann passiert es. Wenn nicht, dann muss ich vielleicht noch ein Jahr warten. Jetzt weiß ich, dass ich es schaffen kann, aber ich muss im richtigen Rennen sein.“ Der Teufelskerl weiß, welch höllisch guten Ritt er in den Beinen hat. Er hat es gerade erst erlebt.