David Fiegen auf Josy Barthels Spuren
Mit achtzehn hat er noch Träume. David Fiegen, der heute in den 800-Meter-Vorläufen ran muss, will hoch hinaus. Schnell ist er. Und ausdauernd. Ehrgeizig sowieso. Talent hat der Laufbursche aus dem Großherzogtum Luxemburg auch. Satt und genug. Romain Fiegen, Vater und Trainer zugleich, muss ihn oft genug bremsen in seinem Tatendrang. Sein Sohnemann, einer von den jungen Wilden, die nicht wissen, wohin mit ihrer Energie, überzieht gern und macht des Guten zuviel. Doch blinder Eifer schadet nur!
Erst 18 Jahre und schon bei der WM: David Fiegen (Foto: Chai)
David Fiegen, der einzige WM-Teilnehmer Luxemburs, kennt kein Pardon. Klar hat er Respekt vor den Afrikanern. Aber keine Angst, er doch nicht. "Die kochen auch nur mit Wasser." Bange machen gilt nicht. "Ich lass alles locker auf mich zukommen." Er hat die Ruhe weg und vertraut auf die eigene Stärke. Am liebsten von vorne
Der Schlaks, der 1,87 Meter lang ist, gibt sich ganz selbstbewusst. Die Jagd auf die Rekorde ist ihm das reinste Vergnügen. Mittlerweile ist er bei 1:45,96 Minuten angekommen. Wohin soll das noch führen? Da lachte er wie ein Schelm und zuckte mit den Schultern. "Wir setzen uns keine Ziele mehr", antwortete der Herr Papa für seinen Filius, "David hält sich ja sowieso nicht dran." Er kennt keine Grenzen, will immer das Optimum. "Ich gebe stets mein Bestes!" Taktische Zwänge sind ihm fremd. "Am liebsten laufe ich offensiv von vorn." Doch inzwischen hat Fiegen gelernt, auch mal diskret im Feld mitzurollen, um auf den letzten Metern, wenn's hart auf hart geht, noch genügend Energien frei setzen zu können. "Jedes Rennen ist anders", sagte er aus Erfahrung, "da musst du flexibel sein." Vielseitigkeit ist gefragt.
Der Bursche weiß, was er will. Dafür trainiert er. Tagein, tagaus im "Institute Nationale du Sport" von Luxemburg. Das Kommando auf dem Sportplatz hat Romain Fiegen. Denn er arbeitet die Programme aus, sagt ihnen, was zu tun ist. Als Umweltbeauftragter in Esch, mit 25.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Luxemburgs, genießt er alle Freiheiten und kann sich die Zeit so einteilen, dass alles planmäßig seinen Gang nimmt. Paul Schmidt, der ehemalige DLV-Bundestrainer, hat ihn in der Vergangenheit stets mit wertvollen Tipps versorgt. "Vor einigen Jahren wurde hier in Luxemburg noch jeder, der was mit Leichtathletik zu tun, für verrückt gehalten", amüsierte sich Vater Fliegen, "das hat sich total geändert."
Auf den Spuren von Josy Barthel
Was seinem schnellen Sohn zu verdanken ist, denn er gilt jetzt als legitimer Nachfolger von Josy Barthel, einem Dorfjungen, dessen läuferische Fähigkeiten während des 2. Weltkrieges entdeckt wurden. Jahre lang zählte Barthel zu den weltbesten Mittelstrecklern, war Militär- sowie Studentenweltmeister über 800 und 1500 Meter, und feierte seinen größten Erfolg bei den Olympischen Spielen 1952 in Helsinki. Mit einem breiten Lächeln auf den Lippen stürmte er über die Ziellinie und gewann sensationell die Goldmedaille.
Josy Barthel, der 1956 nach den Sommerspielen in Melbourne, wo er im 1500-Meter-Vorlauf ausgeschieden ist, seine Karriere beendete, machte auch beruflich von sich reden. Er war Präsident der Leichtathletikföderation von 1962 – 1972, NOK-Präsident von 1992 – 1977, Minister von 1977 – 1984 und starb leider viel zu früh am 7. Juli 1992 im Alter von nur 65 Jahren.
Bei Jos Hermens gut aufgehoben
David Fiegen, der die neue Generation verkörpert, scharrt schon in den Startlöchern. Auf den Spuren seines prominenten Landsmannes bewegt er sich. An seine Glanztaten möchte er anknüpfen. Lieber heute als morgen. "Nichts überstürzen", mahnte Romain Fliegen zu Geduld, "ihm fehlen noch einige Meter zur absoluten Spitze." Jos Hermens, der Laufexperte aus Holland, der im vergangenen Jahr sein Management übernommen und Vater Fliegen dadurch enorm entlastet hat, traut ihm eine ganze Menge zu. "David ist jung und unverbraucht", lobte er ihn, "wenn er behutsam aufgebaut wird, kann er in Zukunft noch viel erreichen." Da liegt die Gefahr. Dass Fiegen überdreht und zu viele Starts auf sich nimmt. Denn merke: Weniger ist auf Dauer mehr.
Die Schule hat er abgebrochen. Weil das Abitur in Luxemburg einen hohen Zeitaufwand erfordert, hat David Fiegen die Konsequenzen gezogen. Auch wegen seiner sportlichen Ambitionen! Beides zu kombinieren, hier die Paukerei, da das tägliche Training, das war kaum möglich. Professionell widmet er sich nun der Lauferei.
Vier Sprachen fließend
Als Sprachgenie parliert er fließend luxemburgisch, französisch, englisch und deutsch. Holländisch versteht er und italienisch auch ein bisschen. Daran ist seine Mama Schuld, sie kommt nämlich gebürtig aus Italien.
Der Kosmopolit aus dem mitteleuropäischen Großherzogtum schickt sich an, die Welt zu erobern. Auf die Sieger-Interviews ist er sprachlich schon bestens vorbereitet. Athen, Schauplatz der Olympischen Spiele 2004, kommt für ihn wohl noch zu früh, um ernsthaft in den Kampf um die Medaillen einzugreifen. Aber 2008 in Peking soll seine Stunde schlagen. Josy Barthel hat's vorgemacht. David Fiegen will nachlegen. Doch vorher will er bei der WM im "Stade France" den Ernstfall proben.