Bärbel Wöckel – "Das Durchbeißen lohnt sich!"
Bärbel Wöckel feiert am heutigen Montag ihren 50. Geburtstag. Die viermalige Olympiasiegerin über 200 und 4x100 Meter, diese Titel gewann sie jeweils 1976 in Montreal und 1980 in Moskau, arbeitet seit 1990 maßgeblich beim Deutschen Leichtathletik-Verband im Jugendbereich und war damit auch eine "Frau der ersten Stunde" bei der Zusammenführung von Ost und West. Christian Fuchs hat sich für leichtathletik.de mit Bärbel Wöckel über dieses und andere interessante Themen unterhalten.
Bärbel Wöckel gehörte zu den herausragenden Sprinterinnen der DDR (Foto: Krebs)
leichtathletik.de:Frau Wöckel, herzlichen Glückwunsch. Was wünschen Sie sich zu Ihrem 50. Geburtstag?
Bärbel Wöckel:
Das, was ich schon in den letzten Tagen oft auf diese Frage geantwortet habe, ist, dass mir meine Töchter ein bisschen mehr helfen sollten. Das ist eigentlich etwas ganz Einfaches, mein privater Wunsch. Ansonsten wünsche ich mir auch, dass es in Deutschland gerade mit der Arbeitsmarktlage wieder aufwärts geht.
leichtathletik.de:
Was würden Sie als die wichtigsten Stationen Ihrer leistungssportlichen Karriere und Ihrer beruflichen Laufbahn danach skizzieren?
Bärbel Wöckel:
Ich bin, nachdem ich mich vorher mit Ballett und Turnen versucht habe, zur Leichtathletik gekommen. Danach habe ich die Karriere der DDR-Sportler über die Kinder- und Jugendsportschule genommen. Das war für mich schon ein großer Wendepunkt, denn damit bin ich im Alter von 14 Jahren nach Leipzig ins Internat gegangen, was meine Mutter zunächst nicht wollte. Mit den Junioren-Europameisterschaften kam der erste große Erfolg. Daran kann ich mich noch sehr gut erinnern. Duisburg war mein erster Start im "kapitalistischen Ausland", wie es damals hieß, eine sehr schöne Veranstaltung. Später waren dann die Olympischen Spiele natürlich als das Ziel, das jeder Sportler hat, das Highlight. Mit der Heirat 1979, noch während meiner aktiven Zeit, und danach der Geburt meiner Kinder 1986 und 1988, kam nach dem Ende der Sportlaufbahn 1984 eine ganz andere Herausforderung, die auch mit meiner beruflichen Entwicklung als Grundschullehrerin und dem Einstieg beim DLV 1990 einher ging.
leichtathletik.de:
Was sind Ihre größten Erinnerungen an diese Zeit?
Bärbel Wöckel:
Die größten und schönsten Erinnerungen verbinde ich mit den Siegerehrungen bei den Olympischen Spielen, vor allem mit 1976. Man sieht es ja noch heute, dass schon mal eine Träne rollt und Emotionen ausbrechen. An den Augenblick, wenn man dort oben steht, denke ich noch sehr, sehr gerne zurück, denn man hat eben vier Jahre lang darauf hingearbeitet, um auf den Punkt fit zu sein.
leichtathletik.de:
Sind Sie nach wie vor in Kontakt mit den einstigen Wegbegleiterinnen wie Marlies Göhr oder Renate Stecher?
Bärbel Wöckel:
Sicher noch lose. Es ist zwar nicht so, dass wir regelmäßig Kontakt pflegen, aber in letzter Zeit haben wir uns doch bei der ein oder anderen Veranstaltung mal getroffen, zum Beispiel bei Meisterschaften oder wie zuletzt beim Hallen-Meeting in Chemnitz. Dort sind wir ja sogar noch einmal zusammen gelaufen. Es war zwar nicht so schnell wie früher, aber wir hatten sehr viel Spaß. Wir sehen uns also öfter, freuen uns darüber und haben auch viel auszutauschen. Da wird es auch abends schon einmal etwas länger.
leichtathletik.de:
Sie waren 1990 in der DLV-Zentrale bei der Zusammenführung der ost- und westdeutschen Leichtathletik praktisch eine "Frau der ersten Stunde". Wie beurteilen Sie diese Herausforderung rückblickend?
Bärbel Wöckel:
1990 war ich mit Beginn meiner Tätigkeit auch gleich bei der ersten Sitzung im Jugendausschuss mit Vertretern aus den damals neuen Bundesländern mit dabei. Es hat sich danach langsam entwickelt, aber gerade im Jugendbereich sind wir ganz schnell aufeinander zugekommen. Wir hatten nur wenig Probleme. Ich denke auch, dass im Sport an sich diese Vereinigung gut verlaufen ist und wir das gut lösen konnten. Die Strukturen im Westen waren allerdings schon anders, als ich das kannte.
leichtathletik.de:
Heute sind Sie als DLV-Referatsleiterin Jugend in der Leichtathletik-Szene nach wie vor mittendrin. Was möchten Sie bei Ihrer täglichen Arbeit für den Nachwuchs erreichen?
Bärbel Wöckel:
Im Gegensatz zu früher arbeiten wir inzwischen viel mehr projektorientiert. Unser Hauptaugenmerk ist, dass die Leichtathletik mit den Elementen Laufen, Springen und Werfen anerkannt bleibt. Wir wollen den Kindern in den Schulen nahe bringen, dass Leichtathletik Spaß machen kann. Mit unserem Kinderleichtathletik-Programm und auch in der Ausbildung der Lehrer, die wir für die Leichtathletik begeistern wollen, sind wir da auf einem guten Weg. Darüber hinaus spielt auch die Zusammenarbeit mit den Landesverbänden, wo wir die Jugendarbeit voranbringen und dem sogenannten "Drop-Out" entgegen wirken wollen, eine große Rolle.
leichtathletik.de:
Was sind die wertvollsten Tipps, die Sie aus Ihrer eigenen Erfahrung den jungen Athleten der Gegenwart geben können?
Bärbel Wöckel:
Der Sport ist insgesamt für die ganze Persönlichkeitsentwicklung sehr gut. Es prägt und es gibt vieles, das ich durch den Sport gelernt habe, etwa mit Niederlagen fertig zu werden und zu kämpfen, wenn es einmal weh tut oder man unter Stress steht. Wenn jemand den leistungssportlichen Weg einschlägt, dann darf man nicht so schnell aufgeben und man muss auch Abstriche im persönlichen Bereich machen. Man muss Entbehrungen auf sich nehmen, aber das Durchbeißen lohnt sich.
leichtathletik.de:
Der DLV hat 2005 zum "Jahr der Jugend" erklärt. Was ist in diesem Zusammenhang alles geplant und in Vorbereitung?
Bärbel Wöckel:
Das "Jahr der Jugend 2005" wurde vom DLV-Präsidenten Dr. Clemens Prokop ausgerufen und wir versuchen es mit Inhalt zu füllen. Das Ziel ist eine Kampagne für die Leichtathletik als populäre Sportart. Dafür haben wir bereits einige Projekte angeschoben. "LA in Aktion" und die Fair-Play-Camps wollen wir auch international angehen. Wir sind auch wieder beim Deutschen Turnfest in Berlin dabei, dort wird es einen großen Auftritt der Leichtathleten geben. Außerdem sind wir im Mai erstmals bei der Jugendmesse "YOU" in Essen präsent, das ist eine ganz neue Erfahrung. Wir möchten im "Jahr der Jugend" auch die Multiplikatorenausbildungen über die Kultusministerien weiter ausbauen, planen einen Hochschultag und wollen unser Heft "LA Jugend" aufgrund einer Umfrage verbessern.
leichtathletik.de:
Vielen Dank für das interessante Gespräch.
Bärbel Wöckel wurde als 23. Persönlichkeit vergangener Leichtathletik-Tage in die Hall Of Fame von leichtathletik.de aufgenommen! Vorher würdigten wir dadurch bereits die Leistungen von Manfred Germar, Willi Holdorf, Heike Drechsler, Hartwig Gauder, Liesel Westermann-Krieg, Thomas Schönlebe, Rudolf Harbig, Bodo Tümmler, Lina Radke, Lutz Drombowski, Willi Wülbeck, Rosemarie Ackermann, Sabine Braun, Heide Ecker-Rosendahl, Lisa Gelius, Armin Hary, Ronald Weigel, Bert Sumser, Oliver-Sven Buder, Ulrike Nasse-Meyfarth, Lilli Henoch und Ilke Wyludda.
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