| Vor Saisonstart

David Storl – Die 22 Meter liegen in der Luft

Er will 2015 dort weitermachen, wo er 2014 aufgehört hat: das war eine Bestleistung von drei Zentimetern unter der 22-Meter-Marke. Kugelstoß-Doppelweltmeister David Storl steigt am Freitag beim Diamond League-Meeting in Doha (Katar; 15. Mai) in die Sommer-Wettkämpfe ein, am Tag darauf steht er bei den Halleschen Werfertagen (17. Mai) im Ring – auch ein Belastungstest für sein Knie. Der Weg zur Mission WM-Titelverteidigung beginnt.
Pamela Ruprecht

„Bei David steht es im Haus, die 22 Meter zu stoßen, das ist kein Geheimnis“, sagt sein Trainer Sven Lang vor dem Saisonstart. Er weiß, in welch guter Form sich David Storl im abschließenden Trainingslager in Südtirol präsentierte - zur fokussierten Vorbereitung ist die ruhige Idylle ideal. Der Bundestrainer der Männer braucht nur die Messwerte abzulesen. „Seine Zubringer waren höchstens vor Olympia in London so gut wie jetzt.“ Im Olympia-Finale stellte er seine damalige Bestleistung (21,86 m) auf, die er im vergangenen Jahr auf 21,97 Meter steigerte.

Die Trainingsform des Olympia-Zweiten ist zu diesem frühen Zeitpunkt deutlich stärker als im Vorjahr. „David hat von den Trainingsleistungen her ein Leistungsniveau, was er bisher maximal unmittelbar vor den absoluten Jahreshöhepunkten hatte“, gibt Sven Lang einen Einblick, bevor die Wettkämpfe losgehen. Sein Schützling selber schätzt sich im Vergleich zu 2015 – bedingt durch die Knieoperation im vergangenen Herbst –  in der Kraft etwas schlechter, in der Technik besser ein. 

Mit knieschonendem Training in Topform

Also nur eine Frage der Zeit, bis die 22 Meter fallen? Im Training lieferte David Storl reihenweise starke Weiten ab, bei der Leistungsdiagnostik flog die Kugel in Weltklasse-Bereiche. Allerdings würde kein Kampfrichter den Einschlag messen. Um sein Knie zu schonen, macht der Neu-Leipziger keinen Versuch gültig. „Ungültig stoße ich schon mein Leben lang im Training“, erklärt der 24-Jährige. „Das ist einfach körperschonender, wenn man nicht die ganze Last abfängt.“

Nach der Operation an der Patellasehne sind die Schmerzen nicht wie erhofft weg.  Zwar besser als vor dem Eingriff, aber die Belastungen mussten nach dem Trainingslager im März in Stellenbosch (Südafrika) runtergefahren werden.  Sven Lang spekuliert, ob es vielleicht besser gewesen wäre, auf die Hallensaison und den EM-Titel in Prag (Tschechien) zu verzichten und das Knie länger zu schonen. Sicher ist er sich aber nicht. Nun schwebt dem Trainer ein ähnliches Szenario für nächsten Winter vor: eine zweite Operation, diesmal mit einer ausreichend langen Pause vor den Olympischen Spielen in Rio (Brasilien).

Nichtsdestotrotz sagt David Storl vor seinem Saisoneinstieg: „Ich fühle mich gut vorbereitet.“  Und es sei Zeit, dass die Wettkämpfe endlich losgehen. Die wuchtigen Versuche müssen dann nur gültig gehalten werden, was ihm im vergangenen Jahr gut gelungen ist. Bis knapp an die 22 Meter. „Die geistern ja immer so ein bisschen rum. Das Niveau dafür habe ich bestimmt, aber das musst du halt auch vom Kopf her schaffen.“ Es muss viel zusammen passen.

Von Doha über Nacht nach Halle

Der Auftakt am Wochenende ist etwas „stressig“, mindert aber die Vorfreude nicht. Nach seinem ersten Start am Freitag in Doha, ohne Sven Lang und mit der Konzentration ganz auf sich, geht es in einer Nacht-und-Nebel-Aktion noch am gleichen Abend zurück nach Deutschland. Denn: Bei den Halleschen Werfertagen wartet am Samstag das erste Aufeinandertreffen mit dem Kölner Thomas Schmitt auf ihn, der im April mit einer Steigerung auf 21,35 Meter  für Aufsehen gesorgt hatte.

„Das ist schön, da freue ich mich schon drauf“, sagt David Storl über die neue Konkurrenzsituation. „Mal sehen, ob mich das auch ein bisschen anstachelt.“ Bisher war der Ausnahmeathlet auf deutschem Boden immer haushoch überlegen, bei den vergangenen Deutschen Meisterschaften lagen stets eineinhalb Meter Abstand zwischen ihm und Rang zwei. Dass sich daran etwas ändert, dagegen hätte er nichts. Ganz im Gegenteil: „Vielleicht gibt es mal ein nationales Duell, wäre cool.“

Ebenso in Halle: U20-Weltmeister Konrad Bukowiecki, der im März den U20-Hallen-Weltrekord (22,38 m) von „Storli“ überbot und in seinem ersten U20-Jahr die Männerkugel im Finale von Prag schon auf 20,43 beförderte. „Der ist schon ganz schön krass“, meint David Storl über den jungen Polen. Für den Anfang hat sich der Deutsche Meister eine Leistung weit darüber vorgenommen. „21,50 Meter sind als Weite durchaus realistisch.“ Nach dem Wochenende ist eine kleine Pause geplant, um zu sehen wie das Knie das alles wegsteckt.

Mit Musik in den Ring

Damit im Ring keine Langeweile aufkommt, dreht David Storl im Training Musik auf. Mit Hendrik Müller, dem älteren Bruder von U18-Weltmeister Patrick Müller, der von Neubrandenburg zu Sven Lang gewechselt hat, hat er in Chemnitz einen guten Trainingspartner. „Das passt super“, sagt der Hallen-Europameister. Charakteristischer Schwerpunkt: die Geschwindigkeit beim Angleiten erhöhen. Dabei begeistert ihn: „Was man für eine Kraft und Beschleunigung auf dem kurzen Stück in dem kleinen Ring erzeugen kann“,  beschreibt der Modellathlet.  

Läuft es im Wettkampf mal nicht optimal an, schreibt er dem objektiven Blick seines langjährigen Coachs Sven Lang, der ihn schon 2007 zum U18-WM-Titel führte, eine wichtige Rolle zu. „Selbst wenn du richtig schlecht anfängst, hat er immer noch den Blick dafür, wie man das ganze Ding wieder kippen kann.“ Zu dem erfolgreichen Betreuer-Team zählt seit 2007 auch der Doktorand Wilko Schaa vom Institut für Angewandte Trainingswissenschaften in Leipzig (IAT). Mittels Rundum-Vermessung wird die technische Entwicklung von David Storl perfektioniert.

Seine Ausbildung zum Polizeimeister hat der Athlet von SC DHfK im Februar abgeschlossen. Damit ist er das ganze Jahr freigestellt und hat im nächsten Jahr nur vier Wochen Praktikum zu absolvieren. „Das ist relativ entspannt.“ Bleibt also alle Zeit der Welt für den Sport. 2015 will er deshalb bis auf New York (USA; 13. Juni) alle Diamond League-Meetings mitmachen. Das heißt auf Doha folgen erstmals auch Teilnahmen in Eugene (USA; 30. Mai) und Rom (Italien; 4. Juni).

Diamond League-Serie und die US-Amerikaner

Dort wird der Weltmeister auf seine US-amerikanischen Konkurrenten treffen, von denen einer – Joe Kovacs (22,35 m) - schon früh in der Saison 22-Meter-Leistungen fabrizierte, was ihm nicht entgangen ist. „Die sind im Jahresverlauf im April und Mai immer sehr stark“, hat der Europameister beobachtet. „Dann normalisiert sich das alles wieder.“ Mittlerweile geht er mit solchen Drucksituationen bei Meetings entspannt um. Nur bei EM, WM und Olympia steigt der Druck. Das treibt ihn aber an. Denn klar ist für David Storl: „Ich will immer gewinnen. Dafür trainiere ich. Die Leistungen der anderen geben mir Ansporn.“

Zum ganz großen Clash kommt es erst bei der WM in Peking (China; 22. bis 30. August). Für den Titelverteidiger ist es bis zum Saison-Höhepunkt aber noch lange hin. Die unmittelbare WM-Vorbereitung beginnt für ihn nach den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg (24. bis 26. Juli). „Erst dann fängst du richtig an, dir etwas vorzunehmen.“ Bei den Vorlauf-Stationen bis Peking plant er, sich auf ein gutes Niveau über 21 Meter einzupendeln. Und: „Eigentlich wollte ich so weitermachen wie letztes Jahr.“ Also alles wie gehabt, außer vielleicht, wenn alles passt, noch die wenigen kostbaren Zentimeter draufpacken.

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