David Storl mit Zuversicht zur WM
Er ist Weltmeister, Europameister und Olympia-Zweiter – und trotzdem ist eine Medaille für Kugelstoßer David Storl bei der WM in Moskau (Russland; 10. bis 18. August) keine Selbstverständlichkeit.
Weltmeister David Storl ist für die WM zuversichtlich (Foto: Chai)
Ein lauter Schrei, dann streckt David Storl beide Fäuste zum Himmel. Eine Jubelpose, die man in diesem Sommer ganz selten vom Weltmeister aus Chemnitz gesehen hat. Beim WM-Testwettkampf vor zehn Tagen in Neuwied war der letzte Stoß auf 20,73 Meter eine Art Befreiung für den Olympia-Zweiten. „Ich wäre gern mit 21 Metern oder mehr zur WM gefahren. Aber die Weite geht nach den harten Trainingstagen in Ordnung“, sagte der Chemnitzer, der in Neuwied seinen 23. Geburtstag feierte.Das Ergebnis war ein klarer Aufwärtstrend zu den vorangegangenen Wochen, als mit 20,20 Metern in Madrid (Spanien) und glatten 20,00 Metern im böhmischen Usti nad Labem für Storl magere Weiten in den Ergebnislisten auftauchten. „Es ist alles im Plan. Ich war beim Einstoßen sogar noch deutlich besser. Das muss ich jetzt nur noch im Wettkampf umsetzen“, schaut der Titelverteidiger selbstbewusst in Richtung Moskau. Dort will der Schützling von Sven Lang „um die Medaillen mitkämpfen“.
Ryan Whiting ist weit enteilt
Der Ottonormal-Fan hält Edelmetall für den Chemnitzer nach dessen kometenhaften Aufstieg bei der WM 2011 in Daegu (Südkorea) mittlerweile für eine Selbstverständlichkeit. Die ist es aber beileibe nicht. Und schon gar nicht in diesem Jahr. Mit seiner Saisonbestleistung von 21,04 Metern rangiert der Welt- und Europameister stattliche 1,24 Meter hinter Ryan Whiting (USA), der Nummer eins der Welt. In der WM-Meldeliste belegt Storl lediglich Platz neun.
Da war die Ausgangsposition in den vergangenen beiden Jahren noch deutlich besser: 2011 reiste Storl mit sechs Wettkämpfen von 20,75 Metern weiter nach Daegu. Vor den Olympischen Spielen 2012 in London waren es sogar fünf Wettkämpfe mit Weiten jenseits der 21 Meter. Dieses konstant hohe Niveau fehlt Storl nach der ausgelassenen Hallensaison in diesem Jahr.
Doch auch von der suboptimalen Ausgangslage lässt sich der im Ring so explosive Kugel-Koloss nicht aus der Ruhe bringen. Schließlich beherrscht sein Trainer Sven Lang eines meisterhaft: seinen Schützling beim Saisonhöhepunkt in Top-Form an den Start zu schicken. In Daegu steigerte Storl zunächst seine Bestleistung in der Qualifikation um 45 Zentimeter auf 21,50 Meter, um im Finale noch einmal 28 Zentimeter draufzupacken. 2012 war er mit 21,11 Metern zur EM gereist, bei der mit 21,58 Metern triumphierte. Bei den Olympischen Spielen steigerte Storl seine Freiluft-Bestleistung dann auf 21,86 Meter.
Der Titelverteidiger glaubt fest daran, dass er sich auch in Moskau steigern wird. „Nach Neuwied habe ich noch drei Wochen Zeit, da sollte ein dreiviertel Meter machbar sein“, glaubt Storl. Und damit ist man auch schon bei Weiten angelangt, die Edelmetall versprechen. Ab 21,30 Meter werde es interessant, so Storl. Aber lieber möchte er in Moskau 21,50 bis 21,60 Meter anbieten.
Diese Bereiche hat Ryan Whiting in diesem Jahr locker drauf. Von den zehn Stößen jenseits von 21,50 Metern gehen sieben aufs Konto des Hallenweltmeisters. Wer in Moskau Gold holen will, muss den 135 Kilo schweren US-Amerikaner bezwingen. Kein leichtes Unterfangen: Die Nummer eins der Welt musste sich in diesem Jahr nur zweimal geschlagen geben. In Des Moines (USA) Ende April und Birmingham (Großbritannien) Anfang Juli hatte jeweils sein Landsmann Resse Hoffa die Nase vorn.
Das langsame linke Bein
Nach dem Wettkampf in Neuwied ging es für David Storl über Mannheim nach Kienbaum. Dort steht wie in den Vorjahren auch im Bundesleistungszentrum der Feinschliff an. Von Kienbaum aus geht es direkt Richtung Moskau. „Bis nach der WM sehe ich mein eigenes Bett nicht mehr“, lacht Storl. Neben Krafttraining baut Coach Sven Lang in Kienbaum auch noch einige „Stoßspitzen“ ins Programm ein. Mit unterschiedlich schweren Kugeln (zwischen fünf und acht Kilo) stehen pro Einheit 50 bis 60 Stöße auf dem Plan. Manchmal sogar mehr: „Ich bin ein Mensch, der nicht gleich zufrieden ist. Dann geht es immer weiter“, so Storl über den Trainingsalltag.
Speziell an einem technischen Detail wurde vor der WM noch verstärkt gearbeitet: „Mein linkes Bein ist momentan noch zu langsam“, verrät der Weltmeister. Nur wenn er das vor dem Ausstoß aktiver und zügiger setzt, sind die ganz großen Weiten möglich. Gelingt das nicht, kann er – wie zuletzt – viele Versuche nicht halten und kippt vorn aus den Ring. Auch das „besondere Kribbeln“ spielt für Storl eine wichtige Rolle: „Bei großen Wettkämpfen ist die Spannung einfach höher. Und das wird auch in Moskau so sein.“
Nicht nur der Weltmeister blieb in den vergangenen Monaten unter seinen Möglichkeiten. Auch Olympiasieger Tomasz Majewski: Der Pole kam in diesem Sommer bisher nur auf 20,89 Meter. Damit fehlt ihm exakt ein Meter zu seiner Siegesweite von London (Großbritannien). Storl kennt den Grund nur zu gut: „Nach Olympischen Spielen ist es für jeden Sportler schwer. Man muss eine Pause machen, auf andere Gedanken kommen. Trotzdem habe ich ihn in Moskau auf der Rechnung. Für die Medaillen kommen dieselben fünf, sechs Leute infrage wie 2012.“
Und damit auch David Storl. Vielleicht sieht man ihn am kommenden Freitag ja in Moskau genauso schön jubeln wie in Neuwied? Dann aber nicht vor 70, sondern vor 70.000 Zuschauern.
Quelle: Leichtathletik - Ihre Fachzeitschrift
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