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David Storl steht erst am Anfang

Kleine Schritte für große Ziele: Kugelstoß Welt- und Europameister David Storl feilt rund elf Wochen nach seiner Knie-Operation im Trainingslager in Südafrika an seiner Form. Es geht gut voran, aber überstürzen will der 24-Jährige nichts. Die Hallensaison: kein Muss. Die Freiluft-Saison: nur eine Station in der langfristigen Planung – aber eine, in der er Geschichte schreiben kann. Bevor er Anlauf nimmt auf möglicherweise drei weitere Olympia-Teilnahmen.
Silke Morrissey

Dass der Weltmeister in Stellenbosch trainiert hat sich rumgesprochen. Eine Gruppe südafrikanischer Nachwuchs-Athleten ist mit Trainern in den Kraftraum des Sportkomplexes gekommen, um David Storl beim Training zuzusehen. Der 24-Jährige lässt sich davon nicht aus der Ruhe bringen, spult sein Programm ab und nimmt sich dann Zeit für Fotos, ein Pläuschchen und Autogramme. „Die waren echt nett“, sagt er, als die Gruppe den Raum verlassen hat.

David Storl ist gut drauf, und das hat vor allem einen Grund: Das linke Knie spielt wieder mit. Der Eingriff an der Patellasehne ist gut verlaufen, der Heilungsprozess ebenso. Schon am Tag nach der OP konnte er ohne Krücken laufen, nur zwei kleine Einstiche links und rechts neben der Kniescheibe zeugen heute noch vom Eingriff.

In der Saisonvorbereitung macht der 1,99-Meter-Hüne rasante Fortschritte. Vor viereinhalb Wochen ging’s beim Bankdrücken los mit 105 Kilogramm, fünfmal zehn Wiederholungen. Mittlerweile ist David Storl bei 145 Kilo angekommen. „Jede Woche zehn Kilo mehr, das ist beachtlich!“, sagt sein Trainer Sven Lang. „Davids Vorteil ist, dass er schnell an Muskelmasse zulegt.“

Top-Saison trotz Knieschmerzen

Im Trainingslager des DLV TopTeams in Südafrika tastet sich Storl nun langsam an seine Topform und komplette Bewegungsabläufe heran. Angst das Knie zu belasten hat er keine mehr, trotzdem muss er Vorsicht walten lassen. „Ich mache erst einmal das, was geht“, sagt er. Krafttraining ohne tiefe Kniebeugen zum Beispiel, oder Läufe auf dem Rasen. Auch Standstöße stehen schon wieder auf dem Programm. Wenn alles passt, soll die Kugel Mitte Dezember das erste Mal wieder richtig fliegen. „Aber man kann das nicht erzwingen – man weiß ja nicht, wie es weiter geht, es kann auch wieder Rückschritte geben.“

Der Welt- und Europameister will nichts überstürzen. Schließlich hat er sich das gesamte letzte Jahr mit Knieproblemen herumgeschlagen. „In den Phasen der höchsten Belastung mussten wir regelmäßig Druck rausnehmen“, erklärt Sven Lang. Umso beachtlicher, dass Storl dennoch die beste Saison seiner Karriere absolvierte. Der Schnitt seiner fünf besten Stöße lag über seiner Bestleistung des Vorjahres, in 18 von 19 Wettkämpfen (die Qualifikation bei der EM in Zürich ausgenommen) hat er die 21-Meter-Marke übertroffen.

Zu den magischen 22 Metern fehlen nach seiner neuen Bestleistung von 21,97 Metern winzige drei Zentimeter. „Ich habe den Wettkampf in London ja gesehen“, erinnert sich Sven Lang. „Der Stoß war eigentlich drüber - wer diese Weite im Sand stößt, hat die 22 Meter schon geschafft.“ Der Schlüssel zum Erfolg: eine deutlich stabilere Technik. Während David Storl 2013 noch regelmäßig ungültige Versuche produzierte, kann er die Stöße jetzt im Ring halten. Wettkämpfe mit vier oder fünf Gültigen wurden 2014 von der Ausnahme zur Regel.

Hallenstarts noch offen

Ob David Storl noch in der Hallensaison Wettkämpfe bestreiten wird, steht noch nicht fest. „Ich will nicht das Risiko eingehen, wieder ganz von vorne anfangen zu müssen“, sagt er. „Aber wenn’s gut klappt, mache ich ein, zwei Wettkämpfe.“ Wie schon 2011, als er die Hallensaison mit dem deutschen Hallentitel begann und eine Woche später mit Silber bei der Hallen-EM wieder beendete.

Für die nächsten Wettkämpfe wird David Storl zum ersten Mal seit zehn Jahren nicht das Trikot des LAC Erdgas Chemnitz überstreifen. Er hat einen Vertrag beim SC DHfK Leipzig unterschrieben. Aus Blau wird Weiß-Grün – eine Farbe, an die sich die Zuschauer gewöhnen könnten. Denn der 24-Jährige steht noch immer erst am Anfang seiner Karriere, auch wenn er schon zwei WM-Goldmedaillen, zwei Europameister-Titel und Olympia-Silber in der Tasche hat.

„Eigentlich müsste jetzt irgendwann der zweite biologische Schub einsetzen“, erklärt Sven Lang. „Früher hat man gesagt, das Kugelstoßen geht mit 24, 25 Jahren erst so richtig los!“ Noch bessere körperliche Voraussetzungen gepaart mit einer mittlerweile stabilen Technik und zumindest aktuell keine körperlichen Beschwerden – vom jüngsten Doppel-Weltmeister aller Zeiten ist noch so einiges zu erwarten. Zumal er im Februar seine Ausbildung als Polizeikommissar bei der Bundespolizei abschließt und dann, abgesehen von vierwöchigen Praktikumsphasen, komplett für den Sport freigestellt ist.

Planung bis 2024

Auch wenn es kaum vorstellbar scheint – der junge Sachsen könnte noch mindestens zehn weitere Jahre Leistungssport vor sich haben, wenn er nicht selbst auf die Bremse tritt. Aber das hat David Storl nicht vor. „Ich will so lange weiter machen, wie es geht!“ sagt er. Sven Lang pflichtet ihm bei: „Wenn er gesund bleibt, sind drei weitere Olympische Spiele realistisch.“ 2024 wäre der Kugelstoßer 34 Jahre alt – und damit genauso alt wie aktuell die meisten seiner Konkurrenten.

Die Weltmeisterschaften 2015 in Peking erscheinen da fast nur als Durchgangsstation. Aber hier könnte David Storl im Sommer Geschichte schreiben: Nach dem Schweizer Werner Günthör, dessen Leistungen allerdings einher gehen mit Dopingvorwürfen, könnte der junge Deutsche der zweite Athlet werde, der drei Weltmeister-Titel in Folge gewinnt – und das im Alter von dann 25 Jahren.

Druck verspürt David Storl dennoch keinen. „Ich weiß ja auch schon wie es ist, Zweiter zu werden“, sagt er gelassen. Da muss aber erst einmal jemand kommen, der ihn schlagen kann. Und Storl ist auf einem guten Weg dahin, der Konkurrenz das noch schwerer zu machen. „Wenn es mit dem Knie so weiter geht, wird das hoffentlich ein gutes Jahr!“, blickt er voraus. „Das wird dann entspannter, im Training und in den Wettkämpfen.“

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