Der Gänsehaut entkommt keiner
Es war der Moment, in dem der Kindheitstraum von Adam Gemili so weit entfernt war wie vielleicht noch nie. Fußballprofi wollte er werden mit seinem Talent beim Spiel mit dem runden Leder. Doch am Samstagvormittag flippten im Londoner Olympiastadion 80.000 Landsleute schon bei seiner Vorstellung im Vorlauf aus und das nur weil er so schnell sprinten kann, ohne dabei auch noch aufs Tor zu schießen.
Sein Lächeln wurde in dem Augenblick breit und breiter. Jeder konnte es auf der Videowand sehen und kaum einer dürfte der Gänsehaut entkommen sein. Nicht einmal Jamaikas Superstar Usain Bolt oder Kollege Dwain Chambers bekamen soviel auf die Ohren.Der 18-Jährige, dessen Stern im Juni beim Meeting in Regensburg mit einer Zeit von 10,08 Sekunden über 100 Meter erstmals so richtig erstrahlte, wurde überwältig von den Emotionen, die ihm zuflogen. „Ins Olympiastadion zu kommen und dann diese Unterstützung zu erhalten, das ist einfach unglaublich“, sagte er danach mit dem Einzug in Runde zwei auf der Habenseite und der damit verbundenen Gewissheit, dass er das alles in diesen Tagen noch öfter erleben wird können.
Jessica Ennis der Liebling der Massen
Eine in seiner Mannschaft hat es noch besser. Jessica Ennis darf dieses unglaubliche Gefühl im Siebenkampf gleich zwei Tage lang auskosten, ist dann auch noch im Hürdensprint gemeldet. Das passt, schließlich ist sie schon jetzt der ganz große Publikumsliebling. Sie wird von Disziplin zu Disziplin getragen und so zu ihrem avisierten Olympiasieg gepusht.
Eins steht schon jetzt fest: Die Briten lieben ihre Leichtathleten, aber nicht nur die eigenen. Sie haben auch Respekt vor den Gegnern. Kugelstoßer Ralf Bartels hatte deshalb schon nach dem ersten Vormittag den Hut vor den Zuschauern gezogen. „Wenn die Leute so fair mitgehen wie hier, dann ist das schon ein besonderes Erlebnis“, sagte der Neubrandenburger. Dieses besondere Erlebnis teilen bislang all seine Teamkollegen praktisch ohne Ausnahme.
Die Haare zu Berge
Deutschlands schnellste Sprinterin, Verena Sailer (MTG Mannheim), fand es einfach nur „cool“ und grinste dabei glücklich in sich hinein. Ihre junge Kollegin Tatjana Pinto war nach dem Vorlauf nicht weniger überwältigt: „Es ist ziemlich laut, das ist echt der Hammer. Ich bin noch nie vor so vielen Leuten gestartet. Deshalb muss man damit erst einmal umgehen können. Ich habe echt Gänsehaut gekriegt, als die 80.000 Menschen rumgeschrieen haben.“ Die 20-Jährige von der LG Ratio Münster wird nicht die Letzte gewesen sein, der er so ergeht.
Auch mehr oder weniger alte Hasen empfinden so. Siebenkämpferin Jennifer Oeser, mittlerweile international seit sechs Jahren gestählt, standen „die Haare zu Berge“. Die Leverkusenerin fühlte sich an die Heim-WM 2009 in Berlin erinnert. Ihre Kollegin Julia Mächtig (SC Neubrandenburg) fand es echt Wahnsinn, „wie viele Leute hier sind und wie die alle brüllen, wenn Jessica Ennis dran ist.“
Lisa Ryzih fühlt sich umarmt
Stabhochspringerin Lisa Ryzih (ABC Ludwigshafen) baute schon in der Qualifikation eine innige Beziehung zu dem Rund auf: „Die Tribüne umarmt einen, wenn die Leute von oben herab gucken.“ Martina Strutz fand „80.000 in der Quali“ einfach nur „geil“ und berichtete: „Die feiern, das ist der Hammer.“ Die Leverkusener Kollegin der beiden, Silke Spiegelburg, fasste es mit ihren Worten nicht weniger begeistert zusammen: „Es ist eine wirklich ganz tolle Atmosphäre. Die Leute machen super mit und es ist egal, wer gerade dran ist. Sie gehen total ab.“
Die Leichtathletik ist damit an den ersten beiden Tagen ihrer zehn Olympischen Tage schon zu einer Art Straßenfeger geworden und lockt die Fans in den Olympiapark in Stratford. Es sorgte für so manch erstaunten Blick, als sich am Freitag und Samstag schon um 10 Uhr morgens alle Ränge füllten und erst wieder leerten, als sich Jessica Ennis vorübergehend zu ihrer Wettkampfpause zurückzog. Auch Lamine Diack, Präsident des Weltverbandes IAAF, staunte: „Ich kann mich nicht erinnern, wann es sowas zum letzten Mal gab.“
Die nächsten Tage werden noch zeigen müssen, wie sich der Zuschauerzuspruch weiter entwickelt. Aber der Boden für stimmungsvolle Leichtathletik-Wettkämpfe bei den Olympischen Spielen in London hätte nicht besser bereitet werden können. Es werden noch etliche Gänsehaut-Momente folgen. Und denen entkommt keiner.
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