11.12.2014 | Rückblick

Der große Disziplin-Check 2014 – Diskuswurf Frauen

Pamela Ruprecht

Das Leichtathletik-Jahr 2014 ist fast Geschichte. Hinter den Topathleten liegen die EM in Zürich (Schweiz), die Team-EM in Braunschweig und die Hallen-WM in Sopot (Polen). Der Nachwuchs hat bei der U20-WM in Eugene (USA) und den Olympischen Jugendspielen in Nanjing (China) internationale Erfahrungen gesammelt. Zeit zurückzublicken – und die deutschen Leistungen in den einzelnen Disziplingruppen genauer unter die Lupe zu nehmen. Heute: Diskuswurf der Frauen.

2014 im Rückblick

Es war der Sommer einer Diskus-Dame: Shanice Craft. Die Mannheimerin steigerte in Ulm ihre Bestleistung auf 65,88 Meter und holte sich damit den ersten DM-Titel. Die Krönung folgte wenig später mit der EM-Bronzemedaille in Zürich (Schweiz). Mit ihrer Lockerheit geht es weit, sie ist der absolute Wettkampf-Typ. Seit 2009 hat die 21-Jährige in jedem Jahr mindestens eine internationale Medaille abgeräumt, darunter auch Erfolge mit der Kugel (17,47 m). 2012 und 2013 gab es sogar je zwei Medaillen mit beiden Wurfgeräten. Als Doppel-U23-Vizeeuropameisterin ist der Übergang zu den Aktiven mehr als geglückt.

Zwei DLV-Werferinnen setzten zu Saisonbeginn noch weitere Marken. Die EM-Zweite von 2012 Nadine Müller (noch Hallesche Leichtathletik-Freunde) musste allerdings dem Knieschmerz nachgeben und die Saison abbrechen. Ihre Bestweite bis dahin 67,30 Meter - die zweitbeste in Europa. Die drittbeste stammt von Julia Fischer (SCC Berlin). Beim Werfercup in Wiesbaden flog ihre Diskusscheibe soweit wie nie zuvor (66,46 m). In Zürich sprang wie 2012 Platz fünf für die 24-Jährige heraus.

Ihr Resultat von 2012 wiederholte auch Anna Rüh (SC Neubrandenburg). Obwohl die U20-Weltmeisterin von vor zwei Jahren schon bessere Würfe gezaubert hat, war Rang vier ein Erfolg und die Reihe der Plätze drei bis fünf für das DLV-Team komplett. Mit Kristin Pudenz (SC Potsdam), die in diesem Jahr ihren ersten 60-Meter-Wurf erwischte, stellen die Deutschen die Hälfte der europäischen Top Acht - viele davon sehr jung.

In der Jugendklasse tummelt sich ebenfalls ein junges Talent. Claudine Vita (SC Neubrandenburg) behauptete in Eugene den fünften Platz bei der U20-WM, der übergetretene sechste Versuch wäre eine Medaille gewesen. Ihrer Vereinskollegin Lara Kempka gelang mit Bronze wie allen nach China mitgereisten DLV-Werfern der Sprung auf das Podium der Olympischen Jugendspiele.

Unsere Top Drei

Shanice Craft
MTG Mannheim, 21 Jahre
SB: 65,88 m | PB: 65,88 m (2014)
DM: 1. Platz
EM: 3. Platz
DLV-Jahresbestenliste: 3.
Europäische Bestenliste: 4.
Welt-Jahresbestenliste: 7.

Nadine Müller
Hallesche Leichtathletik-Freunde, 28 Jahre
SB: 67,30 m | PB: 68,89 m (2012)
DM: -
EM: -
DLV-Jahresbestenliste: 1.
Europäische Bestenliste: 2.
Welt-Jahresbestenlisten: 4.

Julia Fischer
SCC Berlin, 24 Jahre
SB: 66,46 m | PB: 66,46 m (2014)
DM: 2. Platz
EM: 5. Platz
DLV-Jahresbestenliste: 2.
Europäische Bestenliste: 3.
Welt-Jahresbestenlisten: 5.

Der Pechvogel

Nadine Müller
Hallesche Leichtathletik-Freunde, 28 Jahre
SB: 67,30 m | PB: 68,89 m (2012)

Mit Heimvorteil erzielte die WM-Zweite von 2011 bei den Halleschen Werfertagen eine Spitzenweite über 67 Meter. Damit hätte Nadine Müller in Zürich hinter der überragenden Sandra Perković aus Kroatien ziemlich gute Chancen auf Silber gehabt. Nur: der Körper streikte, das rechte Knie. Zum ersten Mal in ihrer Karriere musste die 27-Jährige eine Wettkampfsaison mittendrin abbrechen. Schon einfachste Bewegungen waren schmerzhaft, Ruhepause war angesagt. Mittlerweile scheint ein Rezept gegen die Schmerzen gefunden, die Olympia-Vierte hat das Training wieder aufgenommen.

Unsere Hoffnungsträgerin

Claudine Vita
SC Neubrandenburg, 18 Jahre
SB: 56,98 m | PB 56,98 m (2014)

Ein Übertritt machte ihre zweite internationale Medaille in Eugene noch zunichte. Bei der U20-EM nächstes Jahr hat die U18-Vize-Weltmeisterin von 2012 eine neue Chance, war Claudine Vita doch in den USA die beste Europäerin. Sie ist national absolute Spitze. Mit mehr als zehn Metern Vorsprung hat sie die Jugend-DM in Wattenscheid dominiert. In Neubrandenburg trainiert die 18-Jährige bei Dieter Kollark – auch der Trainer von Anna Rüh - und Ex-Weltmeisterin Franka Dietzsch. Sie bringt gute athletische Voraussetzungen mit, im Block Wurf gewann Vita den deutschen Titel in der Altersklasse W14 und W15.

2015 im Ausblick

Vorausgesetzt Nadine Müller ist nächstes Jahr wieder fit, werden wohl vier Werferinnen um die drei WM-Startplätze für Peking (China) kämpfen: Neben Müller sind das Shanice Craft, Julia Fischer und Anna Rüh, die auf ihrer Homepage von 70 Metern träumt. Eine Medaille ist eine Herausforderung, aber nicht unrealistisch. Ganz sicher können die DLV-Athletinnen wieder geballt unter den Top Acht landen.

Craft und Rüh werden auch die U23-EM in Tallinn (Estland) mitnehmen. Kristin Pudenz könnte ein sehr starkes DLV-Trio für Estland komplettieren. Denn diese drei Athletinnen führen 2014 gemeinsam die Europäische Bestenliste der Junioren an. Aus den anderen Nationen kam sonst keine mit dem Diskus über die 60-Meter-Schwelle. Medaillen sind also vorprogrammiert.

Und auch mit Claudine Vita tritt bei der U20-EM in Eskilstuna (Schweden) die derzeit Beste in Europa, Nummer fünf in der Welt, in den benetzten Ring. Diesmal winkt die Medaille. Ihre ein Jahr jüngere Vereinskollegin Lara Kempka ist im ersten U20-Jahr gut für einen Finaleinzug. Mit 52,03 Metern hat sie es schon auf Nummer acht des Kontinents gebracht.

Potentielle U18-WM-Teilnehmerin für Cali (Kolumbien) ist Julia Ritter (SuS Oberaden), die auch als Kugelstoßerin unterwegs ist und in Wattenscheid mit einer 17-Meter-Serie Vizemeisterin wurde. Vielleicht schafft sie es, sich den 50 Metern zu nähern. Drei Meter fehlen dazu noch.

Das sagt der Bundestrainer

Herr Goldmann, wie fällt Ihre Bilanz für das EM-Jahr 2014 aus?

Werner Goldmann:
Im Grunde genommen sehr positiv. Leider musste unsere beste Athletin, Nadine Müller, aus gesundheitlichen Gründen absagen und fehlte so auch in Zürich. Aber die anderen drei haben sich wirklich wacker geschlagen. Shanice Craft hat mit einer ganz tollen Leistung den dritten Platz gemacht. Dazu Anna Rüh und Juli Fischer auf vier und fünf. Scherzhaft habe ich gesagt, dass wir die Mannschaftswertung gewonnen haben. Auch wenn es nicht ganz einfach war durch den Ausfall von Müller, haben sich die drei dort sehr gut platziert und gute Leistungen gebracht.

Was oder wer war für Sie das ganz persönliche Highlight der vergangenen Monate?

Werner Goldmann:
Shanice Craft. Bei ihrem ersten internationalen Start bei den Erwachsenen macht sie gleich eine Medaille. Das ist schon toll. Sie ist die Überfliegerin dieser Saison und hat eine tolle Entwicklung gemacht.

Mit welchen Aufgaben und Zielen gehen Sie in die kommende Saison?

Werner Goldmann:
Wir wollen natürlich wieder mit drei Athletinnen in Peking starten. Ich hoffe, dass die gesundheitlichen Probleme bei Nadine nicht wieder auftreten und sie unsere Truppe wieder verstärken kann. Ich denke, das Ziel muss sein, mit den drei, die wir an den Start bringen werden, uns unter den ersten Acht zu platzieren. Und natürlich die Medaille sollte ein Ziel sein, auch wenn das bei Weltmeisterschaften schon ein bisschen schwerer wird. Da gibt es ein paar, die auch werfen können.

Zahlen und Fakten

Die Jahresbesten
67,30 m - Nadine Müller (noch Hallesche Leichtathletk-Freunde)
66,46 m - Julia Fischer (SCC Berlin)
65,88 m - Shanice Craft (MTG Mannheim)
64,17 m - Anna Rüh (SC Neubrandenburg)
60,89 m - Kristin Pudenz (SC Potsdam)
60,35 m - Sabine Rumpf (LSG Goldener Grund Selters)
59,32 m - Heike Koderisch (SC Magdeburg)
57,36 m - Marike Steinacker (TSV Bayer Leverkusen)
56,98 m - Claudine Vita (SC Neubrandenburg)
56,80 m - Julia Bremser (LSG Goldener Grund Selters)

Internationale Endkampf-Platzierungen 2014
EM: Shanice Craft (Bronze; 64,33 m), Anna Rüh (4. Platz; 62,46 m), Julia Fischer (5. Platz; 61,20 m)
U20-WM: Claudine Vita (5. Platz; 55,58 m)
Olympische Jugendspiele: Lara Kempka (Bronze; 50,70 m)

Entwicklung des Spitzenniveaus

Jahr	Athleten > 62,00	Top Ten Schnitt
2005	Franka Dietzsch (66,56)	58,67
2006	Franka Dietzsch (68,51)	58,50
2007	Franka Dietzsch (68,06), Nadine Müller (62,93), Jana Tucholke (62,31)	58,90
2008	keine	58,31
2009	Nadine Müller (63,43 ), Franka Dietzsch (62,50)	58,36
2010	Nadine Müller (67,78), Sabine Rumpf (62,21)	58,12
2011	Nadine Müller (66,99)	59,36
2012	Nadine Müller (68,89), Julia Fischer (64,22), Anna Rüh (63,38 m), Shanice Craft (62,92 m)	61,73
2013	Nadine Müller (66,69), Julia Fischer (66,04), Anna Rüh (64,33 m)	60,96
2014	Nadine Müller (67,30), Julia Fischer (66,46), Shanice Craft (65,88), Anna Rüh (64,17)	61,55

Entwicklung der Jahresbestleistungen

Jahr	Deutschland	Europa	Diff.	Welt	Diff.
2005	66,56 (F. Dietzsch)	66,81 (Cechlová/CZE)	0,25	66,81 (Cechlová/CZE)	0,25
2006	68,51 (F. Dietzsch)	68,51 (F. Dietzsch)	0,00	68,51 (F. Dietzsch)	0,00
2007	68,06 (F. Dietzsch)	68,06 (F. Dietzsch)	0,00	68,06 (F. Dietzsch)	0,00
2008	61,81 (S. Rumpf)	67,89 (Yatchenko/BLR)	6,08	67,89 (Yatchenko/BLR)	6,08
2009	63,43 (N. Müller)	65,40 (Sadova/RUS)	1,97	66,40 m (Li/CHN)	2,97
2010	67,78 (N. Müller)	67,78 (N. Müller)	0,00	67,78 (N. Müller)	0,00
2011	66,99 (N. Müller)	67,96 (Perković/CRO)	0,96	67,98 (Li/CHN)	0,98
2012	68,89 (N. Müller)	69,11 (Perković/CRO)	0,22	69,11 (Perković/CRO)	0,22
2013	66,69 (N. Müller)	68,96 (Perkovic/CRO)	2,30	68,96 (Perkovic/CRO)	2,30
2014	67,30 (N. Müller)	71,08 (Perković/CRO)	2,78	71,08 (Perković/CRO)	2,78

Das fällt auf

Der zweithöchste TopTen-Schnitt der letzten zehn Jahre, nur im Olympiajahr 2012 war er knapp besser. Der Trend von einem Durchschnitt über 60 Meter setzt sich fort.
Zum zweiten Mal in den vergangenen Jahren gelingt es vier DLV-Werferinnen, die 62-Meter-Marke zu übertreffen.
Nadine Müller stellt zum sechsten Mal in Folge die deutsche Jahresbestweite auf.
Europameisterin Sandra Perković schaffte den ersten Wurf über 71 Meter der zurückliegenden Jahre.
Nur die chinesische Ex-Weltmeisterin Li Yanfeng konnte zweimal die europäische Phalanx durchbrechen und 2009 und 2011 die besten Weiten des Jahres erzielen.