Der große Disziplin-Check 2014 – Siebenkampf

Das Siebenkampf-Jahr hatte viel zu bieten, allen voran eine Rückkehrerin, Lilli Schwarzkopf (LG Hannover), und eine Newcomerin, Carolin Schäfer (noch LG Eintracht Frankfurt). Den internationalen Saisonbeginn machte aber Vereinskollegin Claudia Rath. Die WM-Vierte von Moskau (Russland) zeigte bei der Hallen-WM in Sopot (Polen) einen starken Fünfkampf, der Position fünf einbrachte und eigentlich Mut für die Freiluftsaison machte.  

Während es für Rath dort nicht ganz nach ihrer Vorstellung lief, es begann mit drei ungültigen Weitsprung-Versuchen beim Mehrkampf-Meeting in Götzis (Österreich) und endete mit Rang acht bei der EM in Zürich (Schweiz), kämpfte sich die lange verletzte Schwarzkopf zurück und die junge Carolin Schäfer nach vorne – mit Bestleistung bis in die Nähe einer EM-Medaille. Zum Schluss fehlten nur 28 Punkte auf Bronze trotz Teamwork: Ihre Trainingskameradin Rath engagierte sich über die 800 Meter als Tempomacherin und verzichtete auf eigene Punkte.

Die EM-Vierte steigerte sich in dieser Saison in zahlreichen Disziplinen. Von 5.972 Punkten aus dem Vorjahr ging es auf 6.395 Punkte. Der Durchbruch in der Frauenklasse ist geschafft, die kleine Flaute nach sehr frühen und großen Erfolgen in der Jugend überwunden. 2007 war Carolin Schäfer U18-Weltmeisterin, ein Jahr später schon U20-Weltmeisterin. Nun ist auch bei den Erwachsenen die Spitze in Sicht.

Einen Ort, den Lilli Schwarzkopf gut kennt und durch eine schwere Achillessehnenverletzung 2012 verloren hat. Die Olympia-Zweite von London (Großbritannien) hat mit ihrem Sieg in Ratingen, einer Saisonbestleistung von 6.428 Punkten und Rang fünf bei der EM alte Stärken aufblitzen lassen und ist glücklich, wieder im Siebenkampf-Zirkus dabei zu sein. Ihre Hochsprung-Bestmarke (1,84 m) hat die 31-Jährige nach oben geschraubt, nur an Schnelligkeit fehlt es noch. 

Daran wollte auch Julia Mächtig feilen. Nur musste sich die Neubrandenburgerin bei der Ausscheidung für Zürich wegen Achillessehnenproblemen vorzeitig aus der Saison verabschieden. Noch eher und bitterer traf es eine weitere Kandidatin für ein EM-Ticket. Kira Biesenbach (TSV Bayer 04 Leverkusen) riss sich im April das Kreuzband.

Aus erfreulichem Anlass nicht auf der Wettkampfbühne war eine weitere Leverkusenerin: Jennifer Oeser. Die WM-Dritte von 2011 ist im Oktober Mutter geworden und plant mit Olympia 2016.

Schaut man auf den Nachwuchs, dann haben U18-Weltmeisterin Celina Leffler (SSC Koblenz-Karthause) und Louisa Grauvogel (LG Saar 70) bei der U20-WM in Eugene überzeugt. Hinter einem Top-Trio, das Weltklasse-Leistungen bot, belegten die beiden DLV-Athletinnen unter schwierigen Bedingungen Platz vier und fünf, Grauvogel sogar mit Bestleistung. Nicht im Programm ist der Mehrkampf bei den Olympischen Jugendspielen gewesen.

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail carolin-schaefer>Carolin Schäfer

LG Eintracht Frankfurt, 22  Jahre
SB: 6.395 Punkte | PB: 6.395 Punkte (2014)
EM: 4. Platz | Götzis: 6. Platz | Ratingen: -
DLV-Jahresbestenliste: 2.
Europäische Bestenliste: 8.
Welt-Jahresbestenlisten: 10.

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail claudia-rath>Claudia Rath

LG Eintracht Frankfurt, 28  Jahre
SB: 6.314 Punkte | PB: 6.462 Punkte (2013)
EM: 8. Platz | Götzis: - | Ratingen: 2. Platz
DLV-Jahresbestenliste: 3.
Europäische Bestenliste: 12.
Welt-Jahresbestenlisten: 14.

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail kira-biesenbach>Kira Biesenbach

TSV Bayer 04 Leverkusen, 22 Jahre 
SB: - | PB: 6.185 Punkte (2013)

Kira Biesenbach war im Mehrkampf die Aufsteigerin des letzten Sommers. Die U23-Vize-Europameisterin durfte im selben Jahr ihre WM-Premiere in Moskau feiern. So sollte es dieses Jahr weitergehen. Doch im April kam eine schwere Verletzung dazwischen. Beim Hürdentraining blieb die 22-Jährige hängen und riss sich das Kreuzband im rechten Knie, ihrem Sprungbein. Im Oktober konnte die Leverkusenerin wieder wie ihre Disziplinkolleginnen in die Vorbereitung auf 2015 einsteigen. Ihr Ziel: das Bein fit kriegen und für eine Olympia-Teilnahme kämpfen.

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail celina-leffler>Celina Leffler

SSC Koblenz-Karthause, 18 Jahre
SB: 5.846 Punkte | PB: 5.846 Punkte (2014)

Klar will man als U18-Weltmeisterin auch bei der U20-WM eine Medaille holen. Aber wer den Wettkampf in Eugene mitverfolgt hat, versteht, dass das dieses Jahr – dem ersten U20-Jahr von Celina Leffler – aufgrund des hohen Niveaus nicht einfach war. Die Koblenzerin kann daher gut auf dem ersten Platz nach dem Podium aufbauen und sich für die kommende U20-EM die nächste Chance ausrechnen - genau wie Louisa Grauvogel, die sich ähnlich stark präsentierte.

Sie hat einen Lauf. Deshalb tritt Carolin Schäfer auch zum Fünfkampf der Hallen-EM in Prag (Tschechien) an, als einzige Athletin im deutschen Trikot. Gelingt der Zweiten der Combined Challenge Wertung ein weiterer hochklassiger Wettbewerb, winkt vielleicht die Medaille, die sie draußen in Zürich noch knapp verpasste. 

Siebenkampf-Neuling Cindy Roleder (LAZ Leipzig) hofft, in der neuen Freiluftsaison weiter Punkte auf ihre 5.728 draufzuschlagen. Im Wurfbereich hat sie noch Luft nach oben. Richtung 6.000er-Marke soll es gehen. Für eine internationale Meisterschaft ist es für die EM-Dritte im Hürdensprint wohl noch zu früh. Im Fokus steht daher ab Juli die Qualifikation für die WM in Peking (China) über 100 Meter Hürden.

Um die WM-Tickets werden neben den diesjährigen drei EM-Starterinnen voraussichtlich die beiden Gesundeten, Julia Mächtig und Kira Biesenbach, konkurrieren. Bei der Leverkusenerin bleibt abzuwarten, ob 2015 schon wieder ihr Jahr ist oder ob es nach dem Verletzungs-Comeback noch Zeit braucht. Mächtig will im Falle einer WM-Teilnahme, anders als früher, mehr als nur dabei sein. 

Für Schwarzkopf und Schäfer sind insgesamt Punktesteigerungen drin. Die Ratingen-Siegerin kann verletzungsbedingt versäumte Trainingsmonate aufholen. Schäfer hat ihr Potential noch nicht ausgereizt und will sich bis Olympia mindestens bis 6.500 Punkte entwickeln. Solche Maßstäbe verlangt auch eine Medaille. Dass eine deutsche Mehrkämpferin dem WM-Treppchen sehr nahe kommen kann, hat zuletzt Rath in Moskau gezeigt. Ein DLV-Trio unter den besten Zehn der Welt wäre ein schöner WM-Auftritt.

In der Juniorenklasse gibt es momentan nicht viele Athletinnen, die sich für die U23-EM in Tallinn (Estland) empfehlen. Alexandra Wester vom USC Mainz hat nach einer längeren Abwesenheit vom Siebenkampf 5.523 Punkte aufgestellt und damit einen Platz unter den Top Ten drauf. Allerdings geht sie demnächst zum Studium nach Miami (USA).

Bei der U20-EM in Eskilstuna (Schweden) kann Celina Leffler einen neuen Angriff auf eine Medaille starten. An ihrer Seite wird vermutlich wieder Louisa Grauvogel sein, die eine ähnliche Platzierung wie in Eugene anpeilen kann. Die aussichtsreichste U18-WM-Teilnehmerin für Cali (Kolumbien) ist die Deutsche Jugend-Vizemeisterin Lisa Maihöfer (LG Staufen). In Bernhausen sammelte sie 5.567 Zähler, in Eberstadt gewann die 16-Jährige den Nachwuchs-Hochsprung mit 1,81 Meter.

Herr Kühne, wie fällt Ihre Bilanz für das EM-Jahr 2014 aus?

Wolfgang Kühne:
Im Großen und Ganzen positiv. Wir hatten drei Starterinnen bei der EM und haben dort ein gutes bis sehr gutes Ergebnis erreicht, das individuell zu sehen ist. Carolin Schäfer hat den Sprung gemacht, den wir schon ein, zwei Jahre erwartet haben. Bei ihr ist auch noch Potential nach oben zu erkennen. Außerdem haben wir ein ganz starkes Comeback von Lilli Schwarzkopf gesehen, die mit ihrem fünften Platz persönlich sicher nicht ganz zufrieden war, aber ich war von ihrem Auftritt doch positiv angetan.

Dazu der achte Platz von Claudia Rath, der ein besonderer Dank gebührt. Sie hat sich im abschließenden 800-Meter-Lauf vor Caro Schäfer gespannt und hat probiert, im Sinne eines noch stärkeren Ergebnisses, Caro zu einer super Zeit zu ziehen. Man muss wissen, dass sie dafür 100 Punkte verschenkt hat. Was bedeutet, dass sie sonst Sechste hätte werden können. Deshalb bin ich auch mit ihrem Ergebnis ganz zufrieden.

Was oder wer war für Sie das ganz persönliche Highlight der vergangenen Monate?

Wolfgang Kühne:
Carolin Schäfer, die nicht nur einen tollen Wettkampf gemacht hat, sondern mit Götzis, Zürich und hinten raus Talence drei hochkarätige Wettkämpfe absolviert hat und sich damit auch den zweiten Platz in der Challenge-Wertung erkämpft hat. Ich glaube, das gibt ihr auch Mut Richtung Olympia 2016. Sie hat gesehen, dass sie im Konzert der Großen durchaus mitspielen kann. Und wir haben gesehen, dass es noch Potenzial bei ihr gibt. 

Wer die Entwicklung der Weltbestenliste der letzten Jahre im Siebenkampf beobachtet hat, der kann deutlich erkennen, dass eine neue Generation heranwächst, zu der auch Caro gehört. Aber es gibt im nächsten Jahr wahrscheinlich auch einige, die wieder zurückkommen. Sprich Jennifer Ennis, vielleicht auch Tatyana Chernova. Nicht vergessen möchte ich Jennifer Oeser. Sie wird sich nach der Geburt ihres Sohnes hoch motiviert auf die nächsten zwei Jahre vorbereiten. Es wird also hochinteressant. Wenn man in Rio vorne dabei sein will, eine Medaille haben will, muss man schon deutlich über 6.600 Punkte machen. Dazu ist auch eine Carolin Schäfer nach diesem Ergebnis in der Lage.

Mit welchen Aufgaben und Zielen gehen Sie in die kommende Saison?

Wolfgang Kühne:
Wir stehen am Anfang der Vorbereitung auf die Saison 2015. Es ist die vorolympische Saison, da werden die Weichen gestellt. Da sollte man sich schon positionieren im Weltranking und so werden die Athletinnen auch rangehen. Ziele konkret für den Siebenkampf sind erstmal drei Starterinnen bei der WM in Peking. Und ich hoffe, dass sich alle drei unter den besten Acht platzieren. 

Die Jahresbesten

6.426 Punkte - Lilli Schwarzkopf  (LG Hannover)  
(13,82 – 1,84 – 14,45 – 25,68 – 6,20 – 52,50 – 2:12,85)
6.395 Punkte - Carolin Schäfer (LG Eintracht Frankfurt)
(13,20 – 1,82 – 13,37 – 23,84 – 6,30 – 44,19 – 2:17,39)
6.314 Punkte - Claudia Rath (LG Eintracht Frankfurt)  
(13,47 – 1,75 – 13,08 – 24,20 – 6,41 – 41,39 – 2:09,20)
6.106 Punkte - Julia Mächtig (SC Neubrandenburg)  
(14,31 – 1,72 – 15,52 – 24,94 – 6,23 – 43,07 – 2:17,57)
6.038 Punkte - Maren Schwerdtner (Hannover 96)  
(13,61 – 1,73 – 14,11 – 24,33w – 6,13 – 42,90 – 2:25,51)
5.918 Punkte - Annett Fleming (LC Jena)  
(14,06 – 1,72 – 14,01 – 25,46w – 5,77 – 45,86 – 2:16,68)
5.894 Punkte - Anna Maiwald (TSV Bayer Leverkusen) 
(14,00 – 1,70 – 13,32 – 24,03w – 5,64 – 42,38 – 2:15,92)
5.846 Punkte - Celina Leffler (SSC Koblenz-Karthause) 
(13,87 – 1,67 – 12,48 – 23,96 – 5,93 – 40,39 – 2:18,03)
5.728 Punkte - Cindy Roleder (LAZ Leipzig) 
(12,96 – 1,60 – 11,99 – 23,97 – 6,12 – 31,08 – 2:29,22)
5.709 Punkte - Mareike Arndt (LG Filstal) 
(13,93 – 1,61 – 12,96 – 24,38w – 5,79 – 39,30 – 2:17,08)

Internationale Endkampf-Platzierungen 2014
Hallen-WM: Claudia Rath (5. Platz; 4.681)
EM: Carolin Schäfer (4. Platz; 6.395), Lilli Schwarzkopf (5. Platz; 6.332), Claudia Rath (8. Platz; 6.225)
U20-WM: Celina Leffler (4. Platz; 5.746), Louisa Grauvogel (5. Platz; 5.621)
Olympische Jugendspiele: Mehrkampf nicht im Programm

Entwicklung des Spitzenniveaus

Entwicklung der Jahresbestleistungen

Das fällt auf

• Der Punkteschnitt der zehn besten Deutschen ist im Vergleich zu 2013 um knapp 200 Punkte gestiegen. Im Vorjahr war der Schnitt jedoch relativ niedrig, das breite Niveau ist nun wieder im Rahmen der übrigen Vorjahre.
• Die Plätze vier und fünf scheinen die DLV-Siebenkämpferinnen anzuziehen. Von insgesamt sechs internationalen Endkampfplatzierungen 2014 gab es zwei vierte und drei fünfte Plätze.
• Die deutsche Jahresbestleistung ist die niedrigste seit 2006.
• Die Weltjahresbestleistung ist die zweitniedrigste seit 2005.
• Der Abstand zur europäischen und zur Weltspitze ist moderat.
• In den letzten zehn Jahren haben sich ausschließlich Europäerinnen an die Spitze der Weltjahresbestenliste gesetzt.
  
  

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