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Der große Disziplin-Check 2016 – Hindernislauf Frauen

Das Leichtathletik-Jahr 2016 mit dem Höhepunkt der Olympischen Spiele in Rio ist fast Geschichte. Athleten, Trainer und Fans haben Monate mit großen Erfolgen, aber auch Enttäuschungen hinter sich. Neben dem bunten Sportereignis in Brasilien fanden auch die Europameisterschaften in Amsterdam, die U20-WM in Bydgoszcz sowie die U18-EM in Tiflis mit starker DLV-Beteiligung statt. In unseren rückblickenden Disziplin-Analysen nehmen wir das Abschneiden der verschiedenen Disziplingruppen unter die Lupe. Heute: die 3.000 Meter Hindernis der Frauen.
Alexandra Dersch

Der Moment des Jahres 2016

Einsamkeit kann auch etwas Schönes sein. Ganz allein an der Spitze drehte Gesa Krause bei der Europameisterschaft ihre Kreise im altehrwürdigen Olympiastadion von Amsterdam (Niederlande). Ihre Hindernisüberquerung: eine Eins. Ihr Blick: fokussiert. Es war eine Demonstration der Stärke, die die mit 24 Jahren immer noch junge Frankfurterin Anfang Juli ablieferte. So als wolle sie allein mit ihren Beinen sagen: "Seht her! In Europa kann mir keiner was." Zehn Sekunden betrug ihr Vorsprung auf die Konkurrenz im Ziel. 9:18,85 Minuten – im Alleingang hätte sie fast schon hier den deutschen Rekord von Antje Möldner-Schmidt (LC Cottbus; 9:18,54 min) geknackt.

Das holte sie dann im Finale der Olympischen Spiele nach. In starken 9:18,41 Minuten war Gesa Krause als Sechste auch in Rio naturgemäß die schnellste Europäerin. Insgeheim hatte sie nach Bronze bei der WM im Vorjahr auch in Brasilien mit einer Medaille geliebäugelt, doch die Konkurrenz um Weltrekordlerin Ruth Jebet (Bahrain) war an diesem Abend schlicht schneller. Ihre nationale Konkurrenz mit der Leverkusenerin Sanaa Koubaa, die sich mit einer starken Leistung in letzter Minute den Olympia-Traum erfüllt hatte, und Maya Rehberg (SG TSV Kronshagen/Kieler TB), die im EM-Finale nach einer falschen Hindernisüberquerung disqualifiziert worden war, verpassten den Sprung ins olympische Finale.

Doch der Nachwuchs strebt nach. Bei der U20-WM lief die 19-jährige Berlinerin Liane Weidner mit einer starken Hindernistechnik vor auf Platz zwölf, nachdem sie im Vorlauf als 15. nur knapp das Finale erreicht hatte. Bei der U18-EM landete Lisa Vogelsang (Eintracht Hildesheim) als Elfte unter den Top Zwölf. Der Weg bis an die internationale Spitze ist jedoch noch weit.

Die Top Drei

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail gesa-felicitas-krause _blank>Gesa Krause
LG Eintracht Frankfurt, 24 Jahre
SB: 9:18,41 min | PB: 9:18,41 min (DR/2016)
DM: 1. Platz
EM: 1. Platz |OS: 6. Platz
DLV-Jahresbestenliste: 1.
Europäische Bestenliste: 1.
Welt-Jahresbestenlisten: 8.

Sanaa Koubaa
TSV Bayer 04 Leverkusen, 31 Jahre
SB: 9:35,15 min | PB: 9:35,15 min (2016)
DM: 3. Platz
EM: – | OS: Aus im Vorlauf
DLV-Jahresbestenliste: 2.
Europäische Bestenliste: 12.
Welt-Jahresbestenlisten: 46.

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail maya-rehberg _blank>Maya Rehberg
SG TSV Kronshagen/Kieler TB, 22 Jahre
SB: 9:39,18 min | PB: 9:39,18 min (2016)
DM: 2. Platz
EM: DQ (Finale) | OS: Aus im Vorlauf
DLV-Jahresbestenliste: 3.
Europäische Bestenliste: 15.
Welt-Jahresbestenlisten: 58.

Internationale Top Acht-Platzierungen 2016 

Olympische Spiele: 6. Platz Gesa Krause (9:18,41 min)
EM: 1. Platz Gesa Krause (9:18,85 min)
U20-WM: keine
U18-EM: keine

Die Hoffnungsträgerin

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail lisa-vogelgesang _blank>Lisa Vogelgesang
Eintracht Hildesheim, 17 Jahre
1.500 Meter Hindernis SB: 4:58,37 min | PB: 4:58,37 min (2016)
2.000 Meter Hindernis SB: 6:47,44 min | PB: 6:47,44 min (2016)

Die Nachwuchs-Athletin erlebte im Sommer bei der U18-EM ihren ersten Start im DLV-Trikot und schlug sich als Elfte bei heißen Temperaturen achtbar. Auf nationaler Ebene gelang ihr bei der Deutschen U18-Meisterschaft mit einem taktischen Meisterstück die erfolgreiche Titelverteidigung über 1.500 Meter Hindernis.

Der Pechvogel

Jana Sussmann
LT Haspa Marathon Hamburg, 26 Jahre
SB: 9:41,05 min | PB: 9:41,05 min (2016)

Bei der EM dabei, bei Olympia nur Zuschauerin: Jana Sussmann hat 2016 die beste Saison ihrer bisherigen Karriere abgeliefert, aber es reichte nicht, um sich den lang gehegten Olympia-Traum zu verwirklichen. Während die 26-Jährige bei der EM in Amsterdam im Vorlauf hängen blieb, lief Sanaa Koubaa, die sich aufgrund eines spätes Saisoneinstiegs nicht für die EM qualifizieren konnte, deutlich schneller als die Hamburgerin und sicherte sich so das begehrte dritte Ticket für Rio.

Fazit des Bundestrainers

Werner Klein, wie fällt Ihre Bilanz für das Olympia-Jahr 2016 aus?

Werner Klein:

Es war eine herausragende und sehr erfolgreiche Olympiasaison. Gesa Felicitas Krause hat mit ihrem eindrucksvollen Sieg bei den Europameisterschaften, aber auch mit dem tollen sechsten Platz und dem deutschen Rekord in Rio, die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt und Großes geleistet. Aber auch in die nationale Leistungsdichte ist viel Bewegung reingekommen. Vier Olympianormen und neue persönliche Bestleistungen für Sanaa Koubaa, Maya Rehberg und auch für Jana Sussmann, auf hohem Niveau, sind ein Beleg dafür. Weitere Indizien dafür sind der bisher beste Zehner-Schnitt und sechs Läuferinnen unter zehn Minuten. Das gab es noch nie und stellt auch in der Breite einen sehr guten Fortschritt dar. Jetzt gilt es, diese Leistungen in Richtung WM 2017 mit weiteren Finalteilnahmen und auch die erfolgreiche EM-Gestaltung in Berlin zu entwickeln. In der Weltspitze hat es einen deutlichen Leistungsschub gegeben. Es muss unser Anspruch sein, diesen Entwicklungen standzuhalten.

Was war für Sie das ganz persönliche Highlight?

Werner Klein:

Der Sieg von Gesa Felicitas Krause in Amsterdam und damit die Titelverteidigung des Europameistertitels für Deutschland. Es war eine sehr beeindruckende Demonstration von Stärke und Wille unter schwierigen Bedingungen.

Worin sehen Sie die Aufgaben und Ziele für die kommende Saison?

Werner Klein:

Wir leiten einen neuen Olympiazyklus und damit auch eine neue Qualitätsstufe ein. Der eingeschlagene Weg muss weitergeführt und mit noch mehr gemeinsamen Trainingsmaßnahmen begleitet werden. Hierbei gilt das besondere Augenmerk auf das Heranführen und Integrieren von Nachwuchsathletinnen. Bei der WM 2017 gilt es, die Medaille zu verteidigen und eine weitere Finalteilnahme zu realisieren. Das Potenzial ist auf jeden Fall vorhanden. Antje Möldner-Schmidt wird mit ihrem Comeback sicherlich für noch mehr Konkurrenz und Qualität sorgen. Wir werden nächstes Jahr aber auch schon die Vorbereitungen auf die EM 2018 in Berlin einleiten. Bei der U23-EM wollen wir eine Top Acht-Platzierung erreichen.

Statistik – Das sagen die Zahlen

Die Jahresbesten

9:18,41 min – Gesa Felicitas Krause (LG Eintracht Frankfurt)
9:35,15 min – Sanaa Koubaa (TSV Bayer Leverkusen)
9:39,18 min – Maya Rehberg (SG TSV Kronshagen/Kieler TB)
9:41,05 min – Jana Sussmann (LT Haspa-Mar. Hamburg)
9:51,66 min – Cornelia Griesche (DJK Ingolstadt)
9:59,32 min – Antonia Hehr (SV Molbergen)
10:15,09 min – Liane Weidner (SCC Berlin)
10:18,56 min – Colett Rampf (VfL Rathenow)
10:21,22 min – Thurid Gers (LG Flensburg)
10:25,27 min – Linda Wrede (LT DSHS Köln)

Entwicklung des Spitzenniveaus

JahrAthleten < 10:00,00Schnitt Top Ten
2005 Verena Dreier (9:56,70) 10:27,41
2006 Verena Dreier (9:48,50) 10:22,44
2007 Verena Dreier (9:53,25), Julia Hiller (9:57,79) 10:19,89
2008 Antje Möldner (9:29,86), Julia Hiller (9:42,72) 10:06,54
2009 Antja Möldner (9:18,54), Julia Hiller (9:55,47), Verena Dreier (9:56,45) 10:09,64
2010 Gesa Felicitas Krause (9:47,78), Verena Dreier (9:50,25), Susi Lutz (9:58,48) 10:10,72
2011 Gesa Felicitas Krause (9:32,74), Jana Sussmann (9:43,28) 10:08,86
2012 Antje Möldner-Schmidt (9:21,78), Gesa Felicitas Krause (9:23,52), Sanaa Koubaa (9:43,08) 10:00,37
2013 Antje Möldner-Schmidt (9:29,27), Gesa Felicitas Krause (9:37,11) 10:12,16
2014 Antje Möldner-Schmidt (9:29,27), Gesa Felicitas Krause (9:37,11), Jana Sussmann (9:43,52), Sanaa Koubaa (9:48,75), Maya Rehberg (9:55,73) 9:57,32
2015 Gesa Felicitas Krause (9:19,25), Sanaa Koubaa (9:46,81), Maya Rehberg (9:49,88), Jana Sussmann (9:56,80), Cornelia Griesche (9:57,75) 10:08,27
2016 Gesa Felicitas Krause (9:18,41), Sanaa Koubaa (9:35,15), Maya Rehberg (9:39,18), Jana Sussmann (9:41,05), Cornelia Griesche (9:51,66), Antonia Hehr (9:59,32) 9:56,49

Das fällt auf

  • Sechs deutsche Athletinnen unter zehn Minuten über die Hindernisse – das gab es noch nie!
  • Die gewachsene Breite gepaart mit dem deutschen Rekord macht sich auch im Schnitt der zehn besten Zeiten aus diesem Jahr bemerkbar: Dieser ist mit 9:56,49 Minuten so gut wie nie zuvor.

Entwicklung Jahresbestleistungen

JahrDeutschlandEuropaDiff.WeltDiff.
2005 9:56,70 (V. Dreier) 9:20,49 (Volkova/RUS)36,21 9:15,04 (Inzikuru/UGA) 41,66
2006 9:48,50 (V. Dreier) 9:17,15 (Frankiewicz/POL) 31,35 9:17,15 (Frankiewicz/POL) 31,35
2007 9:53,25 (V. Dreier) 9:06,57 (Volkova/RUS) 46,68 9:06:57 (Volkova/RUS) 46,68
2008 9:29,86 (A. Möldner)8:58,81 (Galkina/RUS) 31,05 8:58,81 (Galkina/RUS) 31,05
2009 9:18,54 (A. Möldner) 9:07,32 (Dominguez/ESP)11,22 9:07,32 (Dominguez/ESP) 11,22
2010 9:47,78 (G. Krause) 9:17,07 (Dominguez/ESP) 30,71 9:11,71 (Chemos/ETH) 36,07
2011 9:32,72 (G. Krause) 9:07,03 (Zaripova/RUS) 25,71 9:07,03 (Zaripova/RUS) 25,71
2012 9:21,78 (A. Möldner-Schmidt) 9:05,02 (Zaripova/RUS) 16,79 9:05,02 (Zaripova/RUS) 16,79
2013 9:29,27 (A. Möldner-Schmidt) 9:28,00 (Zaripova/RUS) 1,27 9:11,65 (Chemos/KEN) 17,62
2014 9:29,43 (A. Möldner-Schmidt) 9:23,86 (Fougberg/SWE) 5,57 9:10,64  (Ayalew/ETH)18,79
2015 9:19,25 (G. Krause) 9:19,25 (G. Krause) 0,00 9:05,36  (Ghribi/TUN) 13,89
2016 9:18,41 (G. Krause) 9:18,41 (G. Krause) 0,00 8:52,78 (Jebet/BRN)25,63

Das fällt auf

  • In Europa findet die deutsche Rekordhalterin Gesa Krause derzeit keine Konkurrentin, die ihr Paroli bieten kann. Mehr als zehn Sekunden ist die Frankfurterin in diesem Sommer schneller gewesen als die Zweitplatzierte der europäischen Bestenliste Luiza Gega (Albanien).
  • Gesa Krauses Blick richtet sich auf die Weltspitze. Doch die hat in Person von Ruth Jebet und ihrem Weltrekord neue Sphären erreicht.

Video-Clips

U23-DM: <link video:14824>Lena Knirsch zündet am Ende den Turbo
U18-DM: <link video:15037>Neele Schuten mit starkem Finish 
U18-DM: <link http: www.leichtathletik.de tv video-detail detail neele-schuten-wer-den-staerkeren-willen-hat-kann-gold-holen _blank>Neele Schuten: "Wer den stärkeren Willen hat, kann Gold holen"
U20-DM: <link video:15028>Lisa Vogelgesang taktisch raffiniert 
U20-DM: <link http: www.leichtathletik.de tv video-detail detail lisa-vogelgesang-beine-waren-nicht-so-muede-da-rennen-am-vortag-nur-am-ende-schnell-war _blank>Lisa Vogelgesang: "Beine waren nicht so müde"

Die Disziplin-Checks 2016 im Überblick:

<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-2016-sprint-maenner _blank>Männer – Sprint<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-2016-sprint-frauen _blank>
Frauen – Sprint<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-langsprint-maenner _blank>
Männer – Langsprint<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-langsprint-frauen _blank>
Frauen – Langsprint<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-2016-mittelstrecke-maenner _blank>
Männer – Mittelstrecke
<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-langstrecke-maenner>Frauen – Mittelstrecke
Männer – Langstrecke
<link news:50879>Frauen – Langstrecke
<link news:50853>Männer – Hürdensprint
<link news:51009>Frauen – Hürdensprint
<link news:50841>Männer – 400 Meter Hürden
<link news:50847>Frauen – 400 Meter Hürden
<link news:50610>Männer – 3.000 Meter Hindernis

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