
EM-Titel in Amsterdam: Dieses Jahr das Highlight für Christina Schwanitz.
Der große Disziplin-Check 2016 – Kugelstoßen Frauen
Das Leichtathletik-Jahr 2016 mit dem Höhepunkt der Olympischen Spiele in Rio ist fast Geschichte. Athleten, Trainer und Fans haben Monate mit großen Erfolgen, aber auch Enttäuschungen hinter sich. Neben dem bunten Sportereignis in Brasilien fanden auch die Europameisterschaften in Amsterdam, die U20-WM in Bydgoszcz sowie die U18-EM in Tiflis mit starker DLV-Beteiligung statt. In unseren rückblickenden Disziplin-Analysen nehmen wir das Abschneiden der verschiedenen Disziplingruppen unter die Lupe. Heute: das Kugelstoßen der Frauen.
Der Moment des Jahres 2016
Aller guten Dinge sind Drei, mit diesem Motto sind die DLV-Kugelstoßerinnen dieses Jahr bei den internationalen Freiluft-Meisterschaften unterwegs gewesen. Den schönsten Moment erlebte Christina Schwanitz bei der EM in Amsterdam: Europameisterin mit einer richtig starken Weite, 20,17 Meter. Da tauchte im Ergebnis wieder die Zahl "Sieben" auf, der sie seit ihrem sensationellen Sport-Jahr 2016 eine mehr als zufällige Bedeutung zuschreibt: Persönliche Bestweite damals mit 20,77 Metern und WM-Titel mit 20,37 Metern. Bis zum EM-Titel war es harte Arbeit. Eine Schulterverletzung hatte die Saisonvorbereitung zur Qual gemacht, in Amsterdam aber war Christina Schwanitz auf den Punkt da.
Und fuhr anschließend zuversichtlich zu den Olympischen Spielen, erneut mit ihren zwei Team-Kolleginnen Sara Gambetta und Lena Urbaniak. Dort lief es allerdings für alle Drei nicht rund. Christina Schwanitz erreichte im Olympia-Finale Platz sechs. Das kann nicht sein, werden sich wohl viele gedacht haben, die extra nachts aufgeblieben sind, um den Endkampf zu verfolgen. Doch mehr als 19,03 Meter im ersten Durchgang wollten einfach nicht her. Da gibt's nur eins: nächstes Jahr neu angreifen.
Neu angreifen bei den Frauen wird dann auch Alina Kenzel, die eine traumhafte Saison hinter sich hat. Titelgewinn bei den U20-Weltmeisterschaften in Bydgoszcz (Polen) mit 17,58 Metern. Für die DLV-Kugelstoßerinnen geht ein Jahr mit reichlich internationalen Top Acht-Platzierungen zu Ende. Dazu zählt auch der Silberrrang von Jule Steuer (SC Magdeburg) bei der U18-EM.
Die Top Drei
Christina Schwanitz
LV 90 Erzgebirge, 30 Jahre
SB: 20,17 m | PB: 20,77 m (2016)
DM: 1. Platz
EM: 1. Platz | OS: 6. Platz
Hallen-WM: –
DLV-Jahresbestenliste: 1.
Europäische Bestenliste: 1.
Welt-Jahresbestenlisten: 4.
Lena Urbaniak
LG Filstal, 24 Jahre
SB/PB: 18,02 m (2016) | Halle: 18,32 m (2016)
DM: 2. Platz
EM: 13. Platz | OS: 30. Platz (jeweils Qualifikation)
Hallen-WM: –
DLV-Jahresbestenliste: 2.
Europäische Bestenliste: 11.
Welt-Jahresbestenlisten: 32.
Sara Gambetta
SC DHfK Leipzig, 24 Jahre
SB/PB: 17,95 m (2016)
DM: 3. Platz
EM: 7. Platz | OS: 20. Platz (Qualifikation)
Hallen-WM: –
DLV-Jahresbestenliste: 3.
Europäische Bestenliste: 12.
Welt-Jahresbestenlisten: 34.
Internationale Top Acht-Platzierungen 2016
Olympische Spiele: 6. Platz Christina Schwanitz (19,03 m)
EM: 1. Platz Christina Schwanitz (20,17 m), 7. Platz Sara Gambetta (17,95 m)
Hallen-WM: 7. Platz Lena Urbaniak (17,91 m)
U20-WM: 1. Platz Alina Kenzel (17,58 m), 4. Platz Sarah Schmidt (16,18 m)
U18-EM: 2. Platz Jule Steuer (17,97 m), 4. Platz Hanna Meinikmann (17,03 m)
Die Hoffnungsträgerin
Alina Kenzel
VfL Waiblingen, 19 Jahre
SB/PB: 17,58 m (2016)
Auf ihrem Arm schreibt Alina Kenzel in Form eines Tattoos Geschichten aus ihrem Leben nieder. Ein weiteres erfolgreiches Kapitel aus dem Sport kann die 19-Jährige von der U20-WM erzählen. Im Finale holte sie dort mit neuer Bestleistung Gold, besser geht es nicht. Mit den 17,58 Metern aus Bydgoszcz ist sie in der deutschen Frauen-Rangliste dieses Jahr schon die Nummer Vier und könnte nächstes Jahr – je nach Höhe der Norm – vielleicht sogar schon um die WM-Tickets für London mitpokern.
Fazit des Bundestrainers
Sven Lang, wie fällt Ihre Bilanz für das Olympia-Jahr 2016 aus?
Sven Lang:
Die Bilanz fällt eigentlich fast ähnlich wie bei den Männern zweigeteilt aus. Erstmal war es schön, dass wir alle drei Startplätze bei EM und Olympia voll besetzen konnten. Was Olympia angeht, war das auch ein kleines bisschen der herabgesetzten Norm geschuldet. Ich glaube, dass sich Christina nach der sehr kurzen Vorbereitungsphase in Amsterdam sehr gut verkauft hat und dort ein super Ergebnis erzielt hat. Ich war auch ganz froh über die Vorstellung von Sara Gambetta, die dort in die europäische Spitze mit vorgedrungen ist.
Bei Olympia war das Bild ähnlich wie bei den Männern. Christina ist es nicht gelungen, ihre wieder ansteigende Form an den Tag zu legen. Durch die Diskrepanz zwischen den Europameisterschaften und Olympia kann man mit dem Ergebnis von Rio nicht zufrieden sein. Für die anderen beiden Teilnehmerinnen war es ein Erfolg, in Rio dabei zu sein. Sie waren vor Ort mit den Abläufen dann etwas überfordert. Die Gesamt-Bilanz mit dem Europameister-Titel und Platz sechs bei Olympia ist jetzt aber nicht so schlecht. Für Christina war es trotzdem eine recht erfolgreiche Saison.
Was war für Sie das ganz persönliche Highlight?
Sven Lang:
Neben dem, was Christina geleistet hat, fand das Highlight für mich im Nachwuchs-Bereich statt. Das war die Leistung von Alina Kenzel, die mit ihren siebzehneinhalb Metern bei der U20-WM eine richtig gute Leistung gezeigt hat. Auch eine Leistung, die für die nächsten Jahre große Hoffnung wachsen lässt.
Worin sehen Sie die Aufgaben und Ziele für die kommende Saison?
Sven Lang:
Das Ziel ist es, in London mit Christina wieder eine Medaille zu holen. Die Hallen-Europameisterschaften sind dem vorgeschaltet, haben aber nicht diese Brisanz. Es gilt, wieder drei Startplätze zu besetzen. Vielleicht kann Alina Kenzel dabei auch schon eine Rolle spielen. Es wird sicherlich spannend, wer die zwei WM-Startplätze hinter Christina belegen kann. In der U23 sehe ich mit Alina Kenzel, Sarah Schmidt und Katharina Maisch drei Athletinnen, die für die U23-EM in Frage kommen. Die Frage ist, wie sich Claudine Vita weiter im Kugelstoßen einbringen wird. Sie wird man sicherlich auch auf der Rechnung haben müssen. Das Ziel ist es, in London und Bydgoszcz in den Medaillenbereich vorzustoßen.
Statistik – Das sagen die Zahlen
Die zehn Jahresbesten
20,17 m – Christina Schwanitz (LV 90 Erzgebirge)
18,02 m – Lena Urbaniak (LG Filstal)
17,95 m – Sara Gambetta (SC DHfK Leipzig)
17,90 m – Claudine Vita (SC Neubrandenburg)
17,58 m – Alina Kenzel (VfL Waiblingen)
17,41 m – Shanice Craft (MTG Mannheim)
17,41 m – Josephine Terlecki (SV Halle)
17,20 m – Anna Rüh (SC Magdeburg)
16,65 m – Katharina Maisch (TuS Metzingen)
16,42 m – Sarah Schmidt (LV 90 Erzgebirge)
Entwicklung des deutschen Spitzenniveaus
Jahr | Athleten > 18,00 | Schnitt Top Ten |
---|---|---|
2005 | Nadine Kleinert (20,06), Petra Lammert (19,81), Astrid Kumbernuss (19,16), Christina Schwanitz (18,84) | 18,03 |
2006 | Petra Lammert (19,64), Nadine Kleinert (19,15) | 17,26 |
2007 | Petra Lammert (20,04), Nadine Kleinert (19,77), Denise Hinrichs (18,08) | 17,57 |
2008 | Nadine Kleinert (19,89), Christina Schwanitz (19,31), Denise Hinrichs (19,07), Petra Lammert (19,04), Josephine Terlecki (18,00) | 17,57 |
2009 | Nadine Kleinert (20,20), Denise Hinrichs (19,47), Christina Schwanitz (19,06), Petra Lammert (19,02) | 17,61 |
2010 | Nadine Kleinert (19,64), Petra Lammert (19,42), Denise Hinrichs (18,79), Christina Schwanitz (18,28) | 17,63 |
2011 | Nadine Kleinert (19,26), Christina Schwanitz (19,20), Josephine Terlecki (18,29) | 17,21 |
2012 | Nadine Kleinert (19,67), Christina Schwanitz (19,05), Josephine Terlecki (18,87), Denise Hinrichs (18,36) | 17,58 |
2013 | Christina Schwanitz (20,41), Nadine Kleinert (18,76), Josephine Terlecki (18,36) | 17,43 |
2014 | Christina Schwanitz (20,22) | 17,02 |
2015 | Christina Schwanitz (20,77), Lena Urbaniak (18,00) | 17,43 |
2016 | Christina Schwanitz (20,17), Lena Urbaniak (18,02) | 17,67 |
Das fällt auf
- Der Top-Ten-Schnitt ist der beste seit 2006.
- Christina Schwanitz ist im vierten Jahr in Folge unangefochten die deutsche Nummer eins.
- Lena Urbaniak hat ihr 18-Meter-Niveau von 2015 bestätigt.
- In den deutschen Top Ten finden sich vier Athletinnen der Jahrgänge 1996 und jünger. Das gibt Hoffnung für die Zukunft.
Entwicklung der internationalen Jahresbestleistungen
Jahr | Deutschland | Europa | Diff. | Welt | Diff. |
---|---|---|---|---|---|
2005 | 20,06 (N. Kleinert) | 21,09 (Ostabchuk/BLR) | 1,03 | 21,09 (Ostabchuk/BLR) | 1,03 |
2006 | 19,64 (p. Lammert) | 20,56 (Ostabchuk/BLR) | 0,92 | 20,56 (Ostabchuk/BLR) | 0,92 |
2007 | 20,04 (P. Lammert) | 20,48 (Ostabchuk/BLR) | 0,44 | 20,54 (Vili/NZL) | 0,50 |
2008 | 19,89 (N. Kleinert) | 20,98 (Ostabchuk/BLR) | 1,09 | 20,98 (Ostabchuk/BLR) | 1,09 |
2009 | 20,20 (N. Kleinert) | 20,20 (N. Kleinert) | 0,00 | 21,07 (Vili/NZL) | 0,87 |
2010 | 19,64 (N. Kleinert) | 20,95 (Ostabchuk/BLR) | 1,29 | 20,95 (Ostabchuk/BLR) | 1,29 |
2011 | 19,26 (N. Kleinert) | 20,94 (Ostabchuk/BLR) | 1,68 | 21,24 (Vili/NZL) | 1,98 |
2012 | 19,67 (N. Kleinert) | 21,58* (Ostabchuk/BLR) | 1,91 | 21,58*(Ostapchuk/BLR) | 1,91 |
2013 | 20,41 (C. Schwanitz) | 20,41 (C. Schwanitz) | 0,00 | 20,90 (Adams/NZL) | 0,49 |
2014 | 20,22 (C. Schwanitz) | 20,22 (C. Schwanitz) | 0,00 | 20,59 (Adams/NZL) | 0,37 |
2015 | 20,77 (C. Schwanitz) | 20,77 (C. Schwanitz) | 0,00 | 20,77 (C. Schwanitz) | 0,00 |
2016 | 20,17 (C. Schwanitz) | 20,17 (C. Schwanitz) | 0,00 | 20,63 (Carter/USA) | 0,46 |
* später bei den Olympischen Spielen als Olympiasiegerin des Dopings überführt
Das fällt auf
- Wie David Storl bei den Männern, schaffte es Christina Schwanitz bei den Frauen, das vierte Jahr in Folge die beste Weite Europas anzubieten.
- Die US-Amerikanerin Michelle Carter dominierte 2016 als Hallen-Weltmeisterin und Olympiasiegerin.
Video-Clips
Hallen-DM: Lena Urbaniak stößt WM-Norm
Jugend-Hallen-DM: Alina Kenzel kratzt an den 17 Metern
U23-DM: Titel-Double für Claudine Vita: Nach Diskus auch Gold mit der Kugel
Junioren-Gala: Alina Kenzel ist aktuell die Beste der Welt
Jugend-DM: Alina Kenzel eine Klasse für sich
Jugend-DM: Alina Kenzel: "Irgendwie auch Verwirrung"
Jugend-DM: Lea Riedel: Mit Sensations-Steigerung zu Gold
U16-DM: Cimberly Dreistein kratzt an den 15 Metern
Die weiteren Disziplin-Checks 2016 im Überblick:
Männer – Sprint
Frauen – Sprint
Männer – Langsprint
Frauen – Langsprint
Männer – Mittelstrecke
Frauen – Mittelstrecke
Männer – Langstrecke
Frauen – Langstrecke
Männer – Hürdensprint
Frauen – Hürdensprint
Männer – 400 Meter Hürden
Frauen – 400 Meter Hürden
Männer – 3.000 Meter Hindernis
Frauen – 3.000 Meter Hindernis
Männer/Frauen – Gehen
Männer – Hochsprung
Frauen – Hochsprung
Männer – Stabhochsprung
Frauen – Stabhochsprung
Männer – Weitsprung
Frauen – Weitsprung
Männer – Dreisprung
Frauen – Dreisprung
Männer – Kugelstoßen