
Der große Disziplin-Check – Langsprint Frauen
Das Leichtathletik-Jahr 2016 mit dem Höhepunkt der Olympischen Spiele in Rio ist fast Geschichte. Athleten, Trainer und Fans haben Monate mit großen Erfolgen, aber auch Enttäuschungen hinter sich. Neben dem bunten Sportereignis in Brasilien fanden auch die Europameisterschaften in Amsterdam, die U20-WM in Bydgoszcz sowie die U18-EM in Tiflis mit starker DLV-Beteiligung statt. In unseren rückblickenden Disziplin-Analysen nehmen wir das Abschneiden der verschiedenen Disziplingruppen unter die Lupe. Heute: der Langsprint der Frauen.
Der Moment des Jahres 2016
Für Ruth Sophia Spelmeyer hielt der Sommer eine tolle Leistungssteigerung bereit. Die 26-Jährige konnte erstmals unter der 52-Sekunden-Marke bleiben und bestätigte das bei den zwei wichtigsten Einzelrennen der Saison. Im Vorlauf, der sie mit glänzender neuer Bestzeit (51,43 sec) eine Runde weiterbrachte, und im Halbfinale der Olympischen Spiele konnte sie 51er-Zeiten auf die blaue Bahn zaubern – neben den stärksten Läuferinnen der Welt. Unvergessliche Momente, wenngleich die Krönung mit dem Team fehlte.
Nur knapp schrammte Ruth Sophia Spelmeyer mit der 4x400-Meter-Staffel mit der neuntbesten Zeit am Olympia-Finale vorbei. Zum Aufgebot zählte mit Laura Müller (LC Rehlingen) die zweite Aufsteigerin des Sommers. Auch die 20-Jährige rückte mit 51,69 Sekunden in die Nähe der Top Ten Europas vor. Bei der EM in Amsterdam (Niederlande) belegte die DLV-Staffel mit den Beiden und den Kölnerinnen Friederike Möhlenkamp und Lara Hoffmann Platz fünf. Rang vier holten sogar die Nachwuchsathletinnen bei der U20-WM in Bydgoszcz (Polen).
Die Top Drei
Ruth Sophia Spelmeyer
VfL Oldenburg, 26 Jahre
SB/PB: 51,43 sec (2016)
DM: 1. Platz
EM: Halbfinale, 10. Platz | 5. Platz (Staffel)
Olympische Spiele: Halbfinale, 16. Platz | 9. Platz (Staffel)
DLV-Jahresbestenliste: 1.
Europäische Bestenliste: 7.
Welt-Jahresbestenlisten: 41.
Laura Müller
LC Rehlingen, 20 Jahre
SB/PB: 51,69 sec (2016)
DM: 3. Platz
EM: 5. Platz (Staffel)
Olympische Spiele: 9. Platz (Staffel)
DLV-Jahresbestenliste: 2.
Europäische Bestenliste: 12.
Welt-Jahresbestenlisten: 53.
Friederike Möhlenkamp
LT DSHS Köln, 23 Jahre
SB/PB: 52,55 sec (2016)
DM: 2. Platz
EM: 5. Platz (Staffel)
Olympische Spiele: 9. Platz (Staffel)
DLV-Jahresbestenliste: 3.
Europäische Bestenliste: 36.
Welt-Jahresbestenlisten: 149.
Internationale Top Acht-Platzierungen 2016
Olympische Spiele: keine
EM: 400 m: keine; 4x400 m: 5. Platz Laura Müller, Friederike Möhlenkamp, Lara Hoffmann, Ruth Sophia Spelmeyer (3:27,60 min)
Hallen-WM: keine
U20-WM: keine; 4x400 m: 4. Platz Eileen Demes, Hendrikje Richter, Jana Reinert, Hannah Mergenthaler (3:32,63 min)
U18-EM: keine
Die Hoffnungsträgerin
Hannah Mergenthaler
MTG Mannheim, 19 Jahre
SB/PB: 53,52 sec (2016)
Die Halbfinalistin der diesjährigen U20-WM ist im Nachwuchsbereich national der Renner über die Stadionrunde. Zwei DM-Titel in der U20 und einen in der U18 hat Hannah Mergenthaler bereits gewonnen. Mit der 4x400-Meter-Staffel war sie in den letzten drei Jahren bei internationalen Meisterschaften immer in Podest-Nähe, einmal gab es sogar eine Bronzemedaille (U20-WM 2014). Nächstes Jahr geht es in die Aktivenklasse, wo die Mannheimerin direkt einen Startplatz in der deutschen Staffel im Visier hat.
Der Pechvogel
Esther Cremer
TV Wattenscheid 01, 28 Jahre
SB: 53,73 sec | PB: 51,62 sec (2013)
Sie war vergangenes Jahr schon der "Pechvogel" unter den 400-Meter-Läuferinnen. 17 Monate wurde Esther Cremer durch eine Entzündung der Plantarsehne am rechten Fuß ausgebremst. Nach motivierter Wiederaufnahme des Trainings gingen auch 2016 die erhofften sportlichen Träume nicht in Erfüllung. Nur ein Rennen im Mai konnte die Staffel-Vize-Europameisterin von 2010 bestreiten.
Fazit des Bundestrainers
Tobias Kofferschläger, wie fällt Ihre Bilanz für das Olympia-Jahr 2016 aus?
Tobias Kofferschläger:
Natürlich war es schade, dass die 4x400-Meter-Staffel in Rio denkbar knapp das Finale verpasst hat. Dennoch lieferten die Vier die beste Zeit seit dem Vize-Europameistertitel 2010 ab. Dazu die tolle Vorstellung von Ruth Spelmeyer im Einzelwettbewerb, die gezeigt hat, dass es auch für deutsche Läuferinnen möglich ist, international sehr gut abzuschneiden. Mit Laura Müller haben wir eine weitere Athletin, die ebenfalls schon in diesem Jahr das Potenzial für internationale Einzelstarts hatte. Leider lief sie die erforderlichen Normen aufgrund von Problemen in der Vorbereitung zu spät. Somit ziehe ich ein positives Fazit und blicke optimistisch in die Zukunft.
Was war für Sie das ganz persönliche Highlight?
Tobias Kofferschläger:
Mein persönliches Highlight war der Auftritt von Ruth Spelmeyer in Rio. Mit einer Leistungssteigerung ihrer persönlichen Bestleistung um eine halbe Sekunde und dem damit verbundenen Halbfinaleinzug gehörte sie für mich zu den positiven Überraschungen des deutschen Teams. So schnell lief meines Wissens seit 2002 keine deutsche Athletin mehr.
Worin sehen Sie die Aufgaben und Ziele für die kommende Saison?
Tobias Kofferschläger:
Wir haben mit Ruth Spelmeyer und Laura Müller zwei Athletinnen, die für Einzelstarts bei der WM in Frage kommen. Dazu ist eine Qualifikation und Finalteilnahme mit der 4x400-Meter-Staffel das Ziel für 2017. Außerdem gilt es die jungen Athletinnen, die jetzt aus der Jugendklasse aufrücken, sorgsam weiterzuentwickeln, um auch bei der U23-EM eine gute Rolle zu spielen.
Statistik – Das sagen die Zahlen
Die zehn Jahresbesten
51,43 sec – Ruth Sophia Spelmeyer (VfL Oldenburg)
51,69 sec – Laura Müller (LC Rehlingen)
52,55 sec – Friederike Möhlenkamp (LT DSHS Köln)
52,87 sec – Lara Hoffmann (LT DSHS Köln)
53,39 sec – Nadine Gonska (MTG Mannheim)
53,41 sec – Christina Hering (LG Stadtwerke München)
53,52 sec – Hannah Mergenthaler (MTG Mannheim)
53,56 sec – Daniela Ferenz (LG Neckar/Enz)
53,61 sec – Hendrikje Richter (SCC Berlin)
53,73 sec – Esther Cremer (TV Wattenscheid 01)
Entwicklung des deutschen Spitzenniveaus
Jahr | Athleten < 52,00 | Schnitt Top Ten |
---|---|---|
2005 | keine | 53,47 |
2006 | Claudia Hoffmann (51,79), Claudia Marx (51,96) | 53,02 |
2007 | Claudia Hoffmann (51,98) | 53,49 |
2008 | Jonna Tilgner (51,90) | 53,00 |
2009 | Sorina Nwachukwu (51,53) | 53,13 |
2010 | Claudia Hoffmann (51,65) | 52,80 |
2011 | Janin Lindenberg (51,97) | 53,18 |
2012 | Esther Cremer (51,76) | 53,24 |
2013 | Esther Cremer (51,62) | 53,31 |
2014 | Esther Cremer (51,87) | 53,01 |
2015 | keine | 53,13 |
2016 | Ruth Sophia Spelmeyer (51,43), Laura Müller (51,69) | 52,98 |
- Zum ersten Mal seit 2006 konnten wieder zwei DLV-Langsprinterinnen unter 52 Sekunden bleiben.
- Der Top-Ten-Schnitt ist mit 52,98 Sekunden so gut wie seit 2010 nicht mehr.
Entwicklung Jahresbestleistungenim internationalen Vergleich
Jahr | Deutschland | Europa | Diff. | Welt | Diff. |
---|---|---|---|---|---|
2005 | 52,07 (C. Marx) | 49,80 (Pospelova/RUS) | 2,27 | 48,92 (Richards/USA) | 3,15 |
2006 | 51,79 (C. Hoffmann) | 49,49 (Zayzseva/RUS) | 2,30 | 48,70 (Richards/USA) | 3,09 |
2007 | 51,98 (C. Hoffmann) | 49,61 (Ohuruogu/GBR) | 2,37 | 49,27 (Richards/USA) | 2,71 |
2008 | 51,90 (J. Tilgner) | 49,62 (Ohuruogu/GBR) | 2,28 | 49,62 (Ohuruogu/GBR) | 2,28 |
2009 | 51,53 (S. Nwachukwu) | 49,29 (Krivoshapka/RUS) | 2,24 | 48,83 (Richards/USA) | 2,70 |
2010 | 51,65 (C. Hoffmann) | 49,89 (Foriva/RUS) | 1,76 | 49,64 (Dunn/USA) | 1,95 |
2011 | 51,97 (J. Lindenberg) | 49,35 (Kapachinskaya/RUS) | 2,62 | 49,35 (Kapachinskaya/RUS) | 2,62 |
2012 | 51,76 (E. Cremer) | 49,16 (Krivoshapka/RUS) | 2,60 | 49,16 (Krivoshapka/RUS) | 2,60 |
2013 | 51,62 (E. Cremer) | 49,41 (Ohuruogu/GBR) | 2,21 | 49,33 (Montsho/BOT) | 2,29 |
2014 | 51,87 (E. Cremer) | 50,55 (Grenot/ITA) | 1,32 | 49,48 (McCoroy/USA) | 2,39 |
2015 | 52,04 (R. S. Spelmeyer) | 50,16 (Ohuruogu/GBR) | 1,88 | 49,26 (Felix/USA) | 2,78 |
2016 | 51,43 (R. S. Spelmeyer) | 50,43 (Grenot/ITA) | 1,00 | 49,44 (Miller/JAM) | 2,01 |
- Der Abstand der schnellsten Deutschen in diesem Jahr zur europäischen Spitze beträgt ziemlich genau eine Sekunde, zur Weltspitze zwei Sekunden. Das ist (mit Ausnahme des Jahres 2010) die geringste Differenz seit 2005.
- Ruth Sophia Spelmeyer ist es gelungen, sich in die Top Acht Europas zu schieben.
- Seit drei Jahren hat keine Europäerin die 50-Sekunden-Marke unterboten, die auf Weltniveau das Maß der Dinge ist.
Video-Clips
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Aktive:
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Die Disziplin-Analysen im Überblick:
Sprint – Männer
Sprint – Frauen
Langsprint – Männer