Der leise Abschied der Rockmeier-Zwillinge
Nach zwanzig Jahren geht das Kapitel Leistungssport für die Zwillingsschwestern Birgit und Gabi Rockmeier zu Ende. Im Einzel holten die beiden zusammen 14 Deutsche Meistertitel für die LG Olympia Dortmund, dazu gewannen sie Staffel-Medaillen bei Welt- und Europameisterschaften. Am Freitag erklärten die Zwillinge auch offiziell ihren bereits angekündigten Rücktritt.
Birgit Rockmeier blickt auf viele erfolgreiche Jahre zurück (Foto: Olma)
"Ich habe schon vor einem Jahr ans Aufhören gedacht", sagt Birgit Rockmeier. Aber dann holte sie im letzten Jahr bei den Deutschen Meisterschaften noch einmal beide Freilufttitel im Sprint und lief dabei mit 11,33 Sekunden neue Bestzeit über 100 Meter. "Da wollte ich dieses Jahr noch mal angreifen." Die Vorbreitung auf die Saison lief prima, bis zum Trainingslager im April. "Als ich in Portugal aus dem Flugzeug ausgestiegen bin, hatte ich plötzlich Schmerzen in der Achillessehne." Die plagten Birgit dann die ganze Saison. Trotzdem verlor sie das Ziel Europameisterschaft in Göteborg (Schweden) nicht aus den Augen. Sie erfüllte die Normkriterien des DLV über 200 Meter und lief in Regensburg mit 22,94 Sekunden dicht an ihre Bestleistung. Aber die vielen Rennen taten der Achillessehne weh. "Vor den Deutschen Meisterschaften konnte ich kaum noch eine Steigerung machen."
Mit Schmerzen im Fuß und Frust im Bauch konnte Birgit Rockmeier beim 200-Meter-Finale in Ulm nur zuschauen. Gerne hätte sie zum Abschluss der Karriere noch einmal den Titel geholt. Aber die Achillessehne ließ kein gezieltes Training mehr zu und verhinderte auch einen Start beim Meeting in Sondershausen. "Da hat auch Melanie Paschke ihr Abschiedsrennen gegeben", sagt Birgit Rockmeier. Gerne hätte sie es genauso gemacht.
Plötzliche Freizeit
Nun ist der Alltag nicht mehr vom Training geprägt. "Das ist schon ein bisschen komisch." Obwohl Birgit Rockmeier wusste, das der Abschied bevorsteht, ist das Gefühl nun ungewohnt. Sie nutzt die Zeit, um Erinnerungen zu ordnen. Liegengebliebende Fotos und Zeitungsartikel aus den erfolgreichen Jahren auf der Bahn werden nun eingeklebt. So verabschiedet sie sich langsam von ihrer Karriere. Die Arbeit kann lange dauern, denn viele Erfolge verstecken sich in den Stapeln von Papier und Polaroid.
Mit der Sprintstaffel gewann sie Silber bei der EM 1998 in Budapest (Ungarn). Bei den Weltmeisterschaften 2001 in Edmonton (Kanada) lief das deutsche Quartett über 4x100 Meter als Zweite ins Ziel. Später wurden Birgit und Gabi Rockmeier, Melanie Paschke und Marion Wagner wegen einer Disqualifikation der USA zu Weltmeisterinnen erklärt. "Das war aber auch wegen der Atmosphäre ein Highlight", erzählt Birgit Rockmeier. "Wir waren ein tolles Team und sind eine tolle Zeit gelaufen."
In Erinnerung wird auch der Titel bei den Europameisterschaften 2002 in München mit der 4x400-Meter-Staffel bleiben. Dort stand Birgit Rockmeier auch im Einzelfinale. "Über die 400 Meter bin ich aber nie die Zeit gelaufen, die ich mir vorgestellt habe", resümiert sie über den Ausflug auf die Stadionrunde. Vom Kopf her konnte sie das harte Training nicht umsetzen.
Schrankenmann mit Regenschirm
Gabi Rockmeier war bei den Erfolgen mit der Sprintstaffel in Budapest und Edmonton natürlich auch dabei. In München gewann sie 2002 dann noch einmal Silber mit der 4x100-Meter-Staffel. Es gibt aber auch noch einen anderen Moment, der ihr besonders im Gedächtnis geblieben ist. Als sie über 200 Meter bei der Hallen-EM in Wien 2002 nach einem Fehlstart den Rückschuss nicht hörte und immer weiterlief, hielt ein Mann seinen Regenschirm in die Bahn. Der stoppte sie nach 30 Metern. "Da lachen wir heute noch drüber." Auch dem Erfolg stand der kleine Zwischenfall nicht im Weg. Gabi Rockmeier holte Bronze.
Ein Jahr zuvor erlebte Gabi Rockmeier eine weitere Sternstunde bei den Deutschen Meisterschaften in Stuttgart. Sie gewann beide Sprintstrecken und die Staffel mit der LG Olympia Dortmund. Dazu lief sie die schnellsten Zeiten in ihrer Karriere über 100 Meter (11,17 sec) und 200 Meter (22,68 sec).
In den vergangenen Jahren war es auch bei Gabi Rockmeier die Achillessehne, die Probleme machte. "Das sind bei Birgit und mir Verschleißerscheinungen nach so vielen Trainingsjahren." Mehrere Operationen ließen 2005 keine Rennen zu. "Ich bin froh, dass ich in dieser Saison überhaupt laufen konnte", sagt sie. Einige Sprinteinheiten, die in den vergangenen Jahren Erfolg gebracht hatten, waren trotzdem nicht möglich. "Deshalb bin ich mit den Zeiten in diesem Jahr auch ganz zufrieden." Bei den Deutschen Meisterschaften wurde sie Sechste über 100 Meter.
Laufen ohne Zwang
Den geplanten Abschied hat Gabi Rockmeier bereits gut verdaut. "Ich genieße die Zeit, endlich muss ich nicht mehr unbedingt laufen." Beim Abtrainieren entscheidet schon mal die Lust, ob es auf die Laufbahn geht oder der Tag auf der Couch ausklingt. "Gerne setze ich mich auch aufs Mountainbike", sagt sie. Damit hat sie schon manchen Berg erklommen, anstrengend darf das auch sein. Da kommt eben doch noch die Leistungssportlerin durch.
Viel Freizeit bleibt Gabi Rockmeier aber nicht. Sie arbeitet in der Bundesagentur für Arbeit in Erding und wartet dort auf eine Planstelle. "Die Kollegen sind sehr nett", erzählt sie über ihren beruflichen Lebensmittelpunkt. Aber auch der Sport wird in Zukunft eine Rolle spielen.
"Birgit und ich trainieren bei unserem Heimatverein die Bambis'." Beim TSV Jahn Freising haben sie selbst ihre Karrieren begonnen. Die Kinder wissen oft nicht genau, welche Erfolge ihre Trainerinnen vorzuweisen haben. "Die sind immer begeistert, wenn wir etwas vormachen - total süß", sagt Gabi Rockmeier. Und auch ihre Zwillingsschwester ist begeistert von der Arbeit mit den kleinen Nachwuchssportlern. "Da können wir an den Verein ein bisschen was zurückgeben."
Weiterhin sportlich
Außerdem trainiert Birgit Rockmeier noch die Nachwuchssprinterinnen am BLV-Stützpunkt München. "Ich möchte bald eine Fortbildung zur Bewegungstherapeutin machen." Damit will sie dem Sport auch beruflich treu bleiben.
Noch stehen aber ein paar Termine auf dem Programm. Klaus Pohlen, Leiter des Münchener Olympiastützpunktes, will die 32 Jahre alten Rockmeier-Zwillinge nicht einfach ziehen lassen. "Ohne ein gemeinsames Essen lässt er uns nicht gehen", sagt Gabi Rockmeier. Und auch beim BLV und der LG Olympia Dortmund stehen noch offizielle Verabschiedungen auf dem Programm. Im nächsten Jahr wollen die schnellen Geschwister dann noch einmal Betreuer, Physiotherapeuten und Trainer einladen. "Als Dankeschön für die vielen schönen Jahre."