Deutsche Hindernisläuferinnen im Aufschwung
Es rührt sich im Olympiajahr etwas in der deutschen Leichtathletik-Szene und das nicht nur in den medienträchtigen Disziplinen. Abseits der großen internationalen Meetings schickten sich am vergangenen Samstag beim 3. Internationalen Leichtathletik-Meeting „Nacht van de Euregio“ im belgischen Neerpelt zwei Hindernisläuferinnen an, ihre eigenen Schlagzeilen zu schreiben.
Antje Möldner (SC Potsdam) und Julia Hiller (LAC Quelle/Fürth München) sorgten dort über 3.000 Meter Hindernis mit ihren neuen deutschen Rekorden für herausragende Leistungen aus nationaler Sicht.Hinter der Äthiopierin Sofia Assefa (9:33,65 min) belegte Antje Möldner in 9:34,21 Minuten den zweiten Platz und verbesserte den sechs Jahre alten deutschen Rekord der Erfurterin Melanie Schulz, der bisher bei 9:38,31 Minuten stand. Damit blieb sie auch deutlich unter der Norm (9:40,00 min) für die Olympischen Spiele in Peking (China).
Julia Hiller löst Verena Dreier ab
Ebenfalls sehr stark präsentierte sich die erst 20-jährige Julia Hiller, die in 9:42,72 Minuten eine neue deutsche Junioren-Bestleistung aufstellte. Den alten Rekord von 9:48,90 Minuten hatte Verena Dreier (LG Sieg) 2006 bei den Europameisterschaften in Göteborg (Schweden) aufgestellt.
Hellauf begeistert von diesen Leistungen in Neerpelt war Hindernis-Disziplintrainer Werner Klein, dem augenscheinlich ein gewisser Stein vom Herzen fiel. „Ich bin einfach nur happy“, waren seine ersten Worte. „Zwei deutsche Rekorde in einem Lauf und dann noch die Norm, was will man mehr? Das tut der Disziplin 3.000 Meter Hindernis sehr gut.“
Einstand nach Maß
Dabei war der Lauf in Neerpelt das erste Hindernisrennen überhaupt von Antje Möldner. Die ehemalige Mittelstrecklerin wechselte erst zu dieser Saison von der 1.500 Meter-Distanz auf die Hindernisstrecke. Gemeinsam mit ihrer Trainerin Beate Conrad hatte sie 2007 zunächst einen Wechsel auf die Langstrecke ins Auge gefasst und auch schon die 5.000 Meter-Distanz getestet.
Danach war beiden aber recht schnell klar, dass die Langstrecke nicht das Richtige ist. „Beim Kadereröffnungslehrgang in Saarbrücken ist Antje dann im letzten Herbst zum ersten Mal über ein paar Hindernisse gelaufen“, beschreibt Beate Conrad den Weg zur neuen Disziplin. „Dabei hatte sie natürlich den Vorteil, dass sie früher an der Sportschule auch schon Hürden gelaufen ist.“
Potenzial angedeutet
An Pfingsten wurde in diesem Frühjahr in Berlin dann erstmals gemeinsam mit dem DLV-Disziplintrainer an der Wassergrabentechnik gearbeitet und beim Läufermeeting in Pliezhausen absolvierte Antje Möldner ihren ersten Hindernis-Wettkampf. Bereits dort deutete sie bei ihrem Sieg in 6:23,46 Minuten über 2.000 Meter ihr Potential an.
„Nach der Premiere vor zwei Wochen haben mir alle gesagt, dass es auf Anhieb mit der Olympia-Norm klappen könnte. Deswegen war ich morgens noch ziemlich nervös“, sagt Antje Möldner selbst. „Ziel war es, einfach mal mitzurennen und einen 3:11er oder 3:12er Schnitt zu probieren für die Norm.“
Von Beginn aktiv
Im Rennen zeigte sich Antje Möldner von Beginn an in der Spitzengruppe und gestaltete den Verlauf aktiv mit. „Ich bin direkt gut über die Hindernisse drüber gekommen und war da auch immer schneller als die Konkurrenz.“ So wurde der erste Kilometer in 3:08 Minuten passiert. „Da musste ich sie eigentlich bremsen und habe geschrien ‚Antje das reicht’, aber wegen der lauten Trommlergruppe hat sie mich nicht verstanden“, hatte ihre Trainerin zunächst Bedenken wegen dem schnellen Beginn.
Nach der Durchgangszeit von 6:23 Minuten bei 2.000 Metern kam die Norm dann immer näher. Eingangs der letzten Runde hatte sie einen kleinen Rückstand auf ein Führungstrio. Antje Möldner kämpfte sich aber wieder heran, schob sich eingangs der Zielgerade auf Platz drei vor und überspurtete mit einem sehr starken Finish auch noch die letztjährige WM-Finalistin Sara Moreira aus Portugal. „Mein Finish hat mich selbst erstaunt. Das hat auf jeden Fall richtig Spaß gemacht. Und diesmal haben sogar alle sieben Wassergraben-Hindernisse geklappt.“
Disziplin gesucht und endlich gefunden
Hin und weg war nach dem Lauf auch Trainerin Beate Conrad. „Nach dem Abschlusstraining mittwochs vor dem Wettkampf war ich zwar zuversichtlich, aber bei den Hindernissen kann ja immer was passieren.“ Abschließend brachte sie es dann mit einem treffenden Satz auf den Punkt: „Jetzt sind wir angekommen bei unserer Disziplin, die wir schon immer gesucht haben.“
Disziplintrainer Werner Klein traut Antje Möldner sogar noch schnellere Zeiten zu. „Jetzt gilt es, die Olympischen Spiele vorzubereiten und dort eine gute Rolle zu spielen.“ In der aktuellen Weltjahresbestenliste reihte sich Antje Möldner vorerst auf Platz fünf ein.
Positive Überraschung
Mehr als nur zufrieden mit dem Abschneiden seines Schützlings war auch Jörg Stäcker, der bayrische Landestrainer im Laufbereich und Heimtrainer von Julia Hiller. „Es war vorher schon ein Traum gewesen, unter der internationalen Norm von 9:45 Minuten für Olympia zu bleiben. Dass wir jetzt so nah an der nationalen Norm dran sind, ist eine sehr positive Überraschung.“
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge bewertete Julia Hiller selbst ihren Lauf. Natürlich freute sie sich, dass sie ihre Bestzeit, die sie im vergangenen Jahr an gleicher Stelle gelaufen war, um über 15 Sekunden gesteigert hat. „Ich ärgere mich aber auch ein bisschen, dass es nicht noch 2,8 Sekunden schneller war. Das wäre, glaube ich, drin gewesen. Vor allem die Überquerungen am Wassergraben waren nicht so perfekt. Da bin ich beim ersten Mal auch richtig aus dem Tritt gekommen.“
Weitere Planung offen
Ihr Trainer will sich nach diesem Leistungssprung ein paar Tage Zeit lassen mit der Entscheidung, ob man noch weitere schnelle Rennen für die Norm sucht. „Sie ist noch eine so junge Athletin, da muss man das genau abwägen. Aber die zwei Sekunden reizen natürlich schon.“ Falls es dieses Jahr noch nichts mit der Norm wird, hat Julia Hiller aber schon ganz konkrete Ziele für die kommende Saison. „Da habe ich die U23-Europameisterschaften und die WM in Berlin als Ziel. Es sind ja jetzt nur noch zwei Sekunden, die fehlen. Und bis dahin sollte das schon klappen.“
Das nächste Aufeinandertreffen wird es für Antje Möldner und Julia Hiller bereits am Sonntag (8. Juni) bei der Leichtathletik-Gala in Regensburg über 1.500 Meter geben.