Deutsche Seniorenmeisterschaften II
Zum fünften Mal war Kevelaer am vergangenen Wochenende für die Seniorinnen und Senioren Gastgeber einer Deutschen Meisterschaft. Und wieder waren alle Beteiligten voll des Lobes über die Ausrichtung der diesjährigen Titelkämpfe für die Klassen M/W 50 und älter.
Bei größtenteils brütender Hitze wurden im Hülsparkstadion je vier Weltrekorde und deutsche Bestleistungen aufgestellt. Vier der fünf an den Rekorden und Bestleistungen Beteiligten werden auch bei den am 15. Juli beginnenden Senioren-Europameisterschaften in Nyiregyhaza (Ungarn) am Start sein, so dass bei internationaler Konkurrenz vielleicht schon wieder die eine oder andere Topleistung in die Rekordlisten eingetragen werden kann.Schnelle Sprinter in der M 50
Über 100 Meter der Klasse M 50 blieben gleich drei Sprinter unter 12 Sekunden, das hatte im ganzen Jahr 2009 nicht einer geschafft. Frank Becker (LC Schifferstadt) gewann in 11,65 Sekunden vor Czeslaw Pradzynski (LAV Zeven) in 11,79 Sekunden und Hermann Mager (TSV Kirchhain) in 11,95 Sekunden. Frank Becker fügte seinem Titel im Kurzsprint am Schlusstag noch die Meisterschaft über 200 Meter in 24,00 Sekunden hinzu.
Jörg Sender (TuS Eintracht Minden) lief über 800 Meter ein souveränes Rennen und gewann in 2:06,18 Minuten mit mehr als drei Sekunden Vorsprung. Frank Karotsch (TG Stockach) gewann wie im Vorjahr die 1.500 Meter und die 5.000 Meter. Nach vierjähriger Hürdenabstinenz gewann Wolfgang Richter (TSV Bayer 04 Leverkusen) die 100 Meter Hürden in sehr guten 14,69 Sekunden.
Mit 6,52 Metern kam Wolfgang Knabe (OSC Damme) dicht an seine erst wenige Wochen alte deutsche Bestleistung von 6,58 Metern im Weitsprung heran. Durfte man den Sieg von Rolf Heinzmann (SG Walldorf Astoria) im Diskuswurf mit 48,80 Metern noch als eine kleine Überraschung verbuchen, so war der Titelgewinn von Hammerwerfer Bernhard Ulrich (SV Germania Helmstedt) mit 57,41 Metern durchaus „programmgemäß“.
Zitterpartie für Wolfgang Ritte
Pech hatte Sprinter Reinhard Michelchen (VfL Sindelfingen) im Finale der Klasse M 55 über 100 Meter, als er, klar in Führung liegend, durch eine Verletzung um seinen Titel kam und nun hoffen muss, bis zu den Europameisterschaften wieder fit zu werden. Wie im Vorjahr gewann Walter Rentsch (LC Aichach) die Mittelstreckenwettbewerbe der Klasse M 55. Über 800 Meter lag er in 2:13,20 Minuten vor Bernd Bächle (LT Freigericht). Die gleiche Reihenfolge gab es über 1.500 Meter, hier setzte sich Walter Rentsch nach heftiger Gegenwehr Bernd Bächles erst auf den letzten Metern durch.
Dreifachsieger, wie schon bei den Titelkämpfen im Vorjahr in Vaterstetten, wurde Wolfgang Ritte (Weseler TV). Und ausgerechnet in der Disziplin, in der er einfach unangreifbar schien, wäre es beinahe schiefgegangen: Im Stabhochsprung hatte Wolfgang Ritte nach übersprungener Anfangshöhe von 3,80 Metern die nachfolgenden Höhen ausgelassen und auf 4,00 Meter gesteigert. Vorher allerdings hatte Rolf Nucklies (TV Idstein) 3,85 Meter übersprungen und sah schon beinahe, als Wolfgang Ritte die 4,00 Meter zweimal gerissen hatte, wie der angehende Sieger aus. Der Weltrekordmann behielt aber die Nerven und kam im dritten Anlauf nicht nur über 4,00 Meter, sondern schaffte mit 4,21 Metern auch noch eine standesgemäße Siegeshöhe.
Drei Sprinter unter 12 Sekunden
Drei Sprinter der Klasse M 60 mit 12er Zeiten und dem nach seinen Vorleistungen auch leicht favorisierten Winfried Heckner (LG Hünxe) in 12,77 Sekunden vor Hans-Dieter Marquardt (USC Mainz) in 12,88 Sekunden und Titelverteidiger Manfred Koch (Turbine Halle) in 12,93 Sekunden an der Spitze lautete das Resultat über 100 Meter. Der Mainzer gewann am Schlusstag dann die 200 Meter in 27,08 Sekunden.
Gute Siegerzeiten erzielten Karl-Heinz König (TV Refrath) in 2:15,24 Minuten und Heinz Lorbach (TuS Köln rrh.) in 4:46,45 Minuten, beide von der Spitze weg, über 800 Meter und 1.500 Meter. Winfried Schmidt (TuS Köln rrh.) beherrschte die Langstrecken, ließ es in Anbetracht der Hitze mit 18:14,89 Minuten und 37:41,59 Minuten sowohl über 5.000 Meter als auch über 10.000 Meter verhalten angehen.
Zum rechten Moment fit war Diskuswerfer Roland Klingler (LG Bliestal), der mit 48,73 Metern seine Jahresbestweite gleich um mehrere Meter steigerte und vor Georg Kinadeter (TV Hauzenberg) gewann, der auf 46,85 Meter kam. Im vergangenen Jahr war die Reihenfolge umgekehrt gewesen.
Vier Titel für Hans-Jürgen Frühauf
Zum erfolgreichsten Athleten in der Klasse M 65 wurde Hans-Jürgen Frühauf (TSV Weilheim), der die Titel über 100 Meter in 13,10 Sekunden, über 200 Meter in 26,97 Sekunden, über 400 Meter in 60,53 Sekunden und über 300 Meter Hürden in 46,51 Sekunden gewann. Das Duell zwischen Hans-Jürgen Frühauf und dem klassenhöheren M70-Weltrekordler Guido Müller (TSV Vaterstetten) war auf Zielgeraden noch keineswegs entschieden, als Guido Müller in die letzte Hürde trat und nicht ins Ziel kam.
Gegenüber seinem Vorjahrssieg legte Felix Mohr (LG Radolfzell) im Diskuswurf noch einige Zentimeter zu und kam mit persönlicher Jahresbestleistung von 49,34 Metern zum erneuten Erfolg. Beständig gut zeigte sich Herrmann Huppertsberg (DT Ronsdorf) im Hammerwurf: Der Wuppertaler hatte erst am 20. Juni die deutsche Bestleistung auf 54,49 Meter gesteigert und kam bei seinem Sieg in Kevelaer mit 54,21 Metern dicht an diese Weite heran.
Vier Siege für Guido Müller
Viermal Guido Müller (TSV Vaterstetten) hieß es in den Sprints der Klasse M 70. Über 100 Meter gewann der Münchner mit dem letzten Schritt in 13,29 Sekunden vor dem startschnellen Jürgen Radke (LAG Obere Murg), der in 13,30 Sekunden nur eine Hundertstelsekunde zurücklag. Ungefährdet kamen dann die Siege Guido Müllers über 200 Meter (28,45 sec) und über 400 Meter in (65,10 sec) zustande, in beiden Fällen hatte er nicht mehr als nötig getan.
Über 80 Meter Hürden profitierte Guido Müller allerdings vom Verletzungspech von Arno Hamaekers (LAG Obere Murg). Mit 12,96 Sekunden als neuer Weltrekordleistung war Arno Hamaekers angereist und schien dieses Ergebnis bei den guten Bedingungen in Kevelaer sogar noch steigern zu können, als er sich, in Führung liegend, eine Verletzung zuzog und das Rennen nicht beenden konnte.
Über 800 Meter zog Willi Scheidt (TS Herzogenaurach) erst auf der Zielgeraden an dem führenden Karl-Walter Trümper (LC Rapid Dortmund) vorbei und erzielte mit 2:30,74 Minuten eine neue deutsche Bestleistung der Klasse M 70 (Vorher: 2:32,07 min, Horst Schlecht, SG Misburg, 2005). Der Dortmunder hielt sich allerdings mit Siegen über 1.500 Meter und 5.000 Meter schadlos.
Hermann Albrecht mit optimaler Ausbeute
Zwei Starts und zwei Siege mit Top-Leistungen, das war die Bilanz von Hermann Albrecht (SpVgg. Satteldorf). Am zweiten Wettkampftag verbesserte er seinen im April erzielten Hammerwurfweltrekord von 54,17 Metern auf 55,36 Meter und kam am gleichen Tag im Hochsprung im dritten Versuch über 1,45 Meter. Damit verbesserte Hermann Albrecht die bisher von drei Athleten gehaltene deutsche Bestleistung von 1,44 Metern um einen Zentimeter.
Ohne Mühe sicherte sich Horst Schrader (TuS Celle) in der Klasse M 75 die Titel über 100 Meter in 13,89 Sekunden, über 200 Meter in 28,55 Sekunden und über 400 Meter in 67,33 Sekunden. Über 100 Meter wäre sicherlich ein Aufeinandertreffen Horst Schraders mit dem Titelverteidiger und Weltrekordinhaber Bruno Kimmel (TSV Speyer) interessant gewesen, doch dieser will dieses Jahr pausieren und erst im kommenden Jahr wieder in Erscheinung treten.
Horst Schlecht (SG Misburg) sicherte sich überlegen die Titel über 800 Meter und 1.500 Meter, wobei er sowohl über 800 Meter mit 2:45,61 Minuten seine eigene, als auch über 1.500 Meter mit 5:41,65 Minuten die deutsche Bestleistung von Eckart Maas (SuS Bertlich) durchaus in Reichweite hatte.
Peter Speckens (SV RW Schlafhorst) zeigte sich nach seiner Verletzung wieder im Kommen, als er im Diskuswurf 38,41 Meter und im Hammerwurf 41,68 Meter erzielte. Spannend ging es im Speerwurf der Klasse M 70 zu. Lothar Huchthausen (LG Altmark) hatte im April mit 43,53 Metern den bisherigen Inhaber der deutschen Bestleistung, Manfred Hoffmann (TV Gelnhausen), entthront, doch in Kevelaer gelang nur Manfred Hoffmann mit 40,89 Metern ein Wurf über die 40-Meter-Marke.
Wieder im Kommen: Wolfgang Reuter
Immer noch mit den Folgen einer Verletzung hat Wolfgang Reuter (LAV Husum) zu kämpfen, er ist aber so langsam wieder im Kommen. In der Klasse M 80 gewann er die 100 Meter in 15,44 Sekunden und die 200 Meter in 33,03 Sekunden. In den Wurfdisziplinen ragte Richard Rzehak (SC Preußen Erlangen) mit 11,75 Metern im Kugelstoß und besonders natürlich mit 41,53 Metern im Hammerwurf heraus. Mit Gerhard Dreßler (TV Vaihingen/Enz) im Kugelstoß sowie Fritz Morgenroth (Recklinghäuser LC) im Diskuswurf und Speerwurf gab es drei neue Titelträger in der Klasse M 85.
Durch das verletzungsbedingte Fehlen der hohen Favoritin und Titelverteidigerin Petra Kauerhof (LAZ Obernburg-Miltenberg) war der Ausgang in den Sprintentscheidungen der Klasse W 50 völlig offen. Über 100 Meter setzte sich Carola Borgwardt (WSG 81 Königs Wusterhausen) in 13,66 Sekunden durch, die Titel auf den längeren Distanzen gingen an Silvia Braunisch (LGG Ganderkesee) in 28,41 Sekunden über 200 Meter und 66,12 Sekunden über 400 Meter.
Wie schon im vergangenen Jahr war Annette Koop (LG Emstal Dörpen) auch in Kevelaer auf den Mittelstrecken wieder ungefährdet. Mit 2:28,81 Minuten über 800 Meter und 5:04,41 Minuten über 1.500 Meter kam sie zu zwei leichten Siegen. Über 5.000 Meter überraschte Silke Schmidt (mettmann-sport) nicht nur mit ihrem Titelgewinn und dem großen Vorsprung vor der Vorjahrssiegerin Elke Walter (TG Nürtingen), sondern auch mit ihren fabelhaften 18:29,08 Minuten.
Ulrike Engelhardt verpasst vierten Sieg knapp
Sigrid Böse (LG Neiße) kam zweimal zu Meisterehren: Über 80 Meter Hürden gewann sie in 13,33 Sekunden und im Weitsprung kam sie mit 4,79 Metern ihrer persönlichen Jahresbestleistung bis auf zwei Zentimeter nahe.
In den Wurfdisziplinen sah schon alles so aus, als könne Ulrike Engelhardt (ASV Erfurt) ihren totalen Vorjahrserfolg in allen vier Disziplinen wiederholen, denn den Kugelstoß mit 12,48 Metern, den Diskuswurf mit 39,38 Metern und den Hammerwurf mit 47,30 Metern hatte sie schon gewonnen. Und auch im Speerwurf lag die Erfurterin mit 34,21 Metern bis zum letzten Durchgang in Führung, als Wiebke Baseda (SV Grün-Weiß Harburg) mit ihrem letzten Versuch von 35,57 Metern doch noch vorbei kam und sich den Titel sicherte.
Erfolgreich nach Verletzungspause
Nach längerer Verletzungspause waren die 13,83 Sekunden über 100 Meter und die 28,76 Sekunden über 200 Meter, die Dagmar Fuhrmann (Usinger TSG) als Sprint-Doppelsiegerin in der Klasse W 55 erzielte, durchaus zufriedenstellend. Dazu schlug sie den Weitsprung-Spezialistinnen noch ein Schnippchen, als sie auch hier, weitengleich mit Christina Friedrich (LG Neiße), mit 4,29 Metern siegte.
Lidia Zentner (Gazelle Pforzheim/Königsbach) beließ es, in Anbetracht der kommenden Wettkämpfe, bei einem Start über 800 Meter und gewann leicht in 2:34,10 Minuten, einer Zeit, die nur geringfügig über ihrer deutschen Bestleistung dieser Klasse liegt. Christina Friedrich (LG Neiße) mit 14,75 Sekunden über 80 Meter Hürden und Ute Ritte (Weseler TV) mit 2,70 Metern im Stabhochsprung verteidigten ihre Titel erfolgreich. Das beste Wurfresultat schaffte Jutta Neumann (SSV Planeta Radebeul) mit 38,71 Metern im Hammerwurf.
Sigrid Gößling dreimal vorn
Zweimal Sigrid Gößling (LG Porta Westfalica) vor Petra Zörner (OSC Berlin) hieß es in den Sprints der Klasse W 60. In 14,58 Sekunden über 100 Meter und 31,24 Sekunden lag Sigrid Gößling in beiden Wettbewerben vorn und gewann dazu noch den Weitsprungtitel mit 4,07 Metern. Über 5.000 Meter gewann die Lokalmatadorin Marianne Spronk aus dem Nachbarort Goch, wie im Jahr 2009, den Meistertitel und blieb mit 20:55,60 Minuten als einzige Läuferin unter 21 Minuten.
Das beste Niveau in den Wurfwettbewerben zeigten die Hammerwerferinnen. Eva Nohl (TSV Langenzenn) gewann mit ihren gleich im ersten Durchgang vorgelegten 37,66 Metern vor Margarete Tomanek (LG 90 Kreis Ebersberg), die ebenfalls bereits im ersten Versuch 37,40 Meter erzielte.
In der Klasse W 65 sicherte sich die neu in diese Klasse aufgerückte Christl Weniger (TSV Zirndorf) die Titel über 100 Meter und 400 Meter, über 200 Meter kam noch ein zweiter Rang hinter Hannelore Venn (Pulheimer SC ) dazu. Hamburger Siege gab es durch Ursula Stelling (SC Victoria Hamburg) mit 1,28 Metern im Hochsprung und Gisela Herrndorf (SV Lurup Hamburg) mit 3,85 Metern im Weitsprung.
Beide hatten im Vorjahr in den gleichen Disziplinen den zweiten Platz belegt. Im Hammerwurf tauschten Hella Böker (MT Melsungen) und Gudrun Mellmann (SV Lurup Hamburg) ihre Plätze vom Vorjahr. In Kevelaer gewann Hella Böker den Hammerwurf mit 33,03 Metern vor Gudrun Mellmann mit 31,85 Metern.
Rekorde durch Elfriede Hodapp und Christa Happ
Zu erwarteten Doppelerfolgen kamen in der Klasse W 70 Erika Sauer (SpVgg. Warmbronn) mit 16,43 Sekunden über 100 Meter und 3,72 Metern im Weitsprung sowie Rona Frederiks (OSC Berlin) mit 6:16,58 Minuten über 1.500 Meter und 23:00,59 Minuten über 5.000 Meter.
Vier verschiedene Titelträgerinnen gab es in den Stoß- und Wurfwettbewerben. Monika Bernert (LG Altmark) mit 9,82 Metern im Kugelstoß, Anne Chatrine Rühlow (SV Burgsteinfurt) als Titelverteidigerin mit 28,58 Metern im Diskuswurf, Irma Kichhofs (TuSpo Borken) mit 29,56 Metern im Hammerwurf und Ingrid Kusche (TV Erkelenz) mit 25,64 Meter Speerwurf hießen die Siegerinnen.
Als überragende Athletin der Klasse W 75 stellte sich Elfriede Hodapp (LG Ortenau Nord) vor. Den Titel über 5.000 Meter ihrer Altersklasse sicherte sie sich in neuer deutscher Bestzeit, indem sie ihre eigene Bestmarke von 24:23,3 auf 24:13,96 Minuten steigerte, und innerhalb der Laufentscheidungen der Klasse W 70 erzielte sie sogar zwei neue Weltrekorde: Über 800 Meter war sie in 3:13,66 Minuten schneller als die Italienerin Emma Mazzenga, die im Jahr 2008 3:25,18 Minuten erzielt hatte, und über 1.500 Meter steigerte Elfriede Hodapp die Weltbestmarke der Dänin Doris Dalgaard von 6:41,15 Minuten aus dem Jahr 2006 auf 6:34,22 Minuten.
Einen weiteren Weltrekord erzielte Christa Happ (Turbine Halle). Als Angehörige der Klasse W 80 kam sie im Weitsprungwettbewerb der Klasse W 75 als Zweitplatzierte auf 3,05 Meter und steigerte ihre eigene Rekordleistung aus diesem Jahr gleich um 15 Zentimeter.