Deutsche Springer gehen in die Offensive
'Deutschland, ein(z)ig Werferland?' lautete eine Schlagzeile auf leichtathletik.de im letzten Jahr nach der Weltmeisterschaft in Osaka (Japan). Doch es regt sich was und eine Gruppe von Athleten will langsam am Thron der deutschen Werfer rütteln. Es springt sich (wieder) gut im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) und es soll bald noch zielsicherer gelandet werden.
Das Team der Springerinnen und Springer machte in den letzten Monaten auf breiterer Front und über den auf hohem Niveau praktizierten Stabhochsprung hinaus mit weiten Sprüngen in die Sandgrube und Höhenflügen über die Latte auf sich aufmerksam. Seit dem letzten Jahr lassen sich, wenn man genau hinsieht, diese neue Sprungkraft und deren praktische Umsetzung beobachten.Die Hochspringer Ariane Friedrich aus Frankfurt und Eike Onnen von der LG Hannover sowie die Weitspringer Bianca Kappler aus Rehlingen und Christian Reif vom ABC Ludwigshafen mischen in der Weltspitze mit. Ihre Namen stehen für die derzeitige Sprungoffensive. Dazu kommen die ohnehin auf breiter Front etablierten Stabhochspringer, die stets auch in den letzten Jahren für vordere Platzierungen gut waren.
Breiteres Spektrum
In der Vergangenheit war nach dem internationalen Wettkampf-Höhepunkt des Jahres oft und immer wieder die Rede von Deutschlands Werfern und deren Medaillengewinnen. Aus dem Lager der Springer gab es solche Meldungen nicht. Doch der DLV will seine Top-Athleten nicht auf einige wenige Disziplinen begrenzen.
Um dieses Ziel zu erreichen, gilt es zu investieren - auch in scheinbar weniger erfolgsverwöhnte Disziplinbereiche. Vordere Platzierungen sind zwar gut, aber nicht gut genug, um großes Interesse bei Medien und Zuschauern zu wecken.
Zurück zu alter Sprungstärke
Doch sind in allen Sprungdisziplinen Europäer in der Weltspitze, und auch in allen Sprungdisziplinen gab es schon deutsche Weltklasse-Athleten. Diese zweifellos vorhandene Konkurrenzfähigkeit der deutschen Athleten soll auch die internationale Sprungelite wieder zu spüren bekommen. Zu diesem Zweck wurde im Herbst 2006 das DLV-Sprungteam gegründet.
Der Leitende Bundestrainer Jürgen Mallow selbst steht hinter dieser Idee, in Anlehnung an das erfolgreiche Modell des Wurfteams. Top-Athleten und Fachleute befruchten sich gegenseitig.
Potenzial nutzen
Die finanzielle Unterstützung seitens des DLV ist abgesichert. Das Ziel des Sprungteams liegt darin, das vorhandene Potential zu nutzen und an dieser Disziplingruppe „dranzubleiben“, um wieder Medaillen und vordere Platzierungen zu erspringen. Für die Olympischen Spiele in Peking (China) bedeutet dieser Plan nun „das Erreichen von drei Finalplätzen und dem Riechen an einer Medaille“, gibt Sprungteam-Manager Uli Knapp.
Unterstützung bei der Umsetzung erhält er durch die DLV-Disziplintrainerinnen Elke Bartschat (Dreisprung) und Brigitte Kurschilgen (Hochsprung) sowie Uwe Florczak (Weitsprung männlich). Auch ohne die professionelle Arbeit der Heimtrainer wäre das Projekt nicht möglich.
„Gut Ding will Weile haben“
Und die Vorgabe erscheint realistisch, der positive Trend der deutschen Springer ist in den Ergebnisprotokollen ablesbar. „Die Athleten des Sprungteams haben 2007 ein Zeichen gesetzt, die ersten Ansätze sind da und so soll es weiter gehen. Einige von ihnen haben den Sprung in die Weltspitze vollzogen“, sagt Uli Knapp. Dazu gehören Christian Reif mit bei der WM in Osaka gesprungenen 8,19 Metern, die WM-Fünfte Bianca Kappler (Bestleistung 6,90 m) oder Hochspringer Eike Onnen. Er wurde Siebter in Osaka. Seine Bestleistung von 2007 steht bei 2,34 Metern.
Im Winter ließ auch die jüngere Generation, vertreten durch Weitspringerin Melanie Bauschke (6,56 m; LG Nike Berlin) oder den Dresdner Raul Spank mit 2,26 Meter im Hochsprung aufhorchen. Aber das Team gibt auch jungen Athleten oder Springern mit Verletzungsproblemen die Chance, sich zu entwickeln - ohne Erfolgsdruck. „Gut Ding will Weile haben.“
Vier Säulen zu mehr Sprungkraft
Uli Knapp erklärt die neue Sprungkraft so: „Das Team gibt den Athleten einen wichtigen Anstoß und zeigt ihnen, dass ihre Disziplin im DLV etwas bedeutet. „Das Sprungteam wirkt zudem motivierend: „Ein tolles Beispiel ist Ariane Friedrich. Sie hat sich zum absoluten Vollprofi gemausert und eine super Entwicklung genommen.“
Das System des Sprungteams basiert Uli Knapp zufolge auf verschiedenen Säulen: „Der Kooperation im medizinischen Bereich, Partner ist das St. Josef Stift in Sendenhorst, der Zusammenarbeit im Bereich des Krafttrainings unter der Anleitung von Eberhard Deutscher, einem ehemaligen Trainer im Gewichtheben, der sportpsychologischen Unterstützung durch Michael Gutmann und Jan-Gerrit Keil sowie das gemeinsame Trainieren mit ausländischen Coaches und deren Athleten bei Lehrgängen und Leistungsdiagnostiken.“ Im Bereich der Biomechanik arbeitet der DLV mit Jörg Böttcher vom OSP Berlin zusammen.
Lernen mit Trainern aus dem Ausland
Die Liste der internationalen Trainer, die vom DLV-Sprungteam gewonnen wurden, liest sich wie eine Erfolgsbilanz. Während Lehrgängen standen schon Alfano Moura, Coach vom momentan weltbesten Weitspringer Irving Saladino (Panama), sowie der Trainer der Hallen-WM-Zweiten Maurren Higa Maggi (Brasilien) mit Rat und Tat zur Seite. Im Herbst gab der Coach der Belgierin Tia Hellebaut, Wim Vandeven, den deutschen Hochspringern ein Stück von seinem Wissen ab. Weitere Kooperationen sind geplant mit Yannick Tregaro. Er trainiert den Schweden Christian Olsson (Dreisprung) und betreute Kajsa Bergqvist (Hochsprung).
Der Teammanager ist überzeugt von der Effektivität und dem Motivationsfaktor solcher Kooperationen. „Gerade für die jüngeren Athleten ist es wichtig, einen Top-Mann live im Training zu erleben und von ihm zu lernen.“ Weiterer wichtiger Mentor ist Eckard Hutt, der wieder zurück ist im „Sprungboot“. „Wir brauchen sein Know-How, um Leistungen für die Weltspitze produzieren zu können, vor allem im Dreisprung“, sagt Uli Knapp über die Rückkehr.
Eckhard Hutt wieder im Boot
Eckhard Hutt ist der ehemalige Trainer von Dreispringer Ralf Jaros, der 1991 17,66 Meter sprang, das ist bis heute deutscher Rekord. Ebenso wichtig ist dem Teammanager die Zusammenarbeit mit Gerd Osenberg, „einem der erfolgreichsten Sprungtrainer weltweit.“ Gerd Osenberg bietet den Athleten regelmäßig mehrtägige Hospitanzen in Leverkusen an, um sein Fachwissen aus vierzig Jahren Sprungerfahrung weiterzugeben.
Dass die Athleten die Maßnahmen gerne annehmen, zeigt auch die große Resonanz am gemeinsamen Frühjahrs-Trainingslager in Monte Gordo (Portugal). Mit dabei sind Eike Onnen, Raul Spank und Bianca Kappler sowie die Acht-Meter-Springer Christian Reif, Peter Rapp (LAV asics Tübingen), Christoph Stolz (VfL Wolfsburg), Nils Winter (Team Referenznetzwerk Leverkusen) und Sebastian Bayer (TSV Bayer 04 Leverkusen).
Dann startet die Sprungoffensive des DLV in den Olympischen Sommer. Heike Drechsler wurde 2000 in Sydney (Australien) Olympiasiegerin. Bei der EM 2002 in München gab es mit Silber für Dreispringer Charles Friedek die bisher letzte Medaille im Freien für die deutschen Weit-, Drei- oder Hochspringer. Bianca Kappler holte 2005 bei der Hallen-EM in Madrid Bronze. Es ist also an der Zeit für Sprünge in neue Regionen.