Deutscher Männer-Speerwurf im Umbruch
Das Speerwerfen der Männer ist gegenwärtig in einer schwierigen Phase, ähnlich wie es auch anderen Disziplinen in Deutschland ergeht. "Wir befinden uns altersmäßig im Umbruch, haben in den letzten Jahren ein paar Leitfiguren verloren", erklärt DLV- Disziplintrainer Ralf Wollbrück (Magdeburg).
Stefan Wenk ist der momentan stärkste DLV-Speerwerfer (Foto: Möldner)
"Das ist einmal Raymond Hecht, der in den letzten zehn bis 15 Jahren sehr viel für die Disziplin getan hat. Das ist zum anderen Boris Henry, der zwar nach seiner Verletzung wieder um den Anschluss kämpft, aber eben im Moment nicht weit wirft. Das sind für mich zwei schillernde Figuren gewesen, die eine große Rolle im Speerwurf gespielt haben", sagt er. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch der Frankfurter "Oldie" Peter Blank, der zwar zu internationalen Höhepunkten nie ein herausragendes Ergebnis schaffte, aber national eben immer mit vorn war. Er hat aller Wahrscheinlichkeit seinen leisen Abschied vom Wettkampfsport genommen, auch wenn man da bei ihm, wie früher auch, nie sicher sein kann.
Große Kluft
Die Athleten, die momentan das Bild im Speerwurf bestimmen, haben große Schwierigkeiten, sich an der Weltspitze zu orientieren. "Die Kluft ist einfach zu groß, es sind teilweise zehn Meter Differenz. Und das wirkt auch erdrückend", meint Ralf Wollbrück im Gespräch mit leichtathletik.de.
"Wir werden sicher ein bis zwei Leute mit bei der EM in Göteborg haben, wobei wir uns eigentlich drei vorgenommen hatten", erklärt er. "Aber man muss dann dort ganz viel Glück haben, um in die vorderen Bereiche zu kommen." Immerhin haben mit Andreas Thorkildsen (Norwegen; 91,59 m), Tero Pitkämäki (Finnland; 91,11 m) und Vadims Vasilevskis (Lettland; 90,43 m) zuletzt drei Athleten mehr als 90 Meter geworfen.
Stefan Wenk ragt heraus
Es sind einerseits bisher nicht die Weiten geworfen worden, zu denen die deutschen Athleten in der Lage sind, aber andererseits haben sie im Moment aus den unterschiedlichsten Gründen Schwierigkeiten, sich besser dazustellen.
Der Einzige, der positiv aus dem Rahmen fällt, ist Stefan Wenk (VfL Sindelfingen), der sich in diesem Jahr wieder nach vorn gebracht hat, auch mit seiner Bestweite von 83,94 Metern, die er Anfang Juni in Oslo (Norwegen) erzielte. Er ist bisher der einzige Athlet, der die EM-Norm von 81,80 Metern mehrmals übertroffen hat. Und auch nach dem weniger gelungenen Auftritt beim Europacup in Malaga (Spanien), als er mit nur 76,98 Metern Vierter wurde, hatte er sich in Luzern (Schweiz) mit 82,37 Metern wieder bestens präsentiert.
Schwierigkeiten
Die anderen Athleten aber haben allesamt Schwierigkeiten, in den Bereich der Norm zu werfen bzw. sie zu übertreffen.
Mark Frank (1. LAV Rostock), der im vorigen Jahr bester deutscher Speerwerfer war und bei der WM in Helsinki (Finnland) Achter wurde, schleppt sich seit über einem halben Jahr mit einer Fußverletzung herum, die er sich im September des vorigen Jahres in Kienbaum zugezogen hatte. Das behindert ihn absolut beim Werfen. "Er kann nicht hundertprozentig das linke Bein hinstellen, so dass der ganze Aufbau zum Abwurf hin nicht möglich ist." So konnte er bisher nur einmal die EM-Norm werfen.
Björn Lange stark im Training
Christian Nicolay (TV Wattenscheid 01), der zweite WM-Teilnehmer des Vorjahres, ringt um technische Stabilität, denn wie bei allen anderen Athleten ist die notwendige Physis vorhanden. Und er hatte zuletzt mit einem leichten Faserriss im Beuger zu tun, der ihn behinderte. In Luzern warf er mit einer Oberschenkelbandage und kurzem Anlauf 76,52 Meter und war glücklich darüber, dass das Bein hielt. Aber optimal ist das nicht für die künftigen Wettkämpfe, speziell auch für die anstehenden Deutschen Meisterschaften in Ulm (15./16. Juli), nicht.
Bei Manuel Nau (SCC Berlin) und Peter Esenwein (LAZ Salamander Kornwestheim/Ludwigsburg) fehlten noch zwei Meter zur Norm, keine Kleinigkeit. Und auch Björn Lange (SC Magdeburg), vom DLV-Trainer als Heimtrainer betreut, hat mit 77,22 Metern noch nicht sein Optimum erreicht. "Ich schätze ihn weiterhin als physisch stärksten Athleten im DLV ein, aber er hat Schwierigkeiten, diese Physis auf den Speer zu bringen. Im Trainingslager im April in Alicante warf er deutlich weiter. Auch jetzt schafft er eine Bestleistung nach der anderen bei den Zubringerwerten, und man fragt sich, warum er damit nicht weit werfen kann."
Ausgang offen in Ulm
Für Ulm ist der Ausgang für Ralf Wollbrück völlig offen. "Es werden Athleten antreten, die ein etwa gleiches Leistungsniveau haben. Fünf bis sechs Leute haben in Ulm die Chance, zu gewinnen, wobei Stefan Wenk eine leichte Favoritenstellung einnimmt, weil er bisher am konstantesten warf."