Diana Rach erhärtet Medaillenchance
29 Jahre, nachdem bei den Olympischen Spielen 1976 in Montreal die Goldmedaille im Fünfkampf bei Punktgleichheit von zwei zwei Erfurterinnen (Sigrun Siegl und Christine Laser) erst nach der Zahl der Siege im direkten Vergleich (4:1) an Sigrun Siegl fiel, kann sich eine gerade 16-jährige Erfurterin Diana Rach bei den U18-Weltmeisterschaften in Marrakesch gute Medaillenchancen ausrechnen.
Diana Rach liegt auf gutem Kurs (Foto: Möldner)
"Das ist ja Bestzeit für mich", jubelte die flinke Blonde aus Thüringen, als sie den schnellsten 200-Meter-Lauf der jungen Mehrkämpferinnen bei Flutlicht, aber immer noch 35 Grad Hitze, in 24,65 Sekunden gewonnen hatte. Damit rückte die Schülerin von Trainer Michael Weber mit ihren 3.355 Punkten ziemlich nahe an die vor allem wegen ihres 1,81-Meter-Hochsprungs führende Russin Jana Pantelejewa (3.388) und deren favorisierte Landsmännin Tatjana Tschernova (3362) heran. Romy Gürbig (ebenfalls aus Erfurt) liegt mit 3.280 Punkten vor dem zweiten Tag auch noch gut. "Matthias Prey und Jan Felix Knobel haben uns mit ihrem guten Abschneiden im Achtkampf angespornt, wir wollen zusammen ähnlich gut wie sie aussehen", nahmen sich die beiden Erfurterinnen vor. Matthias Prey hatte drei Stunden vorher nach für uns fremd klingender marokkanischer Musik beim Einmarsch der Medaillengewinner seine Achtkampf-Silbermedaille erhalten. Der siegreiche Kubaner Jordani Garcia wiederholte anschließend noch einmal sein Staunen über die eigenen Verbesserungen: "Ich habe in allen acht Übungen persönliche Bestleistungen erzielt!" Das ist in der Tat eine Rarität.
Aufregung um Robin Schembera
Große Aufregung herrschte in der deutschen Mannschaft nach dem vom Kenia-Duo Gilbert Kipkurui (1:48,42 min) und Jackson Mumbua Kwinia (1:48,57 min) im Spurt klar beherrschten 800-Meter-Finale. Während Robin Schembera beim Kampfgericht protestierte, weil ihn der aus Botswana stammende Shaka Utsumako (Vierter mit 1:49,76 min) um eine bessere Platzierung als Sechster (1:51,63 min) gebracht hatte, eilten mehrere seiner Freunde aus dem Team mit ihren Videokameras herbei und beteuerten: "Wir können beweisen, dass Robin kurz vor der Zielgeraden zweimal gerempelt worden ist."
Ärgerlich bestätigte der Leverkusener: "Der hat mich auf jeden Fall um eine neue Bestzeit gebracht." Nach heißen Diskussionen verzichteten Delegationsleiterin Esther Fittko und der ebenso regel- wie fremdsprachenkundige Jan Kern dann doch darauf, offiziell Protest einzulegen. Jan Kern verriet: "Man hat uns geraten, das Protestgeld zu sparen, da der Einspruch wohl mit der Begründung abgelehnt würde, dass es sich um eine normale Kollision von zwei Läufern im harten Endkampf handeln würde." Bis zu diesem Bremsvorgang etwa 120 Metern vor dem Ziel hatte der aus Halle nach Leverkusen gekommene einzige europäische 800-Meter-Finalist alles richtig gemacht und sich keinen Schritt im Feld versteckt, sondern selbst lange Zeit das Tempo gemacht. Dennoch war er nicht zu trösten: "Ohne dieses Ding wäre ich persönliche Bestzeit gerannt." Unter 1:50 Minuten will er in diesem Sommer auf jeden Fall noch rennen.
Stefanie Herrmann unsicher
Lange nicht so selbstsicher wie bei der mit 1,74 Metern sicher gemeisterten Qualifikation wirkte Stefanie Herrmann (LG Hohenfels) in der von der Chinesin Gu Biwei mit 1,87 Metern gewonnenen Hochsprung-Entscheidung. Bei 1,74 Metern sprang sie nur zweimal und dann auch noch ohne Erfolg. Im zweiten Versuch lief sie zunächst an der Hochsprunganlage vorbei und danach war die ihr für ihren Anlauf zustehende Zeit abgelaufen. "Das war mein schlechtester Wettkampf des Jahres, ausgerechnet hier", meinte sie zu den als Trösterinnen herbeigeeilten Freundinnen. Hat sie etwa der Betrieb, der neben der Hochsprunganlage von den Endläufen über 400 Meter Hürden und 400 Meter der Girls sowie 400 Meter der Jungen entfacht wurde, abgelenkt? "Nein, es lief einfach nicht", antwortete sie in der Enttäuschung über den elften Platz und die enttäuschende Höhe (1,70 m).
In den Vorkämpfen des Freitags schied von den vier deutschen Startern nur der Zweibrücker Stabhochspringer Raphael Holzdeppe aus. Wohl auch wegen einer Muskelverhärtung war für ihn schon bei seiner Einstiegshöhe (4,70 m) Endstation. 4,80 Meter waren für die Teilnahme am Finale notwendig. Diese Höhe schaffte auch der Leverkusener Marvin Reitze. Als bester Europäer und doch nur mit der zehntschnellsten Zeit (52,85 sec) überstand Christoph Kaesmacher den 400-Meter-Hürden- Vorlauf. Vielleicht kann er wenigstens die Position des Europabesten im Halbfinale verteidigen. Kurioserweise teilten sich der mit schrecklich schlechter Technik laufende Robert Kigen aus Kenia und der wie viele seiner Landsleute von ausländischen Trainern betreute Mohammed Daak aus Saudi Arabien mit 51,40 Sekunden die beste Vorlaufzeit. "So leicht hatte ich mir das nicht vorgestellt", meinte die Kölnerin Sabrina Buchrucker nach dem mit 2:11,28 Minuten ganz sicher überstandenen 800-Meter-Vorlauf. Sie hatte mit Anteil daran, dass in ihrem Vorlauf nach 30,94 Sekunden auf den ersten 200 Metern die Fronten geklärt wurden.
Europa im Hintertreffen
Nach 19 Wettbewerben gab es bislang Medaillen für 26 Länder, von denen im Gegensatz zu früheren Jahren nur noch zehn aus Europa kommen. Die dritte europäische Goldmedaille holte wie erwartet Sandor Palhegyi. Der junge Magyare setzte mit einem Hammerwurf von 81,99 Metern die Erfolgsserie des ungarischen Nachwuchses fort.
Mit acht Medaillen (3 – 4 – 1) führt Kenia die Edelmetall-Wertung an, obwohl ihnen der aus Afrikas bestem Läuferland nach Bahrain gewechselte Tarek Mubarak Taher über 2.000 Meter Hindernis mit einer neuen U18-Weltbestleistung (5:23,95 min) eine Goldmedaille wegschnappte. Mit verblüffender Sicherheit holten zuerst Nawal El Jack (51,19 sec) bei den Mädchen und wenige Minuten später Aam Mohammed Al-Nour (46,56 sec) die Siege über 400 Meter.
Ebony Collins neues Wundergirl
Im 1.500-Meter-Lauf der Mädchen hätten alle Zuschauer der mutigen japanischen Tempoläuferin Yurko Kobayashi (4:13,96 Minuten) den Sieg gegönnt. 2:14,82 über 800 Meter und 3:05,66 Minuten über 1200 Meter legte sie vor, bevor sie auf den letzten 200 Metern gegen Sheila Chepkurui aus Kenia (4:12,29 min) unterlag.
Zu den überlegendsten Titelgewinnern im heißen Marrakesch, das kann man schon nach knapp der Hälfte der Entscheidungen sagen, gehören ganz gewiss das US-Girl Ebony Collins (55,96 sec; 400 m Hürden) und der australische Weitspringer Chris Noffke (7,97 m bei 2,2 m/Sekunden Rückenwind). Interessant bei Ebony Collins, die bei den US-Journalisten als neues Wundergirl der in Marrakesch bislang eher enttäuschenden US-Mannschaft zählt, ist die Tatsache, dass sie von derselben High School in Los Angeles stammt wie die zuletzt in Paris und Rom bei der Golden-League-Serie erfolgreiche Lashinda Demus.