Die deutschen Werfer formieren sich
Die Leichtathleten an sich sind ausgeprägte Individualisten. Im speziellen gilt das sicherlich für die deutschen Werfer. Keine Gruppe im Deutschen Leichtathletik-Verband ist so erfolgreich wie die dieser Disziplinen und dennoch gilt hier die Devise "Wer Erfolg will, muss verändern."
Jürgen Schult ist "Klassensprecher" der Werfer (Foto: Chai)
Einen Teamleiter Wurf wie Karlheinz Leverköhne gibt es seit der Reform im DLV nicht mehr, dafür haben die Wurftrainer Jürgen Schult zum "Klassensprecher" gewählt. Nun versucht der einstige Weltklasse-Diskuswerfer zusammen mit dem schon vor Jahren gegründeten vollkommen eigenständigen Wurf-Team e.V. neue Wege zu gehen. Einen Großteil seines Engagements muss er dabei auf Überzeugungsarbeit bei den beteiligten Trainern und Athleten verwenden und jeder, der schon einmal eine neue Organisation aufgebaut hat, weiß, welch großer administrativer und planerischer Aufwand dahintersteckt.
Die Mittel und Ressourcen des Verbandes werden knapper und so ist es dringend angezeigt, intelligente Wege zu finden, wie man mit möglichst wenig Aufwand einen größtmöglichen Nutzen ziehen kann. Spätestens hier fallen einem Parallelen zur freien Wirtschaft auf und so nutzt Jürgen Schult viele betriebswirtschaftliche Ansätze und Erkenntnisse.
Lösungsansatz
In Jürgen Mallow hat er dabei einen Befürworter seines Lösungsansatzes gefunden, der leitende Bundestrainer unterstützt die Teammaßnahmen, denn Konzentration bedeutet für den DLV auch sparsamen Einsatz der gegebenen Mittel.
Jürgen Schult ist es gelungen, mit seinen Disziplinkollegen Maria Ritschel, Gerhard Böttcher, Michael Deyhle, Werner Goldmann, Klaus Schneider und Ralf Wollbrück Teampartner zu gewinnen.
So sind zum Beispiel Dr. Knud Leonhardt und Norbert Müller verantwortlich für die medizinsche bzw. physiotherapeutische Absicherung von Teamwochen. Ergänzt wird das Kompetenzteam von Dr. Heike Kugler, die seit einigen Monaten die mentale Seite mit großem Erfolg abdeckt. "Wenn wir alle zusammen unsere Trainingsmaßnahme an einem Ort zur gleichen Zeit durchführen, dann können wir gerade diese Dienstleistungen gemeinsam nutzen und kostenbewusst einsetzen", so die einfach klingende Formel für die neu geschaffenen Teamwochen.
Teamwochen
Vom 19. bis 25. Februar lädt Jürgen Schult mit den Bundestrainern bereits zum vierten Mal zur Teamwoche nach Kienbaum ein. Neben den individuellen Trainingsmaßnahmen stehen wieder einige gemeinsame Termine auf dem dicht gedrängten Kalender. Neu ist nämlich auch, gemeinsame Tests beim Kugelschocken, Sprint, Sprung und im Ausdauerbereich durchzuführen und zu protokollieren.
Daneben wird Klaus Peschka wieder mit einer täglichen gemeinsamen rhythmischen Gymnastikstunde aufwarten und ein Ausflug in das nahe gelegene Bowling-Center steht ebenfalls an. Auch hier macht Weltrekordhalter Jürgen Schult, wie Insidern bekannt ist, so manchem noch einiges vor.
Im Mittelpunkt der bevorstehenden Teamwoche steht allerdings zweifelsfrei die Qualifikation für die "EAA Winterwurf Challenge" am 18. und 19. März in Tel Aviv. In gemeinsamen Wettkämpfen werden die Startplätze in den Disziplinblöcken Diskus Frauen, Speer Männer und Frauen sowie Diskus Männer ausgeworfen. Die Hammerwerfer ziehen diese Ausscheidung einige Tage vor, da es in ein gemeinsames Trainingslager nach Südafrika geht und die Kugelstoßer nutzen die Deutschen Hallen-Meisterschaften in Karlsruhe (25./26. Februar) zur Qualifikation.
Überzeugung schaffen
Die Athleten von den nun eingeführten, gemeinsamen Teamwochen zu überzeugen, scheint ganz gut zu gelingen. Gleich beim ersten Termin war die Magdeburger Kugelstoßerin Nadine Kleinert (SC Magdeburg) dabei und diese berichtete während der "Top Team Woche" von einer gelungenen Veranstaltung in Kienbaum und überzeugte Michael Möllenbeck (TV Wattenscheid 01) gleich davon mal mitzumachen.
Michael Möllenbeck war bei der letzten Maßnahme zusammen mit seinem Trainer Miroslav Jasinski und es hat beiden sehr gut gefallen, auch diesmal sind sie wieder dabei. Zugesagt haben dazu auch Franka Dietzsch (SC Neubrandenburg) mit ihrem Trainer Dieter Kollark. Die Diskuswerferinnen unter der Regie von Gerhard Böttcher sind mit der Garde hinter der Weltmeisterin um die U23-Europameisterin Sabine Rumpf (LSG Goldener Grund) sozusagen "vollzählig angetreten". Speerwurftrainer Ralf Wollbrück kommt unter anderem mit dem Magdeburger Björn Lange sowie den WM-Teilnehmern Mark Frank (1. LAV Rostock) und Christian Nicolay (TV Wattenscheid 01).
Die Frühjahrstrainingslager wurden ebenfalls vor dem Hintergrund einer Teambildung organisiert, eine Gruppe fährt nach Portugal, eine zweite nach Pula und die Speerwerfer wollen nach Spanien.
Betreuung vor Ort
Dabei soll immer eine adäquate medizinische und physiotherapeutische Betreuung vor Ort gewährleistet sein. Es macht nach Ansicht des Wurf-Teams keinen Sinn, wenn sich ein Spitzenathlet seinen persönlichen Physiotherapeuten auf Kosten des Verbandes mitnimmt und dadurch die zweite Reihe oder auch die "jungen Wilden" weniger Mittel bekommen.
Genau hier setzten auch Jürgen Mallow und DLV-Sportdirektor Frank Hensel mit ihrer Offensive "Gesundheitsmanagement" an. Der Athlet muss Verantwortung für seine Gesundheit übernehmen und dazu müssen die Rahmenbedingungen geschaffen werden.
Dem Aufbau der Teampartner kam also zentrale Bedeutung zu. Es ist gelungen, drei Mediziner und acht hochqualifizierte Physiotherapeuten zu gewinnen und die ersten drei Teamwochen haben gezeigt, wie wichtig deren Unterstützung in der Vorbereitung ist.
Vorbereitung auf den Sommer
Während große Teile der Leichtathletik gerade von Hallen-Sportfest zu Hallen-Sportfest eilen, bereiten sich die Werfer nun schon seit Herbst intensiv auf die internationalen Meisterschaften im kommenden Sommer vor. Sogar die 6. "EAA Winterwurf Challenge" in Tel Aviv wird dabei allenfalls als kleine Ablenkung des Trainingsalltages gesehen und aus dem vollen Training heraus bestritten.
Tue Gutes und rede darüber – auch das soll im Wurf-Team nun verstärkt umgesetzt werden. Maria Ritschel als Speerwurftrainerin ist zusammen mit Jürgen Schult der Aktivposten im Vorstand des Wurf-Teams e.V. Die Erfolge der Werfer in 2005 mit vier Goldmedaillen bei den U23-Europameisterschaften, einer Goldmedaille bei den Weltmeisterschaften, einer Silbermedaille und drei Bronzemedaillen sprechen zwar eine klare Sprache, doch der Blick ist nach vorne gerichtet. "Im Sommer sind wir sicherlich in der Leichtathletikwelt mehr als präsent, aber man kann nicht ein halbes Jahr abtauchen", heißt es im Wurf-Team.