Die finnische Leichtathletik will aufbrechen
Wenige Wochen ist es her. Weitspringer Tommi Evilä erlöste bei der Weltmeisterschaft in Helsinki die Gastgebernation mit der ersten und einzigen Medaille für Finnland. Die Gebete vom Verbandspräsidenten Ilkka Kanerva, in denen dieser um einen Podestplatz gefleht hatte, waren erhört worden. Jetzt will die finnische Leichtathletik zu neuen Ufern aufbrechen.
Ilkka Kanerva verfolgt eine neue Vision (Foto: Palonen)
"Wir haben analysiert, wir müssen neue Wege für unser Trainersystem finden", erklärt Ilkka Kanerva, der mit der erfolgreichen Bewerbung die WM nach Helsinki geholt hatte. "Wir brauchen mehr internationale Kooperationen mit Trainern", skizziert der Spitzenfunktionär seine Ideen. Zunächst deutet aber vieles auf eine Grunderneuerung hin. Vier Cheftrainer, jeweils für die Bereiche Sprint und Hürden, Langstrecken, Sprung und Wurf, zwei nationale Disziplintrainer (Speer, Mehrkampf) und darüber hinaus noch verschiedene weitere Disziplintrainer sollen, am liebsten sogar aus dem Ausland, angeheuert werden, um die finnische Leichtathletik wieder auf Vordermann zu bringen.
Starke Werfer, schwache Läufer
"Unsere Werfer sind am stärksten", meint Ilkka Kanerva, "aber wie in ganz Europa haben wir große Probleme auf den Langstrecken. Unser letzter große Name war Lasse Viren." Doch dessen Erfolge liegen lange zurück, sein Sohn Matti ist 18 Jahre alt, wird aber nicht als Nachfolger gehandelt. "Wir halten das noch auf niedrigem Niveau", bekennt sogar der berühmte Vater.
Aber selbst hier sagt Ilkka Kanerva: "Es ist nicht die Frage der Läufer, sondern die Frage der Trainer." Er verwirft auch, dass es ein Problem des modernen Lifestyle sei und sich deshalb viele junge Leute nicht mehr quälen möchten: "Es gibt Talente, die auch wollen. Wir sind nur nicht erfolgreich darin, diese nach oben zu führen. Es ist einfacher, Fußball oder Eishockey zu spielen, anstatt um Sekunden zu kämpfen."
Besserwisser
Man hat auch festgestellt, dass man in Finnland zwar über gute Ärzte verfügt, aber nicht gut darin sei, Verletzungen vorzubeugen. Finnland hat außerdem das Problem der Rivalität mit den derzeit erfolgreicheren schwedischen Nachbarn. Ilkka Kanerva bekennt etwas schmunzelnd: "Es ist so, dass es unsere eigenen Trainer immer besser wissen. Wir würden uns aber als Verband gerne mit den schwedischen Trainern austauschen. Man könnte sich auch mit anderen Sportarten unterhalten. Das findet in Finnland nicht statt und so geht viel vorhandenes Wissen verloren."
Ilkka Kanerva würde auch gerne die finnischen Trainer für zwei, drei Jahre ins Ausland schicken, damit sie dort in die "Lehre" gehen könnten oder umgekehrt internationale Coaches in den hohen Norden holen. Das hatte man allerdings schon einmal versucht und es klappte nicht. Der Kenianer Mike Kosgei scheiterte an der anderen Kultur und auch an der mangelnden Akzeptanz.
Sichtungssystem fehlt
Was Finnland auch fehlt, ist ein funktionierendes Sichtungssystem. "Die Schulleichtathletik ist ein Problem", bekennt Kari Saarinen, Geschäftsführer im finnischen Verband, "wir haben kein System, mit dem wir Talente finden können. Die Vereine in den Regionen werden eher zufällig auf sie aufmerksam."
Medienleiter Mika Noronen ergänzt: "Wenn wir in Finnland mit 15 Jahren ein Lauftalent finden, dann fehlt einfach die Basis an Training. In Afrika laufen sie ab einem Alter von fünf Jahren!"
Doch von Resignation ist in Finnland nichts zu spüren. Gerade jetzt, nach der WM im eigenen Land, will die finnische Leichtathletik aufbrechen in eine wieder erfolgreichere Zukunft. Mit neuen Impulsen durch neue Trainer und durch ein neues System, in dem fast eine Verdoppelung der Anzahl der Hochleistungszentren auf künftig acht bis zehn geplant ist. Dahinter stehen die Vision und der Wille, der finnischen Leichtathletik wieder zum internationalen Erfolg zu verhelfen.