Die gelben Marathon-Engel
Bald beginnt das Marathon-Frühjahr. Ohne die vielen freiwilligen Helfer sind diese Events nicht denkbar. Wir haben vergangenen Herbst in Berlin den Tag mit den „Gelben Engeln“ von Kilometer 36 verbracht.
Meist geht es um das bloße Zahlenwerk. 2:03:59 Stunden von Haile Gebrselassie – Weltrekord. 2:19:19 Stunden von Irina Mikitenko – deutscher Rekord. 35.783 Läufer im Ziel, fast eine Million Zuschauer an der Strecke. Selten geht es um 80.000 Äpfel oder 145.000 Bananen, die von rund 5.900 freiwilligen Helfern verteilt werden.Beim Marathon geht es auch um Menschen wie Stefan Bauer. Der 42-Jährige organisierte wie bereits im Vorjahr den Verpflegungspunkt bei Kilometer 36, wo die Läufer ein letztes Mal vor dem Ziel die leeren Energiespeicher auffüllen konnten. Schon um fünf Uhr morgens war Stefan Bauer am Marathon-Sonntag an der Strecke, organisierte den Aufbau der Tische und die Anlieferung der Lebensmittel.
Für die meisten Helfer aus dem insgesamt 112-köpfigen Team von Kilometer 36 beginnt der Arbeitseinsatz um 9 Uhr. Die Aufgaben: Wasser auffüllen, Energiedrinks anmischen, Obst schnippeln. Ein Ohr ist dabei immer am Radio – als die Nachricht die Runde macht, Haile Gebrselassie befände sich tatsächlich deutlich auf Weltrekordkurs, steigt die Stimmung schlagartig.
Bananen, das wissen sie, wird er hier keine haben wollen, wie überhaupt nur wenige der schnellsten Läufer. „Ist ja voll doof, die nehmen gar nichts“, meint der 14-jährige Nils Müller – und wendet sich dann wieder den Freizeitläufern zu. Unter den Helfern läuft ein interner Wettstreit, wer die meisten Obststücke an den Mann oder die Frau bringen kann – gelungene Versuche werden mit einem lauten Jubeln quittiert.
Woher kommen die Äpfel?
Bald kommen die Massen, die Helfer ziehen sich hinter die lange Tischreihe zurück. Probleme, etwas loszuwerden, hat nun keiner mehr. Die Abfertigung der Läuferlawine, sie ist der unpersönlichste Abschnitt des heutigen Tages. Dennoch gibt es auch in dieser Zeit ungewöhnliche Erlebnisse: Einer der Läufer fragt nach Schokolade, ein anderer nach der Sorte und Herkunft der Äpfel!
Kurz vor 13 Uhr, die Reihen der Läufer lichten sich wieder etwas, jetzt kommen diejenigen, die eine letzte Verpflegung bitter nötig haben. „Hey, du schaffst das, Christian“, spricht Franziska Kindt, 15 Jahre alt, einen Läufer direkt an. Er wirkt verwundert – woher haben die meinen Namen? An den Schriftzug unter seiner Startnummer denkt er nicht.
Dafür greift er beherzt zu – die persönliche Ansprache erhöht den Absatz. Auch der ein oder andere Spruch vom Wochenmarkt hilft: „Biobananen, nur ein Euro das Kilo“, ruft einer. Die Antwort folgt auf dem Fuße: „Danke, dass ihr da seid.“
Warten auf die Langsamsten
Auch Schülerin Maike Träger, normalerweise Schwimmerin, hilft mit. „Ich freue mich über jedes Lächeln, das ich den Läufern ins Gesicht zaubern kann“, nennt sie ihre Motivation.
Kurz nach Zwei, nach fast fünf Stunden Einsatz, sind auch die „Gelben Engel“ müde. Maike Träger hat sich ihre gute Laune aber erhalten, sie lächelt noch immer. „Jetzt sind nicht mehr so viele Zuschauer an der Strecke, da sind wir Helfer dann eben noch mehr gefragt“, sagt sie.
Und schon kommt der Nächste, der ihre Hilfe braucht. „Wir glauben an dich“, ruft sie ihm hinterher. Er dreht sich um: „Wirklich?“ „Ja“, sagt Maike Träger, „ganz fest!“ Sechs Kilometer später hat auch er es ins Ziel geschafft.