Die goldene Rückkehr des Tim Lobinger
Nach einem verkorksten vergangenen Jahr schaffte Tim Lobinger in diesem Winter den Sprung zurück in die Weltelite und holte sich bei der Hallen-EM in Wien den Sieg.
Foto: Chai
Viele Zuschauer befanden sich am vergangenen Samstag bei der Hallen-EM in Wien nicht mehr in der Ferry-Dusika-Halle als auch die Stabhochspringer nach dreeinhalb Stunden, Dopingkontrollen und Fernsehinterviews endlich ihr Edelmetall umgehängt bekamen. Den drei Gewinnern allerdings war das einerlei. Der Schwede Patrik Kristiansson und der Leverkusener Lars Börgeling freuten sich über ihre ersten Medaillen im Seniorenbereich und auch der Sieger genoß seine Rückkehr auf das Podest sichtlich. Tim Lobinger kniete nieder und reckte beide Arme gen Hallendecke. Die imaginäre Weltkugel erschien dem Halleneuropameister plötzlich ganz leicht.Nun ist Lobinger für seine teils übertriebene Gestik durchaus bekannt, doch nach seinem „schlechtesten Jahr überhaupt“ hatte er sich mit seinem erfolgreichen, ersten Versuch über 5,75 Meter „von einer Riesenlast befreit gefühlt“. Seine Freude über den zweiten Halleneuropameistertitel nach 1998 in Valencia wirkte echt. „Eigentlich bin ich kein Hallenspringer“, schätzt sich Lobinger ein, „deshalb zählt dieser Erfolg umso mehr.“
“Wäre die Goldmedaille ein Kuchen, hätte ich geteilt“
Lobinger, der sich nach der entgangenen WM-Qualifikation bei der Deutschen Meisterschaft in Stuttgart mit dem Verband und auch seinen Stabhochsprung-Kollegen anlegte, fällt auch durch neue Aussagen auf. „Wäre die Goldmedaille ein Kuchen, hätte ich sie mit Danny Ecker geteilt.“ Ecker unterlag dem späteren Europameister von Wien beim direkten Vergleich in Chemnitz, überquerte aber zwei Tage später, befreit von aller Last, die europäische Jahresbesthöhe von 5,82 Meter. Lobingers Aussage bestätigt sein Zugeständnis, sein Herz zwar manchmal auf der Zunge zu tragen, sich aber in letzter Zeit in dieser Hinsicht durchaus geändert zu haben.
Ändern musste der zweifache Familienvater auch sein Vereinstrikot und damit einhergehend auch finanzielle Einbußen hinnehmen. Sein letztjähriger Verein, das LAC Quelle Fürth/München v. 1860, konnte sich einen Athleten wie Lobinger nach dem Teilrückzug des Hauptsponsors nicht mehr leisten. So befand sich der sechsfache deutsche Meister in der der ungewohnten Position des Bittstellers: „Ich habe bei allen großen deutschen Vereinen angefragt, von manchen habe ich noch nicht einmal einen Rückruf erhalten.“
Marktwert war kaputt – Vereinssuche fiel schwer
Grund dafür war wohl sein „schlechtestes Jahr überhaupt. Mein Marktwert war sowas von kaputt - finanziell konnte ich da keine großen Erwartungen haben.“, gibt Lobinger zu. Lobinger ist aber nicht nur mit dem Stab ein Kämpfer: „Ich habe im letzten Jahr viele Entscheidungen getroffen, die sich jetzt hoffentlich auszahlen werden.“ Auch die, kurz vor Ende der Wechselfrist zur LG Eintracht Frankfurt zu wechseln. „In Frankfurt wird sehr professionell gearbeitet, aber ohne meinen Ausrüster und meine privaten Sponsoren könnte ich die Saison aber trotzdem nicht so bestreiten, wie ich mir das vorstelle“, gibt Lobinger zu. Dafür ist der extrovertierte Modellathlet auch bereit, sich selbst mit einzubrigen. „Die Kooperation mit Red Bull und Puma läuft hervorragend – ich werde da voll miteinbezogen.“
Doch nicht nur über die Vermarktung seiner eigenen Person macht sich Lobinger Gedanken. Auch wie sich seine Sportart attraktiver präsentieren lässt, beschäftigt ihn. Wie fand der 29jährige denn dann die musikalische Untermalung des Stabhochsprungwettkampfs als zeitgleich die Siebenkämpfer ihre letzten 1000 Meter zurücklegten und dabei von Disco-Rhythmen anfeuern liessen? „Okay, wir Stabhochspringer hatten es schon schwer. Rechts die Drei-, links die Hochspringer, auf beiden Seiten die Läufer und dazu auch noch die Musik.“
“Leichtathletik redet sich selbst in die Krise“
Grundsätzlich aber hält er aber jeden Versuch, auch eine Meisterschaft stimmungsvoller zu präsentieren, für lobenswert. „Die deutsche Leichtathletik redet sich selbst in die Krise, überall wird nach neuen Konzepten, neuen Lösungen gesucht. Dabei waren alle deutschen Hallenmeetings ausverkauft – auch hier in Wien hat man versucht, neue Wege zu gehen. Als Läufer oder Zehnkämpfer hätte mich die coole Musik sicherlich mehr inspiriert.“ Auf neue Konzepte kann sich der frischgekürte Halleneuropameister auch am Sonntag beim IHS in Sindelfingen freuen. Sollte er dann noch einmal widerlegen, „eigentlich kein Hallenspringer zu sein“, werden ihm dann bei der Siegerehrung sicherlich mehr Menschen zujubeln als noch in Wien.