Die große DM-Vorschau - Männer
Am Freitag um 14 Uhr greifen in Wattenscheid die Stabhochspringer um Tim Lobinger zu ihren Geräten, die Hürdenläuferinnen Heike Meißner und Ulrike Urbansky stehen auf der Bahn und auf dem Nebenplatz jagt Susanne Keil ihren Hammer weit hinaus, während Schahriar Bigdeli im Weitsprung antritt. Diese Top-Athleten werden im Lohrheidestadion die Deutschen Meisterschaften 2002 mit den ersten Ausscheidungen eröffnen. Für viele Athleten geht es von Freitag bis Sonntag neben den Meisterehren ein letztes Mal um die Qualfikationschance für die Europameisterschaft in München. Einen Überblick über Stars, Chancen und die Höhepunkte bei den Wettbewerben der Männer bekommen Sie in unserer großen DM-Vorschau.
Die Zeit ist reif für den ersten Freilufttitel von Vize-Weltmeister Ingo Schultz (Foto: Chai)
Der Deutsche Leichtathletik-Verband wird nach den Titelkämpfen die Mannschaft für den Saisonhöhepunkt nominieren. Nur die Aushängeschilder Grit Breuer, Raymond Hecht und Heike Drechsler bekommen eine Sonderfrist bis zum 27. Juli, um ihre EM-Form zu unterstreichen. Momentan haben 65 Aktive die Nominierungsvoraussetzungen des DLV erfüllt. Bei den Titelkämpfen kann noch einmal das EM-Ticket gebucht werden. Vor allem in jenen Disziplinen, die noch keine Normerfüller aufweisen, bietet sich dem Deutschen Meister eine große Chance, denn er fährt nach München, wenn er die wohlwollende EAA-Norm erfüllt. Das gilt zum Beispiel in den Männersprints, in denen die Lokalmatadoren des TV Wattenscheid 01 in den Mittelpunkt rücken. Marc Blume und Alexander Kosenkow sind die Favoriten. Der zuletzt angeschlagene Tim Goebel entscheidet erst kurzfristig über einen Start.
Erster Freilufttitel für Ingo Schultz zum Greifen nah
Um diese Bürde des Favoriten kommt Vize-Weltmeister Ingo Schultz auf der Stadionrunde nicht umhin. Für ihn scheint die Zeit reif für den ersten deutschen Meistertitel im Freien, nachdem er sich in den letzten beiden Jahren stets Lars Figura beugen musste. Bastian Swillims heisst der Aufsteiger des heimischen TVW, der sich auf die Jagd nach der EM-Norm machen wird.
An Olympiasieger Nils Schumann sollte über 800 Meter kein Weg vorbei führen. Er verzichtete auf einen Start in Lausanne, um sich ganz auf die Meisterschaften zu konzentrieren. Titelverteidiger René Herms könnte in seinem Schlepptau die EM-Norm schaffen, während dessen Trainingspartner Wolfram Müller seinen Start wegen seiner gesundheitlichen Probleme absagte und auf die EM verzichten muss. In Abstinenz des U23-Europameisters schob sich mit Franek Haschke ein anderer Pirnaer über 1500 Meter in den Mittelpunkt, während sich in Wattenscheid über 5000 Meter alle Blicke auf Dieter Baumann richten werden.
Florian Schwarthoff auf der Normjagd
Bei den 110 Meter Hürden muss sich Titelverteidiger Mike Fenner vor allem vor dem nach Achillessehnenproblemen wieder erstarkten Florian Schwarthoff in Acht nehmen. Youngster und Lokalmatador Henning Hackelbusch (siehe gesonderte Story) startet über 400 Meter Hürden als DLV-Jahresbester. Auf den 3000 Meter Hindernis jagte der junge Filmon Ghirmai kürzlich Damian Kallabis die deutsche Jahresbestzeit ab, somit ist ein spannendes Duell vorprogrammiert. Im 10.000 Meter Gehen, wo am Freitagabend der erste Meister gekürt wird, verzichtet Andreas Erm auf einen Start. So können die jungen Geher Jan Albrecht und Andre Höhne nach dem Titel greifen.
Im Hoch-, Weit- und Dreisprung der Männer sind die Favoritenrollen eindeutig nach Leverkusen verteilt. Martin Buß, Schahriar Bigdeli und Charles Friedek stellen hier das Maß der Dinge dar. Am engsten könnte es im Weitsprung werden. Schahriar Bigdeli schätzt Andreas Pohle als den stärksten Widersacher ein, stellt aber fest: "Für mich ist es keine Belastung, der Favorit zu sein. Es hat mir geholfen, dass ich internationale Erfahrung sammeln konnte. Jetzt fällt es mir leichter, kühlen Kopf zu bewahren."
Danny Ecker ist wieder mit dabei
Ganz anders stellt sich die Situation im Stabhochsprung dar. Danny Ecker reichte am Dienstag in Lausanne die EM-Norm von 5,70 Metern nach und somit kämpfen neben dem bereits qualifizierten Tim Lobinger mit Lars Börgeling, Richard Spiegelburg und Danny Ecker drei Bayer-Athleten um zwei München-Tickets. Und dann wäre da noch der WM-Vierte Michael Stolle, der nach Verletzungssorgen möglicherweise zu den Deutschen Meisterschaften wieder in Erscheinung tritt und für eine Überraschung sorgen könnte. Dementsprechend kündigte Paul-Heinz Wellmann, der Geschäftsführer der Bayer-Leichtathletik-Abteilung, bereits an: "Ich rechne mit Michael Stolle und Danny Ecker. Man muss sich vor ihnen in Acht nehmen. Sie können auf den Punkt fit sein." Diese Warnung ist sicher auch bei Tim Lobinger angekommen. "Ich würde bei den Deutschen Meisterschaften in Wattenscheid gerne die sechs Meter springen", erklärt er selbstbewußt anläßlich der Titelkämpfe, "die Anlage ist gut und es ist mein erster wirklicher Höhepunkt der Saison. Ich werde befreit auf Höhenjagd gehen."
Im Kugelstoßen haben Ralf Bartels, Detlef Bock und Andy Dittmar die EM-Norm bereits in der Tasche. Routinier Oliver-Sven Buder brauchen sie nicht zu fürchten, er wird in diesem Sommer nicht mehr antreten. In Abstinenz von Weltmeister Lars Riedel wird im Diskuswerfen alles auf den WM-Dritten Michael Möllenbeck hinaus laufen. Er sagt: "Ich werde in meinem Stadion meinen Mann stehen und versuchen, richtig weit zu werfen. Ich freue mich unheimlich darauf."
Markus Esser mit Dröhnung unterwegs
Mit Karsten Kobs und Boris Henry sind auch im Hammer- und Speerwerfen die besten Karten eindeutig an die Führenden der deutschen Jahresbestenliste verteilt. Markus Esser kehrt wie Speerwerfer Raymond Hecht, der in Oslo bereits sein Comeback gab, nach einer verletzungsbedingten Zwangspause wieder in das Geschehen zurück. Der junge Hammerwerfer will an seine Leistung von vor zwei Jahren in Braunschweig anschliessen. Damals warf er sich mit einer neuen persönlichen Bestleistung zu den Olympischen Spielen nach Sydney. Sein Geheimrezept hat sich der Heavy-Metal-Fan bereits zurecht gelegt: "Ich werde von Leverkusen nach Wattenscheid im Auto sitzen und mir die volle Dröhnung geben." Zum Glück ist der Weg nicht weit...