Die große Olympia-Vorschau (Teil 1)
Der Countdown tickt. Am Mittwoch, 18. August, eröffnet das Kugelstoß-Lager im antiken Olympia die Leichtathletik-Wettkämpfe bei den Olympischen Spielen in Athen. Danach geht es vom 20. bis 28. August im Olympiastadion weiter, ehe die Marathonmänner am 29. August den Schlusspunkt setzen. leichtathletik.de hat für Sie die Favoriten herausgeschält und auch die Chancen der aussichtsreichsten DLV-Starter abgewogen. Lesen Sie Teil eins unserer Vorschau auf die Bewerbe bei den Männern...
Ist Maurice Greene für die Titelverteidigung stark genug? (Foto: Kiefner)
100mTitelverteidiger Maurice Greene (USA) spuckte im Vorfeld große Töne. Auch seine Niederlagen gegen Francis Obikwelu (Portugal) und dem mittlerweile zum klaren Mitfavoriten aufgestiegenen Asafa Powell (Jamaika) veranlassten ihn nicht, verbal einen Gang zurückzuschalten. Stark eingeschätzt wird auch der US-Trials-Gewinner Shawn Crawford, der in 9,88 Sekunden nicht nur die Weltjahresbestenliste anführt, sondern sich nach den erfolgreich gestalteten Ausscheidungen ganz auf die Olympiavorbereitung konzentriert hat, ohne bei den europäischen Meetings weitere Kräfte zu vergeuden. Justin Gatlin (USA) und Aziz Zakari (Ghana) könnten im Kampf um die Medaillen ein Wort mitsprechen. Weltmeister Kim Collins (St. Kitts & Nevis) steht vor einer schwierigen Aufgabe. Er konnte im bisherigen Saisonverlauf nicht überzeugen.
DLV-Starter: Alexander Kosenkow
200m
Mit dem sich abzeichnenden Fehlen von Titelverteidiger Kostas Kenteris (Griechenland) werden die US-Sprinter Shawn Crawford, Justin Gatlin und Bernard Williams die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Die Konkurrenz um den Weltranglistenersten Stephan Buckland (Mauritius) wird also dieses Trio jagen, um einen "Sweep" zu verhindern. Usain Bolt (Jamaika) machte im Frühsommer schon mit einem neuen Junioren-Weltrekord (19,93 sec) auf sich aufmerksam, danach plagte er sich allerdings mit einer Muskelverletzung herum und musste bereits auf die Junioren-WM in Grosseto verzichten. Die DLV-Sprinter haben sich über 200 Meter näher an die Weltspitze herangeschoben. Tobias Unger gab eine Zeit von 20,30 Sekunden als Ziel aus. Damit wäre er zumindest ein Anwärter auf das Semifinale.
DLV-Starter: Tobias Unger, Till Helmke
400m
Über 400 Meter werden die Finalplätze sehr hart umkämpft sein. Der deutsche Europameister Ingo Schultz rechnet mit ungefähr zwanzig Kandidaten für die Runde der letzten Acht. Der Bergedorfer konnte sich in diesem Jahr wieder konzentrierter auf den Saisonhöhepunkt vorbereiten, die 45 Sekunden sind aber bislang noch nicht gefallen. Dementsprechend gehört er nicht zum Favoritenkreis und kann international wenig beachtet unbeschwert antreten. Die Liste der Goldanwärter führen Saisonkomet Jeremy Wariner (USA; 44,37 sec) und Alleyne Francique (Grenada; 44,47 sec) an. Dahinter stellen sich Otis Harris, Derrick Brew (beide USA) sowie der Franzose Leslie Djhone, der kürzlich in 44,64 Sekunden einen neuen Landesrekord lief, auf. Gespannt sein darf man auf Lewis Banda aus Zimbabwe. Er lief im Mai beachtliche 44,58 Sekunden, konnte diese aber danach nicht mehr bestätigen. Stabil in Form scheint dagegen der Jamaikaner Michael Blackwood, der Ende Juli beim Meeting in London als Zweiter einlief, zu sein.
DLV-Starter: Ingo Schultz
800m
Bei der Suche nach dem Nachfolger des abstinenten Deutschen Nils Schumann wird ein pfeilschnelles Finale ohne taktische Winkelzüge erwartet. Für dieses Tempo könnten allen voran Wilfred Bungei, Joseph Mutua (beide Kenia) und Wilson Kipketer (Dänemark) sorgen. Auf ihre Chancen lauern dahinter die Youngsters Youssef Saad Kamel (Bahrain), der ausgebürgerte Sohn der kenianischen Legende Billy Konchellah, und Amine Laalou (Marokko). Gut vorbereitet werden der Südafrikaner Hezekiel Sepeng und der russische Vize-Weltmeister Yuri Borzakovsky, ein gewiefter Taktiker, in Athen erwartet. Der Pirnaer René Herms hat sich zuletzt bei der Team Challenge in München in 1:44,14 Minuten in den Vordergrund gelaufen. Wenn er diese Form nun im richtigen Moment bestätigen kann, ist das Finale, das aufgrund der knallharten Konkurrenz als Erfolg zu werten wäre, möglich.
DLV-Starter: René Herms
1500m
Die Kenianer Isaac Songok, Bernard Lagat und Timothy Kiptanui haben sich bereits eine Taktik zurecht gelegt, mit der sie dem marokkanischen Weltmeister Hicham El Guerrouj, dem noch ein Olympiasieg fehlt, beikommen möchten. Dieser musste in diesem Sommer erfahren, dass er nicht mehr unschlagbar ist. Auch sein einstiger Landsmann Rashid Ramzi (Bahrain) gehörte zu seinen Bezwingern. Die europäischen Athleten um Mehdi Baala (Frankreich) müssen gegen eine afrikanische Übermacht ankämpfen.
DLV-Starter: Wolfram Müller
5000m
Der kenianische Weltmeister Eliud Kipchoge steht vor einer kniffligen Aufgabe. Vor einem Jahr konnte er in Paris Hicham El Guerrouj (Marokko), der wieder einen Doppelstart in Erwägung zieht, und Kenenisa Bekele noch hinter sich lassen. Aber diesmal geht der Weltrekordhalter aus Äthiopien als Favorit an den Start und vieles deutet auf seinen Triumph hin. Als weißer Läufer könnte in der afrikanischen Phalanx der Australier Craig Mottram für Akzente sorgen.
DLV-Starter: keine
10000m
Eine der ersten Entscheidungen bei den Leichtathletik-Wettkämpfen sind in Athen die 10.000 Meter. Kenenisa Bekele ist auch hier als seit dem Frühsommer neuer Weltrekordhalter der am stärksten eingeschätzte Starter. Wie vor einem Jahr bei der WM in Paris könnte sich wieder ein Dreifacherfolg der Äthiopier, die noch Titelverteidiger Haile Gebreselassie, der zum dritten Mal in Folge Olympiasieger werden könnte, und Sileshi Sihine an den Start schicken, herauskristallisieren. Diese Drei standen auch vor Jahresfrist auf dem Podium. Wiederholung in Athen? Möglich! Denn die Kenianer werden über 10.000 Meter nicht so stark eingeschätzt wie auf der halben Distanz, müssen also darauf hoffen, dass sich die Äthiopier im internen Duell verhaspeln.
DLV-Starter: keine
Marathon
Der kenianische Weltrekordhalter Paul Tergat will in Athen seinen großen Triumph feiern. Dafür hat er sich auf den Marathon in der griechischen Metropole ganz akribisch vorbereitet. Am letzten Tag der Spiele wird aber auch über Wohl und Wehe entscheiden, wer mit der Abendhitze am besten zurecht kommt. Ein heißer Olympiatipp ist stets der weitere Kenianer Eric Wainaina, der vor vier Jahren in Sydney als Zweiter hinter dem äthiopischen Sieger Gezahegne Abera, der diesmal wieder auf Gold hofft, einlief. Um die Medaillen wollen auch der marokkanische Weltmeister Jaouad Gharib, in diesem Frühjahr in London immerhin Dritter, und der Spanier Julio Rey, Zweiter in Paris, ebenso mitkämpfen wie der Italiener Stefano Baldini, der die nötige Erfahrung und Wettkampfhärte mitbringt.
DLV-Starter: keine
3.000 Meter Hindernis
Weltmeister Saif Saeed Shaheen bekam keine Freigabe vom Nationalen Olympischen Komitee Kenias für einen Athen-Start unter der Flagge Katars. Mit diesem sportpolitischen Winkelzug peilen die Kenianer wieder ein Triple an. Ezekiel Kemboi, Brimin Kipruto und Abraham Cherono sollen dafür sorgen. Wenn das Trio ein hohes Tempo anschlägt, dürften die Widersacher um Ali Ezzine (Marokko), Luis Miguel Martin (Spanien) und Bouabdallah Tahri (Frankreich) nicht mithalten können.
DLV-Starter: keine
110m Hürden
Der 33-jährige Weltmeister Allen Johnson (USA) hinterließ in dieser Saison zwar bislang einen guten Eindruck, aber trotzdem wird er in Athen auf der Hut sein müssen. Die Konkurrenz sitzt ihm nämlich im Nacken. Es zeichnet sich eine WM-Revanche ab, denn die weiteren Paris-Medaillengewinner Terrance Trammell (USA) und Xiang Liu (China), der seinen Asienrekord auf 13,06 Sekunden verbesserte, empfahlen sich in diesem Sommer schon für die Podestplätze. Sonst blieb in diesem Jahr noch kein anderer Hürdensprinter unter 13,10 Sekunden. Nicht ausgeschlossen ist allerdings, dass man in Athen für Gold die 12 vor das Komma laufen muss. Chancenreiche Außenseiter sind Stanislavs Olijars (Lettland), Maurice Wignall (Jamaika) und Duane Ross (USA). Die Deutschen Mike Fenner und Jerome Crews kämpfen um das Überstehen des Zwischenlaufs.
DLV-Starter: Mike Fenner, Jerome Crews
400m Hürden
Favorit ist der diesjährige Golden-League-Dominator Felix Sanchez aus der Dominikanischen Republik. Die Saison hat für den Weltmeister allerdings noch einen Schönheitsfehler. Denn im Jahresvergleich liegt der US-Amerikaner James Carter in 47,68 Sekunden um fast zwei Zehntel vor ihm. Um die vorderen Plätze kämpfen in Athen auch die Südafrikaner, die von Llewellyn Herbert angeführt werden, das jamaikanische Lager mit Danny McFarlane und die weiteren US-Boys, Titelverteidiger Angelo Taylor und der noch unbeschriebene Bennie Brazell. Die Briten sehen im Routinier Chris Rawlinson einen chancenreichen Außenseiter, die Franzosen hoffen auf Naman Keita. Spannend ist aber vor allem die Frage, was der WM-Dritte Periklis Iakovakis vor heimischem Publikum zu leisten vermag.
DLV-Starter: keine
Olympische Leichtathletik in Athen – Kompakt auf leichtathletik.de...