Die große WM-Vorschau (Teil 2)
Der Countdown tickt. Vom 6. bis 14. August finden die Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Helsinki statt. Spannende Entscheidungen, in denen neue Titelträger gesucht werden, stehen im Olympiastadion an. leichtathletik.de hat für Sie die Favoriten herausgeschält und auch die Chancen der aussichtsreichsten DLV-Starter abgewogen. Lesen Sie Teil zwei unserer Vorschau auf die Bewerbe bei den Männern...
Stefan Holm - kleiner Mann wieder ganz groß? (Foto: Chai)
HochsprungDer Hochsprung der Männer verspricht ein spannender Wettkampf zu werden. Jacques Freitag (Südafrika), amtierender Weltmeister, sprang früh in der Saison mit 2,38 Meter einen neuen Landesrekord, konnte diese überragende Form aber zuletzt, auch durch gesundheitliche Probleme behindert, nicht mehr bestätigen. Genauso hoch hinaus ging es dieses Jahr nur noch für den Ukrainer Andriy Sokolovsky bei seinem Sieg in Rom. Immer rechnen muss man mit dem "kleinen" Schweden Stefan Holm. Im Vorjahr wurde er Olympiasieger und überflog im Winter 2,40 Meter. Seine Bestmarke in dieser Freiluftsaison liegt bei 2,36 Meter, genau wie bei den beiden Jungspunden Jaroslav Bába (Tschechische Republik), U23-Europameister, und Michal Bieniek (Polen), die für eine Überraschung sorgen könnten.
Titelverteidiger: Jacques Freitag (Südafrika)
DLV-Starter: keine
Stabhochsprung
Das Stabhochsprung-Feld ist undurchschaubar wie selten. Zwar sind im Saisonverlauf schon 13 Athleten, darunter auch Tim Lobinger (ASV Köln), 5,80 Meter und höher gesprungen, allerdings gelang es bei den letzten Aufeinandertreffen keinem, sich besonders in die Favoritenrolle zu springen. In Stockholm gewann mit Alhaji Jeng (Schweden) in einem erlesenen Feld sogar ein "No-Name", der als Freiluft-Bestleistung nur 5,65 Meter vorweisen kann. Aus dem Kreis der diesjährigen Top 20 konnten sich im Juli nur noch wenige Springer entscheidend verbessern. Die Form stimmt also bei den wenigsten. Wenn die Leistungsexplosion in Helsinki ausbleibt, haben auch die DLV-Springer Tim Lobinger, Danny Ecker und Lars Börgeling (beide TSV Bayer 04 Leverkusen) an einem guten Tag ihre Chance. Die Ausgangsposition sollte vor allem nervenstarken Wettkämpfern wie dem Italiener Giuseppe Gibilisco, der auch Titelverteidiger ist, oder dem Hallen-Europameister Igor Pavlov (Russland) entgegenkommen. Eine gute Rolle könnten auch die US-Amerikaner Brad Walker und Toby Stevenson spielen.
Titelverteidiger: Giuseppe Gibilisco (Italien)
DLV-Starter: Tim Lobinger, Danny Ecker, Lars Börgeling
Weitsprung
Dwight Phillips geht mit der besten Vorleistung von 8,47 Metern in den Weitsprung-Wettkampf und konnte in diesem Jahr vor allem durch seine Konstanz überzeugen. Alle bis auf einen Wettkampf gingen mit einer Weite über acht Meter in die Statistiken ein. In Helsinki hält er eine Weite zwischen 8,70 und 8,80 Meter für möglich und bringt sich damit in die Favoritenrolle. Bei den US-Trials musste er die einzige Niederlage einstecken, gegen Miguel Pate, der dies in Finnland zu wiederholen versuchen wird. Beachten müssen die beiden US-Boys den Saudi-Arabier Mohamed Salman Al-Khuwailidi und Südafrikaner Godfrey Mokoena, die mit 8,44 bzw. 8,37 Meter jeweils neuen Landesrekord sprangen. Will Nils Winter (TSV Bayer 04 Leverkusen) im Finale ein Wörtchen mitreden können, muss er möglichst nah an seine Bestleistung von 8,21 Meter heranspringen. Allerdings gilt es für ihn zunächst einmal die Qualifikation zu überstehen und sich somit auf der weltweiten Bühne zu positionieren.
Titelverteidiger: Dwight Phillips (USA)
DLV-Starter: Nils Winter
Dreisprung
Der Vorspringer der letzten Jahre und Erbe des britischen Weltrekordhalters Jonathan Edwards, der Schwede Christian Olsson, fehlt in Helsinki verletzungsbedingt. Seine Abstinenz nutzten vor allem der Olympia-Zweite Marian Oprea (Rumänien), der Brasilianer Jadel Gregorio und der Brite Nathan Douglas, dem nachgesagt wird, auch unter Druck gut springen zu können, mit Weiten klar jenseits der 17,50 Meter, um sich in das Rampenlicht zu springen. Der Leverkusener Ex-Weltmeister Charles Friedek, der beim Europacup Nervenstärke zeigte und im letzten Durchgang den Siegessprung landete, ist als Siebter der Weltjahresbestenliste (17,39 m) wieder im Geschäft und kann seine Gegner überraschen, wenn er seine Fußverletzung, die er sich beim Super Grand-Prix-Meeting in London zugezogen hat, im Griff hat. Er sagt: "In Helsinki Vierter werden, das zählt nichts, aber es ist besser, als in der Quali rauszufliegen."
Titelverteidiger: Christian Olsson (Schweden)
DLV-Starter: Charles Friedek
Kugelstoßen
Eine Medaille oder Bestweite, das ist das erklärte Ziel von Ralf Bartels (SC Neubrandenburg), der sich dieses Jahr auf 21,36 Meter verbesserte. Insgesamt neun Athleten ist es diesen Sommer bereits gelungen, die Kugel auf über 21 Meter zu wuchten, ein spannender und hochklassiger Wettkampf beim Saisonhöhepunkt könnte das Resultat sein. Beste Aussichten auf einen der begehrten Podestplätze haben die starken US-Boys. John Godina als einziger 22 Meter-Stoßer, Christian Cantwell und Adam Nelson führen die Jahresbestenliste an. Nicht zu unterschätzen sind der Niederländer Rutger Smith, der dieses Jahr mit 21,41 Meter einen neuen Landesrekord aufstellte und der Olympia-Dritte Joachim Olsen (Dänemark), der meistens bei großen Wettkämpfen seine Leistung abrufen kann.
Titelverteidiger: Andrei Mikhnevich (Weißrussland)
DLV-Starter: Ralf Bartels
Diskuswerfen
Fünf Mal hat Lars Riedel (LAC Erdgas Chemnitz) bereits bei Weltmeisterschaften ganz oben auf dem Podest gestanden, ob ein sechstes Mal folgt, ist mehr als fraglich. Der Hüne wird von Rückenschmerzen, die ihn auch von einem Start bei den Deutschen Meisterschaften abhielten, geplagt. Er und die beiden anderen deutschen Starter Michael Möllenbeck (TV Wattenscheid 01) und Robert Harting (SCC Berlin) liegen in ihrer Saisonbestleistung keinen Meter auseinander, aber auch hinter dem Start des Berliner Youngsters steht nach einem Muskelfaserriss ein Fragezeichen. Sollten sie am Start sein, könnten alle drei in die Runde der letzten Zwölf einziehen. Die Favoritenbürde trägt der Titelverteidiger und Olympiasieger Virgiliju Alekna (Litauen), der bereits die 70 Meter-Marke übertreffen konnte. Ihm am nächsten auf den Fersen scheint der Este Gerd Kanter, der seinen Diskus ebenso schon über 70 Meter segeln ließ.
Titelverteidiger: Virgilijus Alekna (Litauen)
DLV-Starter: Robert Harting, Michael Möllenbeck, Lars Riedel
Hammerwerfen
Verwundert hat sich die Szene die Augen gerieben, als der weißrussische Titelverteidiger Ivan Tikhon am 3. Juli in Brest mit 76,73 Metern um einen Zentimeter am Weltrekord vorbeiwarf. Er bringt seinen ebenfalls starken Landsmann Vadim Devyatovski (84,90 m) mit nach Helsinki. Diese beiden müssen mit der eindeutigen Favoritenrolle klarkommen, denn der Dritte der Weltjahresbestenliste, der Türke Esref Apak hat gerade mal 81,45 Meter stehen. Zu den Athleten, die auf Ausrutscher lauern, gehören nicht nur der finnische Recke Olli-Pekka Karjalainen und der polnische Sydney-Olympiasieger Szymon Ziolkowski, der in diesem Sommer sieben von zehn Wettkämpfen gewonnen hat, sondern auch die Deutschen Markus Esser (TSV Bayer 04 Leverkusen) und Karsten Kobs (Teutonia Lanstrop). Eine Weite um die 80 Meter könnte bereits Platz drei bis fünf wert sein, denn der Hammerwurf birgt immer Überraschungen und Enttäuschungen in sich. Verletzungsbedingt nicht am Start ist der Olympiasieger Koji Murofushi (Japan).
Titelverteidiger: Ivan Tikhon (Weißrussland)
DLV-Starter: Karsten Kobs, Markus Esser, Holger Klose
Speerwerfen
Eine ganze Nation wird auf Tero Pitkämäki blicken. Die gastgebenden Finnen haben in dem Speerwerfer, der in diesem Sommer mit 91,53 und 90,54 Metern zweimal über die magischen 90 Meter warf, ihre größte Hoffnung ausgemacht. "Mit 88 oder 89 Metern hatte ich in dieser Saison gerechnet, aber die 91 Meter hatte ich nicht erwartet", sagte der erst 22-Jährige, der mit einem immensen Druck fertig werden muss. Etwas lockerer können Titelverteidiger Sergej Makarov (Russland) und Olympiasieger Andreas Thorkildsen (Norwegen) den Wettkampf angehen. Auf seinen neunten WM-Start verzichtete der Weltrekordhalter Jan Zelezny (Tschechische Republik). Die DLV-Vertreter Mark Frank (1. LAV Rostock) und Christian Nicolay (TV Wattenscheid 01) haben eine Finalchance, dafür müssen sie aber wieder an ihr Niveau vom Frühsommer herankommen, als sie jeweils über 82 Meter warfen.
Titelverteidiger: Sergej Makarov (Russland)
DLV-Starter: Mark Frank, Christian Nicolay
Zehnkampf
Sie sind Freunde und werden wohl trotzdem gegeneinander um den Titel des Weltmeisters kämpfen: Olympiasieger Roman Sebrle (Tschechische Republik) und Bryan Clay (USA). Zusammen haben sie sich in Kalifornien und Prag auf den Saisonhöhepunkt vorbereitet. Bereits in Götzis sind sie aufeinandergetroffen, dort kam es aber nicht zum erwarteten Duell. Bryan Clay brach sich nach einem Lapsus beim Weitsprung auch noch beim Speerwurf eine Rippe und war dementsprechend langsam im abschließenden 1.500 Meter-Lauf. Ein weiteres gutes Ergebnis lieferte der Este Kristjan Rahnu mit 8.526 Punkten Anfang Juni ab. 8.200 Punkte hat André Niklaus (LG Nike Berlin) sich zum Ziel gesetzt: "Das ist dieses Jahr noch drin, die muss man auch schaffen, um unter die besten Acht bei der WM zu kommen."
Titelverteidiger: Tom Pappas (USA)
DLV-Starter: André Niklaus
20km Gehen
Mit Nathan Deakes (Australien), Zhu Hongjun (China), Francisco Javier Fernández (Spanien) und Cui Zhide (China) sind in diesem Jahr schon vier Geher unter 1:18 Stunden geblieben. Titelverteidiger und Weltrekordhalter Jefferson Perez (Ecuador) hat sich noch bedeckt gehalten, allerdings zuletzt auf der Bahn seine Form getestet, so dass er in Helsinki an der Startlinie stehen sollte. Ähnlich sieht es bei Olympiasieger Ivano Brugnetti (Italien) aus. Er hat alle Verletzungssorgen hinter sich gelassen und gilt als chancenreicher Kandidat. Die Gehernation Russland verzichtet auf ihren Jahresbesten Vladimir Parvatkin und schickt dafür Viktor Buraiev, Ilia Markov und Vladimir Stankin auf die Straße. Der Favoritenkreis ist nur schwer einzugrenzen. Es könnte sich ein von der richtigen Taktik und spannenden Duellen geprägtes Rennen entwickeln. Die deutschen Farben vertritt der Berliner André Höhne, der im letzten Jahr als Olympia-Achter überzeugte. Im Jahresverlauf wurde er immer wieder von Verletzungen und gesundheitlichen Problemen zurückgeworfen. Deshalb bereitete er sich vor allem in der Heimat auf die WM vor. "Ich möchte an die Zeit vom letzten Jahr anknüpfen", sagte der 27-Jährige, der in Athen nach 1:21:56 Stunden das Ziel erreichte, "aber es fehlt mir eine Menge Training."
Titelverteidiger: Jefferson Perez (Ecuador)
DLV-Starter: André Höhne
50km Gehen
Wer tritt die Nachfolge des nach seinem Olympiasieg in Athen abgetretenen Superstars des Gehen, Robert Korzeniowski (Polen), an? Die Russen Aleksei Voyevodin, Vladimir Kanaikin und Sergei Kirdiapkin sowie die Chinesen Han Yucheng (Vize-Weltmeister in Paris), Xing Shucai und Zhao Chengliang gehen mit den besten Vorleistungen an den Start. Doch die Weltjahresbestenliste ist beim Gehen oft ein wenig hilfreicher Ratgeber. Deshalb wird zum einen zu beobachten sein, wie fit mögliche Doppelstarter wie der Australier Nathan Deakes nach den 20 Kilometern noch sind, und zum anderen wie die Langstreckengeher aus Spanien um Mikel Odriozola und die in diesem Sommer allerdings noch nicht überzeugenden Mexikaner wie Omar Zepeda mit dem kühleren Klima in Finnland zurecht kommen.
Titelverteidiger: Robert Korzeniowski (Polen)
DLV-Starter: keine
4x100m
Die Weltmeister aus den USA und die Olympiasieger aus Großbritannien lieferten sich einen Schlagabtausch über die Medien, mahnten ihre Staffelkameraden immer wieder zu verstärktem Wechseltraining. Wer dies am gewissenhaftesten getan hat, wird sich in Helsinki zeigen. Einen Strich durch die Rechnung könnte den beiden Nationen das Quartett aus Trinidad & Tobago machen, das dieses Jahr bereits 38,38 Sekunden, schneller als alle anderen Nationen, lief. Aber auch die DLV-Sprinter zeigten sich zuletzt in bester Verfassung, liefen in Leverkusen ohne wirkliche Konkurrenz zu 38,61 Sekunden. Ein Finaleinzug sollte möglich sein. Sebastian Ernst geht sogar etwas weiter: "Die 38,29 Sekunden sind fällig." Gemeint ist der deutsche Rekord von 1982.
Titelverteidiger: USA
Deutsche Starter: Tobias Unger, Marius Broening, Marc Blume, Alexander Kosenkow, Sebastian Ernst, Till Helmke
4x400m
Das US-Quartett um Olympiasieger Jeremy Wariner ist haushoch favorisiert und kann nur sich selbst schlagen. Bei den Olympischen Spielen in Athen gewannen die Jungs aus Übersee mit fast fünf Sekunden Vorsprung auf die damals sensationell starken Australier, die diesmal gar nicht am Start sind. Jamaika und die Bahamas sind für die weiteren Medaillen avisiert. Titelverteidiger Frankreich, beim Europacup nur Dritter, wird Mühe haben, in diese Regionen vorzudringen. Die schnellste europäische Staffel kommt aus Großbritannien. Das DLV-Quartett kämpft um den Einzug in das Finale, muss aber den Ausfall von Europameister Ingo Schultz kompensieren.
Titelverteidiger: Frankreich
DLV-Starter: Simon Kirch, Bastian Swillims, Florian Seitz, Kamghe Gaba, Ralf Riester