Die leichtathletik.de-Analyse - Gehen
Der Leichtathletik-Sommer 2005 ist Geschichte. Die deutsche Szene war in den letzten Monaten nach dem Tief bei den Olympischen Spielen in Athen wieder von einem Aufwind ergriffen. leichtathletik.de nimmt die einzelnen DLV-Disziplinbereiche unter die Lupe, macht eine Momentaufnahme, bilanziert das Jahr 2005, blickt auf 2006 voraus und stellt die neuen Hoffnungsträger vor.
André Höhne überraschte in Helsinki mit dem vierten Rang (Foto: Kiefner)
Gehen MännerSo stehen die DLV-Asse international
Mit André Höhne (SCC Berlin) und Andreas Erm (SC Potsdam) gehören zwei Athleten mit zu den besten Gehern der Welt. André Höhne hat das mit einem ausgezeichneten vierten Platz in Helsinki bewiesen. In der Weltjahresbestenliste rangiert der Berliner zwar nur auf dem 29. Rang, doch das ist bei einem solchen Ergebnis unwichtig. Andreas Erm konnte aus Verletzungsgründen sein Können nicht zeigen. Die Lücke hinter den beiden ist aber unverändert groß.
Die Bilanz 2005
"Für uns war das nacholympische Jahr nicht so erfolgreich, wie wir uns das vorgestellt haben. Mit dem Ausfall von Andreas Erm war einer unserer wichtigsten Leute aus dem Rennen", blickt Ronald Weigel, DLV-Disziplintrainer für das Gehen, auf die Saison zurück. "André Höhne hat eine bravouröse Leistung vollbracht, mit persönlicher Bestleistung von 1:20:00 Stunden beim Jahreshöhepunkt. Und das, obwohl er auch Regenerationsprobleme nach den Olympischen Spielen von Athen hatte."
Und da spricht Ronald Weigel ein generelles Problem an, das sowohl die Männer als auch die Frauen betrifft: "Vor Olympia wurde viel ins Training investiert. Gerade in einer Ausdauersportart kann man aber nicht jedes Jahr wieder draufpacken. Wir haben aber trotzdem probiert, 2005 ähnlich wie bei Olympia abzuschneiden. Und André Höhne und sein Trainer Peter Selzer haben es verstanden, gerade in der letzten Phase der Vorbereitung auf Helsinki die höchste Trainingsqualität zu erreichen."
War der DLV-Trainer mit der Leistungsentwicklung von André Höhne vollauf zufrieden, gab es bei anderen Einschränkungen. "Die Hoffnungen ruhten auf Jan Albrecht (Team Erfurt) und Maik Berger (LAC Berlin). Beide sollten sich zumindest für Helsinki qualifizieren. Doch das gelang nicht. Bei Jan Albrecht war zwar eine Verbesserung im Unterdistanzbereich zu sehen, er gewann auch den deutschen Meistertitel über 10.000 Meter. Aber ein sichtbarer Leistungsaufschwung auf den 20 Kilometern glückte ihm nicht. Und Ähnliches trifft auf Maik Berger zu, der zwar professionell trainierte, auch die Trainingslager mitmachte, doch das nicht umsetzen konnte."
Die Chancen 2006
Die Aussichten für Göteborg stehen nicht schlecht. "Ich rechne damit, dass fünf Athleten die Norm von 1:23 Stunden für die 20 Kilometer schaffen können", meint Ronald Weigel. Zu diesem Quintett zählen André Höhne, Andreas Erm, Jan Albrecht, Maik Berger und Michael Krause. Offen ist gegenwärtig, welche Strecke André Höhne im nächsten Jahr vorziehen wird. Ein Doppelstart über 50 und 20 Kilometer wird nicht möglich sein, weil beide Wettbewerbe nur zwei Tage auseinanderliegen. Die Entscheidung wird wohl Anfang des Jahres 2006 fallen.
"Mit seinem vierten WM-Platz hat er sich natürlich weit nach vorn geschoben. Sein Ziel muss also zwischen Platz drei und sechs liegen", gibt Ronald Weigel die Richtung vor, unabhängig von der Strecke.
Bei Andreas Erm dreht sich alles noch um die Gesundheit. Er hat nach letzten ärztlichen Untersuchungen eine Schleimbeutelentzündung im Hüftgelenk, eine sehr langwierige Verletzung. Gegenwärtig ist er noch nicht wieder im Training, absolviert einen sechswöchigen Unteroffizierslehrgang. "Wir wollen das Problem beheben und im nächsten Jahr wieder starten," sagt Ronald Weigel, der auch sein Heimtrainer ist. "Allerdings sind dann nur die 20 Kilometer vorgesehen."
Es ist also möglich, dass niemand über 50 Kilometer an den EM-Start gehen wird, wenn sich denn André Höhne für die 20 Kilometer entscheiden sollte.
Das sind die Hoffnungsträger
Im Top-Team-Kader Peking 2008 sind vier Athleten aufgenommen worden: Andreas Erm, André Höhne, Michael Krause (LG Offenburg) und Carsten Schmidt. (SC Potsdam). Diese vier, dazu noch Maik Berger und Jan Albrecht, das sind die, die auch in den kommenden Jahren das Geschehen bestimmen werden.
Michael Krause hat angedeutet, dass er mal nach vorn kommen kann. Er und Carsten Schmidt, der in diesem Jahr seinen ersten 20er ging, sind zusammen mit Hannes Tonat (Team Erfurt) die Nachwuchsleute, auf die Trainer Ronald Weigel hofft. "Aber ansonsten denke ich nicht, dass noch jemand von den jüngeren Athleten hinzukommen wird, wenn man bis 2008 blickt."
Gehen Frauen
So stehen die DLV-Asse international
"Vom Leistungsvermögen her haben Melanie Seeger und Sabine Zimmer Anschluss an die Weltspitze. Für mich bedeutet Weltspitze immer die Konstanz, um Medaillen mitzukämpfen", beurteilt DLV-Trainer Ronald Weigel die internationale Lage. "Aber beide haben die Fähigkeit, sich bis 2008 zu stabilisieren, um auch dann erfolgreich zu sein."
In der Weltjahresbestenliste liegt Sabine Zimmer auf Rang 23, Melanie Seeger auf 43. Doch diese Reihung ist wenig aussagefähig, zumal viele Russinnen und Chinesinnen dort aufgeführt sind.
Die Bilanz 2005
Melanie Seeger, Olympiafünfte von Athen, kam in Helsinki in 1:31:00 Stunden auf Rang elf, Sabine Zimmer (beide SC Potsdam)enttäuschte mit 1:34:24 Stunden auf Rang 23. "Melanie hatte für Olympia viel investiert, und sie hat gemerkt, dass das Olympische Jahr viel Kraft und Nerven gekostet hat. Sie hat aber in Helsinki noch das Beste aus der Situation gemacht", schätzt Ronald Weigel ein.
Sabine Zimmer ging über 5.000 Meter bei der Deutschen Meisterschaft in Wattenscheid mit 20:11,45 Minuten einen neuen Deutschen Rekord, bekam dann aber einen Infekt. "Vielleicht hat das zu wenig Beachtung gefunden. Bei einem besseren Verhältnis von Be- und Entlastung in der unmittelbaren Vorbereitung auf Helsinki, hätte man unter Umständen mehr schaffen können", versucht Ronald Weigel Ursachen für das vor allem die Athletin selbst nicht befriedigende Abschneiden zu finden. "Aber Sabine ist eine junge Athletin, die viel will und hochmotiviert ist."
Nach diesen beiden Athletinnen ist die Lücke groß. Maja Landmann (SC Potsdam) ist im ersten Jahr auf die 20 Kilometer umgestiegen, wurde in Erfurt bei der U23-EM Neunte. Ulrike Sischka (SV Halle) und Kathrin Schulze (1. LAC Dessau) sind außerdem noch in der zweiten Reihe zu nennen. In Kaunas bei der Junioren-EM war keine deutsche Nachwuchs-Athletin am Start, ein Spiegelbild der misslichen Situation.
Die Chancen 2006
In der Europabestenliste liegt Sabine Zimmer mit den 1:29:07 Stunden von Dresden auf dem 13. Rang, Melanie Seeger mit den 1:30:21 Stunden von Coruna auf Rang 22. "Für beide liegt die Zielstellung für Göteborg zwischen Platz drei und sechs, die Konkurrenz gleicht der in Helsinki", gibt Ronald Weigel die Marschrichtung vor. "Wir wollen in diesem Jahr das Höhentraining etwas herausnehmen, um eine kleine Entlastung zu geben, besonders bei Melanie Seeger."
"Maja Landmann wird sicher noch zwei bis drei Jahre brauchen, um vorn anzukommen. Für die Junioren-WM in Peking sind die Chancen sehr gering, dass jemand aus unserem Nachwuchs dabei sein wird", schätzt Ronald Weigel die Situation ein.
Das sind die Hoffnungsträger
Im Top-Team-Kader Peking 2008 stehen Sabine Zimmer und Melanie Seeger. "Auf sie kann man bis Peking setzen," meint Ronald Weigel. "Für die anderen wird es schwer. Es muss einiges passieren, damit noch eine dritte Frau zu Olympia 2008 fahren kann. Die Hoffnung haben wir aber immer."
Allerdings wird die Norm, die für die EM 2006 bei 1:33 Stunden liegt, noch schwerer werden. Der Sieg wird nach Einschätzung von Ronald Weigel in Peking unter 1:26 Stunden weggehen. Man müsse ein Leistungsniveau von mindestens 1:28 Stunden haben, um unter die ersten Acht zu kommen. Nicht ganz ohne Hoffnung ist der Trainer, wenn er in die weitere Zukunft blickt. "Im Alter von 15 bis 17 Jahren haben wir drei bis vier Athletinnen, die Potential haben. Aber sie müssen erst reifen."