Die leichtathletik.de-Analyse - Sprint Frauen
Der Leichtathletik-Sommer 2006 ist Geschichte. Die deutsche Szene war dabei vor allem von einer erfolgreichen EM in Göteborg (Schweden) gekennzeichnet. leichtathletik.de nimmt die einzelnen DLV-Disziplinbereiche unter die Lupe, macht eine Momentaufnahme, bilanziert das Jahr 2006, blickt auf 2007 voraus und stellt die aktuellen Hoffnungsträger vor.
Jala Gangnus sprintet der Zukunft entgegen (Foto: Krebs)
Wo stehen die DLV-Asse international?Dem deutschen Frauensprint darf im Jahr 2006 eine leichte Aufwärtstendenz bescheinigt werden, auch wenn die greifbar nahe Bronzemedaille für die 4x100-Meter-Staffel bei den Europameisterschaften in Göteborg (Schweden) beim letzten Wechsel noch aus den Händen glitt. Schon im Vorfeld hatte diese Staffel mit den 43,24 Sekunden von Regensburg ihre Möglichkeiten offenbart.
Allerdings war da noch Birgit Rockmeier (LG Olympia Dortmund) dabei, die aber schon vor den Deutschen Meisterschaften passen musste. Die Staffel wurde kurzfristig umgebaut, Cathleen Tschirch (LG Weserbergland) neu eingebaut. Unglücklich, dass gerade der Wechsel von ihr auf Verena Sailer (LAC Quelle Fürth/München/Würzburg) daneben ging.
"Die Chance auf Bronze war da, mit einem guten Wechsel hätten wir es gepackt", blickte DLV-Disziplintrainer Thomas Kremer zurück. "Deshalb können wir mit diesem Ergebnis nicht zufrieden sein. Insgesamt aber haben wir einen kleinen Schritt vorangetan, was man vor allem an den jüngeren Athletinnen Verena Sailer und Jala Gangnus festmachen kann." Beide überstanden bei der EM im Einzelrennen die erste Runde und kamen ins Halbfinale. Mehr war diesmal von ihnen noch nicht zu erwarten.
Die scheidende Birgit Rockmeier hatte in Regensburg eine 200-Meter-Zeit von 22,94 Sekunden vorgelegt, und hätte damit auch im Einzelrennen der EM eine Endlaufchance gehabt. Doch das war dann eben verletzungsbedingt nicht möglich.
Der Positivtrend der letzten Jahre kann vor allem an den Staffelzeiten festgemacht werden. 2004 gab es im Olympiafinale von Athen (Griechenland) mit 43,64 Sekunden den Tiefpunkt. Die 43,24 Sekunden aus diesem Jahr bedeuten immerhin Platz vier in der Welt, in Europa sogar Platz zwei. Allerdings darf man nicht verkennen, dass nicht alle Nationen intensiv Staffel gelaufen sind, was sich im WM-Jahr 2007 wieder ändern wird.
Auf einen interessanten Aspekt wies Thomas Kremer bei der Bewertung der Einzel-Platzierungen in den Weltbestenlisten hin. "Gerade bei den Athletinnen aus Übersee kann man große Differenzen zwischen den Leistungen feststellen, die sie anfangs des Jahres zuhause abriefen und denen, die sie zuletzt bei den Golden Leagues in Brüssel, Zürich oder Berlin boten." Letztere sind allerdings in diesem Jahr für die Welt das Großereignis gewesen, ohne WM oder Olympia. Und außerdem verfälscht eine unbereinigte Liste, in der mehr als drei Athletinnen eines Landes verzeichnet sind, die Aussagekraft im Hinblick auf einen internationalen Höhepunkt.
Und auf einen weiteren Fakt weist Thomas Kremer hin: "Man sollte auch die letzten Weltmeisterschaften ansehen, bei denen man mit Zeiten von 11,17 bis 11,20 Sekunden ins Finale kam. Zwar sind wir im Moment noch nicht soweit, aber ich glaube, dass wir wieder auf dem Weg sind, Athletinnen zu entwickeln, die in solche Regionen hineinlaufen können." So sein optimistischer Grundton.
Die Bilanz 2006
Im Jahr 2005 kamen drei Athletinnen unter 11,50 Sekunden über 100 Meter und zwei unter 23,50 Sekunden über 200 Meter. In diesem Jahr waren es immerhin sechs unter 11,50 und sechs unter 23,50. Ein Ausdruck dafür, dass zumindest die Breite in der Spitze größer geworden ist. Was allerdings noch fehlt, sind die echten Spitzenergebnisse, mal abgesehen von der Staffelzeit.
Die jungen Athletinnen haben sich in den Vordergrund gelaufen, vor allem Verena Sailer als Deutsche Meisterin über 100 Meter und Jala Gangnus (LG Weserbergland) als Meisterin über 200 Meter. Neben diesen beiden hat vor allem Cathleen Tschirch (LG Weserbergland) einen Sprung nach vorn getan, sowohl als Vize-Meisterin über 200 Meter, zeitgleich mit Jala Gangnus, als auch mit ihren 11,42 Sekunden über 100 Meter. Sie hat sich von allen am deutlichsten verbessert. Der Schützling von Werner Scharf hatte 2005 Verletzungsprobleme und konnte nun wieder an das Niveau von 2004 anschließen.
Katja Wakan (Hallesche LAF), die Startläuferin der EM-Staffel, hatte eine solide Saison, mit der persönlichen Bestzeit von 11,37 Sekunden als schnellste Deutsche. Thomas Kremer setzt weiterhin auf Marion Wagner (USC Mainz), die wegen ihrer Bandscheibenprobleme in diesem Jahr trotz ihrer 11.40 Sekunden nicht zu bester Form auflaufen konnte, allerdings noch in der Staffel lief, die in Regensburg 43,24 Sekunden ablieferte. Inzwischen ist sie an der Bandscheibe operiert worden, und sollte, "wenn sie wieder fit ist, in den 11,30er –Bereich laufen."
Sina Schielke (TV Wattenscheid 01), das Sorgenkind der letzten Jahre, ist bei den Deutschen Meisterschaften in einem Staffellauf für ihren Verein wieder auf die Bahn zurückgekehrt. Danach absolvierte sie noch einige Wettkämpfe, um zu testen, ob ihre Plantarsehne halten würde. Der Fuß hat gehalten, schmerzte nicht mehr. So gesehen besteht die Hoffnung, dass bei der 25-Jährigen im nächsten Jahr ein erheblicher Leistungsschub kommen kann.
Die beiden Rockmeier-Zwillinge sind abgetreten, wie sie es vorher schon angekündigt hatten. Gabi Rockmeier versuchte es zwar nochmals, lief auch 11,59 Sekunden über 100 Meter, aber nach den Deutschen Meisterschaften war für sie endgültig Schluss. Birgit Rockmeier wollte noch einmal zur EM, doch auch sie packte es nicht. Damit ging die Ära von zwei verdienstvollen Athletinnen zu Ende, die für den DLV und insbesondere auch für die Staffel stets eine feste Größe waren.
Die Chancen 2007
"Wichtig ist, dass die positive Entwicklung vor allem der jungen Athletinnen, die jetzt begonnen hat, fortgeführt wird", gibt Thomas Kremer die Richtung vor. "In den Einzeldisziplinen werden wir uns an das Niveau WM-Halbfinale heranarbeiten, das heißt, wir wollen unter 11,30 und unter 23,00 Sekunden laufen. Ich glaube, dass es Athletinnen mit diesem Potential gibt."
Für die Staffel wird es im WM-Jahr wegen der größeren Konkurrenz schwerer. "Nachdem wir bei Olympia 2004 und bei der WM 2005 nicht im Finale standen, ist das erste Ziel die Finalteilnahme. Ich glaube aber, dass wir wieder auf dem Weg zu 42er-Zeiten sind, und damit sind Plätze zwischen vier und sechs möglich. Und dann wird es die Tageskonstellation zeigen, wieweit man mit solch einem Leistungsvermögen noch weiter nach vorn kommen kann." Und Osaka soll nicht der Schlusspunkt sein. "Wir wollen uns von Jahr zu Jahr weiterentwickeln, wobei ich natürlich auf Peking und Berlin blicke", meint Thomas Kremer.
Neben der WM in Osaka (Japan) stehen im Jahr 2007 auch die U23-EM in Debrecen (Ungarn) , die U20-EM in Hengelo (Niederlande) und die U18-WM in Ostrava (Tschechische Republik) auf dem Programm.
Vor allem bei den Älteren der Jungen sind die Aussichten gut, Verena Sailer und Jala Gangnus gehören mit zum Favoritenkreis, mit der weiteren Fürtherin Martha Koj und der Magdeburgerin Katja Börner (beide Jahrgang 1986) sollte man auch eine starke Staffel zusammenbekommen, die mit um Gold kämpfen kann.
Die Hoffnungsträger
Thomas Kremer betrachtet auch Verena Sailer und Jala Gangnus noch als Hoffnungsträger, obwohl sie sich bereits als deutsche Spitze darstellen. "Ich will aber mit Sprinterinnen mit Weltniveau arbeiten, und da setze ich eben in beide in diese Richtung Hoffnungen".
Johanna Kedzierski (MTG Mannheim) überzeugte bei der Hallen-DM, verlor in 22,41 Sekunden nur ganz knapp gegen Birgit Rockmeier (23,37 sec). Allerdings hatte auch sie dann draußen gesundheitliche Probleme. An sie sollte man künftig denken, genauso wie an Martha Koj (LAC Quelle Fürth/München/Würzburg), die in der Halle DM-Bronze über 60 Meter holte, die Freiluftsaison aber wegen einer Stressfraktur abbrechen musste.
Katja Börner (SC Magdeburg) ist ebenfalls eine junge Athletin, mit der man rechnen muss. Und nicht zuletzt ist Juliane Stolle (LAZ Leipzig) eine Hoffnungsträgerin. Sie hat sich sowohl in der Halle, als auch im Freien mit guten Zeiten über 200 Meter profiliert. Für sie hat es dann bei der JWM in Peking nicht wie gewünscht geklappt. Doch die Leipzigerin ist noch ein Jahr Jugendliche und hat gute Aussichten, bei der JEM Gold zu holen. Ihre große Gegenspielerin war in diesem Jahr im Sprint der weiblichen Jugend Julia Sutschet (LG Kreis Ahrweiler), die ebenfalls Potenzial besitzt.