Die leichtathletik.de-Top Ten 2004 – national
Der Dezember ist der Monat der Ehrungen, Rückblicke, Wahlen und Hitlisten. Also haben auch wir uns noch einmal den Kopf zerbrochen und wieder in einem kleinen redaktionsinternen "Blitz-Voting" unsere Top Ten, diesmal des Leichtathletik-Jahres 2004, ermittelt. Das Ergebnis spiegelt sicherlich eine interessante Mischung aus objektiven und subjektiven Eindrücken aus den letzten zwölf Monaten wider.
Steffi Nerius hatte 2004 den Dreh raus (Foto: Adidas)
Steffi Nerius (Speerwerfen)Im dritten Jahr in Folge war die Leverkusenerin bei einem internationalen Saisonhöhepunkt auf dem Treppchen. Silber bei der EM in München und Bronze bei der WM in Paris folgte nun Silber bei Olympia. Dabei zeigte Steffi Nerius bei ihrem letzten Versuch in Athen auch allerstärkste Nerven. Eine Paralympics-Medaille für Andrea Hegen, die sie selbst als Trainerin betreut, war das i-Tüpfelchen unter ein am Ende doch wieder erfolgreiches 2004. Nebenbei hat die 32-jährige in den letzten Monaten für sich und die deutsche Leichtathletik viele Sympathiepunkte eingesammelt und sich auch deshalb den Spitzenplatz in unseren "Top Ten" des Jahres redlich verdient.
Betty Heidler (Hammerwerfen)
Niemand freut sich so schön über Blech! So die einhellige Meinung der leichtathletik.de-Redaktion. Das Strahlen der Betty Heidler nach ihrem vierten Platz bei den Olympischen Spielen in Athen war eines der nachhaltigsten Bilder, das in der Erinnerung haften geblieben ist. Dass die Frankfurterin dabei einen neuen deutschen Rekord erzielte und inzwischen auch über mehr Nervenstärke verfügt, nährt die Hoffnung, dass der 21-jährige Rotschopf auch bei der WM in Helsinki wieder vorne mitmischen kann.
Tobias Unger (Sprint)
Der Sprinter vom LAZ Salamander Kornwestheim/Ludwigsburg hat in diesem Jahr das fortgeführt, was er 2003 angedeutet hatte. Diesmal auch mit durchschlagendem Erfolg. Bronze über 200 Meter bei der Hallen-WM in Budapest war ein internationales Ausrufezeichen und sein siebter Platz im Olympiafinale von Athen stand dem in nichts nach. Mit einer neuen Bestzeit von 20,30 Sekunden näherte er sich dem deutschen Rekord bis auf sieben Hundertstel. Tobias Unger ist außerdem ein Sympathieträger, dem so manchen Sprintern eigene Starallüren absolut fremd sind. Das macht es auch für uns sehr angenehm.
Nadine Kleinert (Kugelstoßen)
Die Magdeburgerin war die einzige deutsche Athletin, die sowohl bei der Hallen-WM in Budapest – Bronze nach der Doping-Disqualifikation von der Ukrainerin Vita Pavlysh – als auch bei den Olympischen Spielen in Athen – Silber nach der Doping-Disqualifikation von der Russin Irina Korzhanenko – eine Medaille holte und damit jeweils zu den Saisonhöhepunkten auch die nötige Form auf dem Punkt abrufen konnte. Eine Maßgabe, die viele andere Teamkollegen ihrerseits nicht erfüllten. Mit jetzt 29 Jahren hat Nadine Kleinert noch Perspektive für die nächsten Jahre und steht damit zurecht im "Top-Team-Kader Peking 2008" des Deutschen Leichtathletik-Verbandes.
Melanie Seeger (Gehen)
Nach den Olympischen Spielen in Athen müssen wir unseren redaktionsinternen Spruch "Keiner jubelt so schön wie Jan Fitschen" ändern in "Niemand jubelt so schön wie Melanie Seeger". Nach ihren Freudenszenen beim Zieleinmarsch als Olympia-Fünfte in Athen hüpfte sie mit den dort aufgezeichneten Bildern am 23. August den ganzen Tag durch das deutsche Fernsehen und durfte als Zugabe in der Abendshow sogar noch Blödelbarde Dirk Bach das Gehen näher bringen. Jetzt will die Potsdamerin eine internationale Medaille! Auf den Jubel freuen wir uns schon heute...
Danny Ecker (Stabhochsprung)
Der Leverkusener sorgte für das Comeback des Jahres. Die vielen Verletzungen und Rückschläge hat er mit einer wackeren Ausdauer und Geduld hinter sich gelassen, um sich nun voll und ganz zurückzumelden. Dabei wäre der fünfte Olympiarang des Deutschen Meisters beinahe in der Qualifikation durch die Planlosigkeit der Athener Kampfrichter verhindert worden. Dass Danny Ecker trotzdem alle Nerven behielt, spricht für seine Psyche. Das Jahr rundete er jetzt im Dezember als würdiger Vertreter der Leichtathletik beim "TV Total Turmspringen" gemeinsam mit seinem Kumpel Lars Börgeling auf ungewohntem Terrain nicht weniger nachdrücklich ab.
Sonja Kesselschläger (Siebenkampf)
Das Gesetz der Serie hat gehalten. Seit dem Millenniumsjahr steigert die Neubrandenburgerin alle zwei Jahre ihren Hausrekord. Diesmal brachte ihr das Platz sechs bei den Olympischen Spielen in Athen ein. Beeindruckend war dabei, wie Sonja Kesselschläger auch im Vorfeld ihrer ersten Olympia-Teilnahme bei den Meetings in Götzis und Ratingen mentale Abgezocktheit demonstrierte und sich so dem wilden Angriff der nationalen Konkurrenz um Katja Keller, Lilli Schwarzkopf und Claudia Tonn erwehrte. Die 26-jährige, die sich immer mehr in der Weltspitze etabliert, bleibt damit in der Ära nach Sabine Braun die derzeit stärkste deutsche Siebenkämpferin.
Sebastian Ernst (Sprint)
Der Schalker zeigte in diesem Jahr, dass sein Sieg bei der U20-Europameisterschaft 2003 in Tampere kein Zufall war. Seine Bestzeit steht inzwischen bei 20,36 Sekunden, damit ist er nun der Jäger von Tobias Unger. Mit seinen zu diesem Zeitpunkt gerade mal 19 Jahren eilte er bei der Hallen-WM in Budapest und den Olympischen Spielen in Athen jeweils in das Semifinale über 200 Meter. Und die Tränen nach der Niederlage im unmittelbaren Aufeinandertreffen bei der Hallen-DM in Dortmund gehören inzwischen auch längst der Vergangenheit an. Vielmehr gilt: Wenn Sebastian Ernst weiter bodenhaftend auf Kurs bleibt, werden wir noch viel Freude an ihm haben und auch die deutschen Meistertitel sind dann vorprogrammiert.
Wojtek Czyz (Sprint/Weitsprung)
Der Kölner Behindertensportler war die deutsche Erscheinung der Paralympics in Athen. Mit drei Siegen über 100 Meter, 200 Meter und im Weitsprung überzeugte er sportlich auf der ganzen Linie, durfte sich dafür von Bundeskanzler Gerhard Schröder bei der Siegerehrung in den Arm nehmen lassen. Kürzlich brachte ihm seine neue Popularität auch eine Einladung zum "Aktuellen Sportstudio" des ZDF ein, wo er sich äußerst sympathisch verkaufte. Außerdem wählten ihn Deutschlands Sportjournalisten unter den "Sportlern des Jahres" auf Platz fünf. Da darf Wojtek Czyz, den viele wegen seiner Lebenseinstellung bewundern, natürlich auch in diesen "Top Ten" nicht fehlen. Und die Leichtathletikfans dürfen sich freuen. In der kommenden Hallensaison wird der Paralympics-Star auch bei dem ein oder anderen Indoor-Meeting zu erleben sein.
Lisa Ryshich (Stabhochsprung)
Nach den Deutschen Jugend-Meisterschaften in Jena zitterte die Ludwigshafenerin um ihr Ticket zur Junioren-WM nach Grosseto. Doch dort rechtfertigte die Stabhochspringerin dann ihre Nominierung. Mit gerade mal 15 Jahren hüpfte sie ihrer Konkurrenz mit neuer Bestleistung (4,30 m) davon und führte gemeinsam mit der ebenfalls siegreichen Speerwerferin Vivian Zimmer das deutsche Erfolgskommando in der Toskana an. Lisa Ryshich könnte eine Athletin mit großer Zukunft und die Berufung in den "Top-Team-Kader Peking 2008" also gerade mal der Anfang sein. Bei den Olympischen Spielen 2016 wäre sie noch 27 Jahre jung!