Die Sicht der Dinge – von Dieter Massin
Als "great success" und als "turning point" bezeichneten IAAF-Masters-Chairman Cesar Moreno Bravo (Mexiko) und WMA-Präsident Torsten Carlius (Schweden) unisono die ersten Hallen-Weltmeisterschaften der Senioren in Sindelfingen. Ja, dieser großartige Erfolg ist sicherlich zu notieren.

Dieter Massin (re.) begrüßte in Sindelfingen IAAF-Präsident Lamine Diack
Was die Sindelfinger bzw. Württemberger Organisatoren in nur achtmonatiger Vorbereitungszeit auf den Weg gebracht und dann in fünf Meisterschaftstagen realisiert haben, ist mehr als "great success" zu bezeichnen. Wohl kaum vergleichbar ist der Team-Einsatz von mehr als 600 Ehrenamtlichen gewesen, die nahezu rund um die Uhr im Sinne der Sache und im Sinne der Athleten gearbeitet haben. Hochachtung vor den "Machern" vor und hinter den Kulissen!Ein "great success" sicherlich auch für die Senioren-Bewegung, die mit einem Schlag Öffentlichkeit erlangte, wie sie der Seniorensport in der Leichtathletik schon lange verdient hat. Waren es nun die überraschend hohen Teilnehmerzahlen, war es die einmalige Atmosphäre im "Glaspalast" oder war es gar die Anwesenheit der vielen Sport-Prominenz, gleich wie die Bewertung und Einschätzung ausfällt, alle Facetten trugen dazu bei, dass es zufriedene Gesichter gab, die berechtigt hoffnungsvoll in die Zukunft des Seniorensports (und auch der Leichtathletik) schauen.
Eine Familie
IAAF-Präsident Lamine Diack brachte es auf den Punkt, als er anlässlich der Pressekonferenz von der "Leichtathletik-Familie" sprach, in der die Senioren genauso ihren Platz haben wie die Kinder und Jugendlichen.
Er, Lamine Diack, ließ sich denn auch anstecken von der Atmosphäre und den Leistungen des Seniorensports, setzte gar seinen Abflug nach Zürich aufs Spiel, um schnell noch von einem Empfang kommend in den "Glaspalast" zu eilen, um dort seine Altersgruppe in "seiner" Disziplin, dem Weitsprung, starten zu sehen. Auch sein Generalsekretär Istvan Gyulai nahm teil am Wettkampfgeschehen, erkundigte sich sofort nach Ankunft in der Halle nach seinen ehemaligen Team-Kollegen, mit denen er damals in der ungarischen Nationalmannschaft startete.
Neues Kapitel
Sindelfingen hat mit seinem Erfolg ein neues Kapitel im Seniorensport aufgeschlagen. Ein "great success" also, der das Herz der IAAF-Oberen auch für den Seniorensport schlagen ließ.
Doch ist Sindelfingen wirklich der "turning point", wie Moreno und Carlius es sehen?
Wenn Sindelfingen mit dem Versand der letzten Ergebnisliste 'nur' in die Sportannalen eingeht, dann ist bestimmt nicht von einem "turning point" zu sprechen. Dann war Sindelfingen im Kanon internationaler Meisterschaften nur eine Strophe, mehr nicht!
Im DLV hatte die Vorbereitung dieser "1. Hallen-WM" schon vor dem ersten Startschuss am frühen Mittwochmorgen einen "turning point" zu verzeichnen, die ausgeschriebene "Senioren-Gewinnungskampagne" hatte die ersten Erfolge gezeitigt. Die Nacharbeiten haben jetzt bereits begonnen, die Senioren-Welle ist weiterhin im DLV-Gebiet in Aktion. Mit Blickrichtung auf die kommenden internationalen Senioren-Meisterschaften im Jahre 2007 (Erfurt und Halle/S.) und mit Blickrichtung auf die kommenden nationalen Meisterschaften, die an Quantität und Qualität kaum noch steigerbar sind.
Vom Diskutieren zum Handeln
Auch der europäische Senioren-Verband sitzt im Boot und nutzt den Rückenwind aus, während bei der WMA (so geschehen auf der jüngsten WMA-Council-Sitzung) nun Diskussionsanlässe zu Papier gebracht werden, die unter anderem das "Für" und "Wider" der Freiluftangebote (Winterwurf, Crosslauf, Straßengehen) bis hin zur neuen Altersklasse M 35 weltweit zur Sprache bringen.
Weltweit wird über eine HALLEN-Meisterschaft gesprochen und diskutiert, dabei vergessend, dass von den 57 teilnehmenden Nationen 37 allein nur aus Europa kamen.
"Great success", ja und allemal! "turning point" nur in Deutschland und Europa? Das wäre schade, schade für Sindelfingen und die zahlreichen guten Ansätze, und auch schade für die Senioren-Bewegung insgesamt...
Wenn schon "turning point", dann die Wende vom Diskutieren zum Handeln...
Dieter Massin ist DLV-Vizepräsident "Allgemeine Leichtathletik".
In unregelmäßigen Abständen äußern sich auf leichtathletik.de Insider, Funktionäre, Journalisten, Athleten oder andere Experten, die eng mit der Leichtathletik verbunden sind, meinungsfrei und unabhängig von der Redaktion und dem DLV zu ihrer "Sicht der Dinge".