Die Sicht der Dinge - Theo Rous
Der Papst und der DLV - Wenn das kein Denkzettel war! Es haben ihn längst nicht alle, die zur Wahl berechtigt waren, gewählt. Kein überzeugendes Ergebnis, wie das in den marxistischen Musterdemokratien einst so vorbildlich eindeutig der Fall war, mit 99,8 Prozent oder so ähnlich. Und auch nach der Wahl war die Meinung geteilt. Ist das denn wohl der Richtige für den unisono geforderten Aufbruch? Der Mann kommt aus einem Dorf im tiefschwarzen Bayern ! Und der soll für den so dringend notwendigen Fortschritt sorgen?
Theo Rous schildert auf leichtathletik.de in seiner ihm ganz eigenen Art seine Sicht der Dinge (Foto: Gantenberg)
Und dabei, so konstatierten es einige kritische Pressestimmen kopfschüttelnd, habe dieser bayrische Betonkopf auch noch mehrfach gelächelt. Ich habe es selbst gelesen. Unglaublich! Um wen es geht?
Falsch geraten, lieber Leser, es ist nicht die Rede vom Papa Ratzi, dem 16. Benedict, dem Gesegneten, aus Marktl am Inn. Ich meine Clemens den Milden, aus Saal an der Donau, zum zweiten Mal zum DLV-Präsidenten gewählt, im Wallfahrtsort Kevelaer. Aber die Parallelen sind augenfällig.
Die Ähnlichkeiten beschränken sich nicht nur auf Personen. Sie beziehen sich auch auf Strukturen von Kirche und DLV:
Beide sind in hohem Maße auf den Glauben an die Zukunft angewiesen, haben aber keine evaluierten Kenntnisse über diese: Die Kirche mit der Auferstehung von den Toten, der DLV mit seinen Medaillenprognosen.
Beide pflegen die Heiligenverehrung: Die Kirche mit der Erhebung von treuen Dienern zur Ehre der Altäre, der DLV mit der Verleihung von Ehrenschild und Hanns-Braun-Preis an verdiente Mitglieder.
Kritiker
Beide müssen sich intern mit Kritikern auseinandersetzen: Der Papst mit den Befreiungstheologen, der Präsident mit den Landesfürsten.
Die Rolle der Frau in der Kirche und im DLV ist vergleichbar. Der Apostel Paulus sagt in seinem Brief an die Korinther: "Mulier taceat in ecclesia" (" Die Frau hat in der Versammlung den Mund zu halten"). Carl Diems Zielsetzung im Sport lag auf vergleichbarer Ebene: "Die Männer wehrfähig, die Frauen gebärfähig". Basta!
Mitglieder von Kirche und DLV schauen skeptisch in die Zukunft. Manche Experten im DLV zweifeln, ob es in Peking mit dem dritten Platz in der Nationenwertung etwas wird, die Theologen der Gegenwart sehen ihre Zukunft so ähnlich wie der erfahrene Pfarrer auf die Frage eines jungen Kaplans, ob es denn zu seinen Lebzeiten noch was werde mit der Aufhebung des Zölibats : "Für Dich nicht, aber vielleicht für Deine Kinder".
Unterschiede
Es gibt aber auch Unterschiede. Das Wahlverhalten der Kardinäle zeigte bei aller Unterschiedlichkeit der Lager ein Höchstmaß an Verantwortungsbewusstsein, Sorgfalt und Sinn für die gemeinsame Sache
Undenkbar, dass die Kardinäle während der Wahlvorgänge die Sixtinische Kapelle verließen. In Kevelaer fehlten bei einigen Wahlgängen Dutzende von Stimmen. Sie waren beim Schwätzchen vor der Tür.
Undenkbar, dass Kardinäle Wahlzettel (aus Jux?) so verunzierten, dass sie ungültig wurden.
Undenkbar, dass Kardinäle Berichte ablieferten, die in ihrer spätpubertären Albernheit und pennälerhaften Überheblichkeit ("Denen zeig ich's jetzt mal") allenfalls in die Bierzeitung einer Abi-Fete gehört hätten.
Wahrung bestimmter Formen
Aber auch das Präsidium sollte auf Wahrung bestimmter Formen bedacht sein, weil über Formen auch Inhalte transportiert werden. Ich hätte es für gut befunden, wenn sich die gewählten Mitglieder nach der jeweiligen Wahl auf dem Podium niedergelassen hätten. Das ist nicht nur eine Äußerlichkeit, sondern demonstriert den Respekt vor dem Wähler.
Die Ursachen für die unter Beobachtern umstrittene Entscheidung, auch bei jeweils nur einem Kandidaten geheim zu wählen, kenne ich nicht im Einzelnen. Sie ist legal, von daher nicht zu beanstanden. Jemanden auf satzungskonformer Grundlage zu wählen oder abzuwählen, ist ein fundamentales Grundrecht der Demokratie. Legitim ist es aber auch, Absicht und Wirkung beim Namen zu nennen.
Wortlos Kritik üben
Man kann auf diese Weise wortlos Kritik üben, ohne dafür offen die Verantwortung übernehmen zu müssen. Dr. Clemens Prokop wird autoritäres Verhalten vorgeworfen, weil er seine Vorstellungen struktureller und personeller Art einbringen will. Einverstanden: Deswegen kann man gegen ihn sein. Ich persönlich habe allerdings Probleme mit Entscheidungen, bei denen man gegen etwas ist, ohne für etwas zu sein.
Denkzettel? Ich weiß nicht. Helmut Meyer und Helmut Digel haben ähnliche Erfahrungen gemacht und vergleichbare Quoten an Gegenstimmen wie die 35 von Clemens Prokop. erhalten: 119 Ja-Stimmen erhielt Helmut Meyer 1989, aber auch 33 Nein-Stimmen und 17 Enthaltungen. Helmut Digel kassierte beim ersten Mal 28 Gegenstimmen und vier Jahre später 34.
Den "Volkspräsidenten" August Kirsch und Max Danz erging es dem Vernehmen nach noch schlechter, und Eberhard Munzert wurde noch vor Ende seiner Amtszeit weggemobbt.
Vorstellungen
Immer schon haben Präsidenten ihre Wahl auch davon abhängig gemacht, dass eigene strukturelle und personelle Vorstellungen verwirklicht wurden. Und die Landesfürsten? Mein hochgeschätzter Vorgänger Jochen Appenrodt im LV Nordrhein, eine der großen Figuren im Reigen der Landesverbandsvorsitzenden, hat einen Nordrhein-Verbandstag abgebrochen und erst dann wieder fortgeführt, als strukturelle Entscheidungen, die bereits getroffen waren, wieder aufgehoben und in seinem Sinne geändert wurden.
Ich habe den leisen Verdacht, dass es Landesverbandspräsidenten gibt, die sich in ihrem Verband nicht viel anders verhalten als sie es dem Clemens Prokop vorwerfen.
Als Person in der Verantwortung
Ich nehme ihnen das keineswegs übel. Sie werden als Person in die Verantwortung genommen, nicht die Wähler. An ihrer Person wird in der Regel Kritik festgemacht, nicht am Wähler. Sie müssen eine Wahlperiode lang mit den Gewählten zusammen arbeiten, nicht die Delegierten. Sie haben ungeeignete Strukturen auszuhalten, nicht die Delegierten.
Zurück zu Benedikt und Clemens, unseren beiden Bayern. Nomen est omen, sagen sich die Päpste, und nehmen Wahlnamen an, die gleichzeitig auch Programm sind. Benedikt XV. (1914-22), auf den sich unser Benedikt XVI. offensichtlich bezieht, steht für Friede und Versöhnung.
Wer allerdings Clemens heißt, braucht nicht lange zu wählen, er hat ja schon einen bewährten Papstnamen. Immerhin gab es 14 Päpste, die diesen Namen gewählt haben, darunter der erste deutsche Papst, Clemens II. (1046-47), begraben in Bamberg, also noch ein Bayer.
Kein schlechtes Motto
Dessen Lebensaufgabe war, das sogenannte "Schisma", das heißt die Spaltung der Kirche, zu verhindern und Gräben zuzuschütten. Kein schlechtes Motto auch für einen DLV-Präsidenten. Doch aufgepasst: Er war noch kein Jahr im Amt, da war er tot. Vergiftet! Also Vorsicht, lieber Clemens!!
Theo Rous ist DLV-Ehrenpräsident und war lange Jahre DLV-Vizepräsident und Anti-Doping-Beauftragter.
In unregelmäßigen Abständen äußern sich auf leichtathletik.de Insider, Funktionäre, Journalisten, Athleten oder andere Experten, die eng mit der Leichtathletik verbunden sind, meinungsfrei und unabhängig von der Redaktion und dem DLV zu ihrer "Sicht der Dinge".
Buchtipp:
Theo Rous – "Lachend die Wahrheit sagen" - Jetzt bestellen!