Die Sicht der Dinge von Fritz Steinmetz
Die sogenannten "Kleinen Meisterschaften" des DLV sind 2002 wegen zu geringer Teilnehmerzahlen "sanft entschlafen" und auch für 2004 nicht im Veranstaltungsprogramm. Damit ist vielen am Wettkampfsport Leichtathletik Interessierten ein motivierendes Jahresziel genommen, vor allem denen mit Leistungszielen aus dem Bereich der unteren Hälfte der DLV-Bestenlisten zwischen den Plätzen 25 bis 50 und der vorderen Zehn ihrer Disziplin in den Landesverbänden.
Fritz Steinmetz ist für Amateur-Meisterschaften (Foto: Schröder)
Dass die Landes- und auch die Regionalmeisterschaften an "Auszehrung" - sprich Beteiligungsschwund - leiden und die Wettkampf-Leichtathletik sich immer mehr auf die Straßenläufe sowie den Schüler- und Seniorensport konzentriert, hängt auch stark damit zusammen, dass die in den Medien beachtete nationale und internationale Spitze sich auf ein Leistungsniveau abgehoben hat, von dem die reinen Amateure mehr abgeschreckt als angestachelt werden. Jahrzehnte nach anderen Sportarten wie zum Beispiel Radfahren und Fußball haben sich im Zuge der Kommerzialisierung und der professionellen Leistungsförderung auch in der Leichtathletik zwei Gruppen gebildet, die durch die Bezeichnungen Spitzen- und Breitensport am besten charakterisiert werden. Und weil nicht nur Fernsehen und Rundfunk, sondern auch weitgehend die Presse ihr Interesse in erster Linie dem Spitzen- und Profisport zugewandt haben, wird der Amateursport "erdrückt" und unattraktiv gemacht.
Amateursport vernachlässigt?
Hinzu kommt, dass der DLV sich - auch im Hinblick auf die Interessen seiner Sponsoren - auf die Leistungsspitze mit Blick auf internationale Medaillen konzentriert sowie auf die dafür notwendige Nachwuchsförderung. Die in ihrer Auswirkung wenig lukrative Betreuung und Förderung der über die Vereine mitgliederstärksten Säule Amateursport wird offensichtlich vernachlässigt. Die Mannschaftskämpfe der DMM und die Vereinsarbeit sind ohne "Anerkennung von oben" den Landesverbänden überlassen und einige Bundesmeisterschaften laufen nur noch "zweiter Klasse" nebenher mit.
In diesem Zusammenhang muss man auf einen früheren Vorstoß des DLV-Vizepräsidenten Dieter Massin hinweisen. Er wollte durch Zusammenlegung einige DLV-Meisterschaften attraktiver machen und zugleich Termine und Kosten sparen. Auf seine Anregung hin hat vor zwei Jahren zumindest der Hessische Leichtathletik-Verband dazu einen Vorschlag eingereicht.
Verbandsrat ist gefragt
Das HLV-Präsidium wollte die Deutschen Juniorenmeisterschaften (U23) mit neuen Deutschen Amateurmeisterschaften für die 23- bis 34-jährigen Männer und Frauen zusammenfassen in dem Bewusstsein, dass über kurz oder lang die Seniorenklasse mit der Klasse M/W35 beginnen wird. Nur ist dieses Thema immer noch nicht im DLV-Verbandsrat behandelt worden. Statt dessen wurde der Vorschlag dem Leistungssport-Bundesausschuss des DLV vorgelegt, der dafür kein Interesse zeigte und auch nicht zuständig ist.
Damit scheint das Projekt "beerdigt" zu sein. Dieses Schicksal zu vermeiden ist Ziel dieses Beitrags. Gleichgültig wie die zuständigen DLV-Bundesausschüsse dazu stehen kann meines Erachtens eine so gravierende Entscheidung wie die Aktualisierung des Meisterschaftsprogramms nur vom DLV-Verbandsrat getroffen werden, zumal der nächste DLV-Verbandstag, zu dem man einen Antrag stellen könnte, erst im April 2005 stattfindet.
Die Einführung von Amateurmeisterschaften (mit moderaten Zulassungsnormen im Hinblick auf Anreize für die Aktiven der zweiten und dritten Reihe) wäre von grundlegender Bedeutung und damit außerhalb des Entscheidungsrahmens von DLV-Bundesausschüssen. Ob Athleten und Vereine auf eine positive und baldige Entscheidung hoffen dürfen? Der DLV ist das Führungsorgan für die ganze deutsche Leichtathletik.
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Fritz Steinmetz (Kassel) war viele Jahre (bis 1981) DLV-Geschäftsführer. Der DLV-Ehrenringträger hat über Jahrzehnte richtungweisende Impulse zur Gestaltung des Wettkampfwesens gegeben und sich besonders um die Mannschaftsmeisterschaften (DMM) bemüht. Er hat in den vergangenen Jahren viele Standardwerke zur Geschichte der deutschen Leichtathletik herausgegeben und ist Ehren-Vorstandsmitglied des Hessischen Leichtathletik-Verbandes.
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