| U20-EM

Diebstahl, Feuerwehr, Taucher-Einsatz – Aufregung in Eskilstuna

Eigentlich herrscht an den Tagen vor internationalen Meisterschaften angespannte Ruhe. Umsehen, locker trainieren und vor allem warten auf den großen Auftritt – so sieht zumeist das Programm aus. In Eskilstuna war das anders: Mit einem Diebstahl und einer Bergungsaktion hielt das DLV-Team zu Beginn der Woche Polizei, Feuerwehr und sogar den örtlichen Tauchverein auf Trab.
Silke Morrissey

Zehnkämpfer Jan Ruhrmann (SG DJK Tackenberg) hatte sich seinen 18. Geburtstag sicher anders vorgestellt. Dass er als Nachrücker seinen Familienurlaub in Österreich unterbrechen musste und seinen Ehrentag im Kreise der Nationalmannschaft verbringen durfte, war sicher noch eine willkommene Planänderung. Dass er aber vier Tage vor seinem Zehnkampf mit einem Bergungsteam am Flussufer des Eskilstunaån nach seiner Sportausrüstung fischen würde – nein, das hätte er sicher vor wenigen Tagen noch als schlechten Scherz abgetan.

Wie es dazu kommen konnte? Das ist eine etwas längere Geschichte, die bereits in Darmstadt beginnt. Da nämlich hatte U20-/U18-Bundestrainer Dietmar Chounard in der Vorwoche einen Kleintransporter mit Wettkampf-Utensilien sowie der Ausrüstung des medizinischen Teams beladen. Und mit der Sporttasche von Jan Ruhrmann, der nach seiner Nachnominierung kurz vor Abreise seine Ausrüstung in der DLV-Geschäftsstelle in Darmstadt vorbeigebracht hatte.

Transporter aufgebrochen

Eben dieser Transporter wurde im beschaulichen 70.000-Einwohner-Örtchen Eskilstuna in Mittelschweden aufgebrochen, bevor er vollständig entladen war. Die Freude der Diebe wird sich in Grenzen gehalten haben, als sie im Wagen überwiegend Stäbe, Speere und Massage-Bänke vorfanden. Jedenfalls ließen sie nicht viel mitgehen, und zunächst fiel gar nicht auf, dass wichtige Fracht fehlte. Bis Jan Ruhrmann nach Ankunft in Eskilstuna nach seiner Sporttasche fragte.

„Passt gut auf eure Sachen auf“, gab Dietmar Chounard dem Team am Montagabend bei der Mannschaftssitzung zum Abschied mit auf den Weg, nachdem er die Geschichte des Diebstahls zum Besten gegeben hatte. Damit, dass von dem Diebesgut etwas wieder auftauchen würde, hatte niemand gerechnet. Aber bei einem Spaziergang am Flussufer stolperten Athletinnen später am Abend über Sportklamotten und -schuhe – und damit begann die Geschichte erst richtig.

Feuerwehr schickt Drei-Mann-Team

„Ich habe eigentlich nur gefragt, ob wir vielleicht ein kleines Boot nutzen können, um im Fluss nach der gestohlenen Tasche und dem Rest des Inhalts zu suchen“, erklärte Dietmar Chounard. Wenige Stunden später stand ein Feuerwehr-Auto vor dem Team-Hotel.

Der für die deutschen Gäste zuständige Volunteer geleitete drei Feuerwehr-Leute zur Schleuse, an der die Sportsachen gefunden worden waren. Ausgerüstet mit einem langen Stab mit drei Haken sowie Neopren-Anzug und Schnorchel machten sie sich im Wasser und an Land auf die Suche nach Treibgut. Mehr als ein Kabel, Schlamm und Gestrüpp brachten sie aber nicht zum Vorschein.

„Eskilstuna Dykcenter“ schickt Taucher

Damit hätte die Suchaktion abgeschlossen sein können. Aber der Ehrgeiz der schwedischen Gastgeber war geweckt. „Heute um 14 Uhr kommen die mit einem Taucher mit Sauerstoff-Flasche und einer Tiefsee-Lampe“, verkündete Dietmar Chounard beim Mittagessen.

Was zunächst als Scherz aufgefasst wurde, entpuppte sich als Tatsache. Pünktlich fuhr an der Schleuse am Eskilstunaån der Wagen des „Eskilstuna Dykcenter“ vor und ein Taucher schmiss sich in seine Ausrüstung. Unter den Augen zahlreicher Teammitglieder sowie eines Kollegen, der den Tauchgang sicherte, verschwand er wenig später im Fluss, seine Tauchroute nur ersichtlich durch Sauerstoff-Blasen, die in regelmäßigen Abständen an der Oberfläche erschienen.

Vielumjubelter Fund

Als der Taucher schließlich wieder auftauchte, hielt er einen Diskus in der Hand. In Empfang genommen von Dietmar Chounard, weitergegeben an Jan Ruhrmann und gefeiert von allen Anwesenden wie eine Goldmedaille im olympischen Zehnkampf. Der Rest des Diebesguts blieb allerdings verschwunden – und wird spätestens nach Öffnen der Schleuse mittlerweile auf einer Reise quer durch Schweden sein.

Wie Jan Ruhrmann die Großaktion zur Bergung seiner Ausrüstung fand? „Naja, ehrlich gesagt wäre es mir am liebsten gewesen, die Tasche wäre erst gar nicht verschwunden.“ Allein seine Schuhe für den Stabhochsprung kann er noch nutzen („Die müssen aber erst mal in die Waschmaschine!“), für die weiteren Disziplinen wartet er auf Ersatz aus der Heimat. Und möglicherweise kommt am Sonntag ja auch der Diskus zum Einsatz, Schaden scheint er nicht genommen zu haben. Vielleicht bringt er ja Glück. Damit dann spätestens nach dem Zehnkampf wieder sportliche Leistungen die Schlagzeilen schreiben.

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