Dieter Baumann behält Marathon im Visier
Bis Kilometer 30 lief für Dieter Baumann alles wie geplant. Beim Hansaplast-Marathon in Hamburg hatte der Schwabe die halbe Distanz in den angepeilten rund 65 Minuten zurückgelegt und auch auf den nachfolgenden Kilometern sein Tempo halten können. Obwohl es schon zu diesem Zeitpunkt nicht mehr nach einem Sieg für den 37-Jährigen bei seinem Debüt über die 42,195 Kilometer aussah, deutete wenig darauhin, dass er bei Kilometer 35 aussteigen würde.
Marathonneuling Dieter Baumann berichtete in Hamburg nicht nur von Positivem (Foto: Gantenberg)
Doch wer diese Strecke selbst schon einmal gelaufen ist, weiß, was sich im letzten Drittel an Dramen abspielen können. Und davor, gab Baumann Stunden später zu Protokoll, sei man auch als Olympiasieger nicht gefeit. Bis Kilometer 30 war er "sehr zufrieden" und wollte in diesem Tempo die restlichen Kilometer absolvieren. Aber plötzlich verlor die Verfolgergruppe, der er angehörte, den Sichtkontakt zu den Führenden und er selbst den Anschluss an seine unmittelbaren Mitstreiter. Ab dem 32. Kilometer konnte er das Tempo nicht mehr halten, suchte verzweifelt nach seinem eigenen Rythmus, aber die Zeiten wurden langsamer. Rund 3000 Meter später gab er - von Krämpfen geplagt - auf und liess sich zunächst ins Hotel bringen, um später noch die Fragen der Medien zu beantworten.
An die eigenen Grenzen gestossen
"Ich bin heute an meine Grenzen gestoßen. Nach dem 32. Kilometer kam der Knacks. Danach bin ich jeden Kilometer 10 bis 15 Sekunden langsamer gelaufen, bis ich schließlich bei vier Minuten angekommen war." Da habe er sich, so Baumann, zum Aussteigen entschlossen.
"Eigentlich war ich zu diesem Zeitpunkt geistig frisch. Ich wollte schnell laufen, aber es ging eben nicht mehr. Für mich war das heute wohl das typische Marathonerlebnis", gestand der Langstreckler, der vorher noch angekündigt hatte, im jeden Fall durchlaufen zu wollen. Dass er dieser Distanz nun den Rücken kehren werde, schloss Baumann nach den Erfahrungen von Hamburg allerdings kategorisch aus. "Es wird im kommenden Jahr einen zweiten Versuch geben. Ich weiß nur noch nicht wo."
Kürzere Distanzen in der Vorbereitung ein Manko!?
Als Bahnläufer musste er mit dem Manko, wie er es selbst bezeichnet, leben, dass er in der Vorbereitung auf ganz lange Läufe verzichtete. 33 Kilometer war die längste Distanz, die er zurücklegte. Nicht unbedingt ungewöhnlich, aber für einen ambitioniert gestarteten Läufer vielleicht am Ende doch der entscheidende Nachteil!? "Ich kann eine Strecke von 40 Kilometern nicht in mein Training integrieren", sagte auch Sprinteryp Baumann, "das schaffen nur die absoluten Spezialisten."
Was diese schon kannten, erlebte er zum ersten Mal. "Es war in Hamburg phasenweise eine fantastische Stimmung", lobte er die begeisterten Fans an der Strecke, "diese Emotionen kann man toll für sich verwenden." Im nächsten Jahr will er diese Emotionen erneut für sich vereinnahmen. Dass der Tübinger eine gehörige Portion Erkenntnisse aus der Hansestadt mit nach Hause nahm, steht außer Frage. "Jetzt kann ich weiter arbeiten", ist er nach wie vor von seinem Abenteuer Marathon überzeugt.
Kenianer Kandie war der Überraschungssieger
Vielleicht läuft es bei ihm dann ja so gut wie bei Christopher Kandie. Der Kenianer war mit einer Bestzeit von 2:14 nach Hamburg gereist und zählte vor dem Lauf nicht einmal zum erweiterten Favoritenkreis. Doch je näher die Spitze dem Ziel kam, umso kleiner wurde der Kreis der Sieganwärter. Schließlich fand sich Kandie allein in Führung und überquerte nach 2:10:17 Stunden als Erster die Ziellinie, gefolgt von Haile Neguse (ETH/2:10:24). Berlin-Sieger Jospeh Ngloebus, einer der großen Favoriten, landete unterdessen weit abgeschlagen auf dem 26. Platz (2:21:29).
Bei den Frauen wiederholte dagegen Sonja Oberem (TSV Bayer Leverkusen) in 2:26:21 den Erfolg vom Vorjahr und distanzierte Luminita Zaituc (LG Braunschweig/2:30:04) deutlich.
Todesfall überschattete das sportliche Geschehen
Bei zu Beginn nicht optimalen Bedingungen gingen bei der 17. Auflage des Hansaplast-Marathons kurioserweise exakt 17.777 Läufer und Läuferinnen an den Start, von denen 17.217 das Ziel erreichten. Die Skater, Walker und Rollies mit eingerechnet nahmen 20029 Aktive teil, 19.404 beendeten den Lauf.
Überschattet wurde das Ereignis vor geschätzten 520.000 Zuschauern an der Strecke von einem Todesfall. Ein Läufer war kurz vor dem Ziel zusammengebrochen und verstarb kurz darauf trotz rechtzeitiger medizinischer Versorgung im Zielbereich. Angesichts der Tragödie fiel es einem sichtlich bewegtem Renndirektor Wolfram Götz schwer, die passenden Worte für die Veranstaltung zu finden. "Bis zu dieser Information hatte ich ein positives Fazit gezogen. Aber ich bin eben doch ein emotionaler Mensch."